Ich schlafe erstaunlich viel in dieser ruckeligen Nacht im Liegewagen, auch wenn ich zwischendurch immer mal wieder kurz wach werde. Endgültig erkläre ich die Nacht gegen halb sieben beendet, etwa eine halbe Stunde, bevor mein Wecker sowieso geklingelt hätte. Kurz vor halb acht sollen wir in Neapel ankommen, aber ein Abgleich von Google Maps und der Interrail App sagt mir, dass wir schon wieder mit einer halben Stunde Verspätung unterwegs sind – natürlich, das passt ja zum Beginn der Reise gestern. Ich “frühstücke” einen Cantuccino und ein Päckchen Pfirsichsaft, die alle nebst etwas was Wasser hingestellt bekommen haben, und benutze das ebenfalls zur Verfügung gestellte Erfrischungstuch, um mich halbwegs wach und wohlriechend zu machen. Über den kleinen Plastikkamm lachen meine Haare nur, aber die bändige ich erstmal mit einem Haargummi.
In Neapel habe ich aufgrund der Verspätung keine Zeit mehr für ein vernünftiges Bar-Frühstück, kann mir aber am Gleis noch einen Automaten-Cappuccino ziehen – vom Vollautomaten aus frisch gemahlenen Bohnen und für nur 80 Cent. Zero Waste ist auf dieser Zugreisende erstmal leider nicht mehr drin. Nachdem ich meinen Platz bezogen und die Fahrkarte vorgezeigt habe, verziehe ich mich für die Morgentoilette auf eben jene und sehe dann wieder halbwegs vorzeigbar aus, wenn auch müde und leicht zerknittert.
Das Bordfernsehen berichtet über den Klimastreik und das Klimapaket der GroKo. Na immerhin sind wir pünktlich losgefahren. Ich besorge mir zum zweiten Frühstück ein Sandwich mit Tofu und Gemüse und beschäftige mich dann vor allem mit Lesen, Dösen und Bloggen.
In Bologna wird es nochmal spannend, denn natürlich haben wir inzwischen wieder eine Verspätung aufgebaut, die dazu führt, dass ich statt sechzehn nur sechs Minuten habe, um vom einen Ende des Bahnhofs zum anderen zu sprinten und den Zug nach München zu erwischen. Klappt aber auf die Minute genau und ich lasse mich in die weichen Polster der Österreichischen Bundesbahn sinken. Mist, eigentlich hatte ich gehofft, ich könne noch ein letztes italienisches Festmahl im Speisewagen zu mir nehmen. Stattdessen gibt es dort ein österreichisches Herbstmenü. Mist, auf einmal ist der Urlaub vorbei und Herbst ist auch noch.
Draußen sieht es inzwischen auch viel weniger italienisch aus – die Alpen nahen. Damit ich nicht völlig im Urlaubsend- und Herbstblues versinke, bestelle ich mir halt was sehr österreichisch-herbstliches. Es gibt Erdäpfelsuppe mit Schwammerl, einen eher langweiligen Gemüsegulasch und köstlichen Mohnschmarrn mit Weichselkompott.
Wir erreichen München mit fast vernachlässigbarer Verspätung, geraten dort aber mitten in den Oktoberfesttrubel. Der ganze Bahnhof ist voller angetrunkener Gestalten in merkwürdigen Kostümen.
Ich kaufe mir noch eine Butterbreze und dann geht es in den ICE nach Berlin, der zwar pünktlich losfährt, aber schon das nächste Abenteuer bereit hält: Aufgrund von Böschungs- und Kabelbrand werden zwei Bahnhöfe nicht an- sondern umfahren, woraus sich eine Verspätung von ca. zwei Stunden ergibt und auch der Halt in Berlin-Gesundbrunnen entfällt. Eine Gruppe Oktoberfestbesucher*innen aus Erfurt unterhält den ganzen Wagen mit ihrem Frust, während diejenigen, die noch deutlich weiter zu fahren eher resigniert und still sind. Am Ende komme ich statt kurz vor Mitternacht erst gegen zwei Uhr morgens in Berlin an und muss dann statt fünf Minuten Ringbahn noch eine halbe Stunde fahren. Kurz vor drei liege ich mit beiden Katzen im Bett.