28.03.2024 – Gründonnerstag in Madrid und ein Kreislauf-Déja-vu am Abend

Der erste Morgen alleine in Spanien und im Apartment – natürlich wieder nach zu kurzer Nacht. Es liegt nicht an äußeren Umständen, mein Körper und Geist sagen sich einfach nach etwa fünf Stunden, dass es jetzt reicht. Mein Hirn sieht das ganz anders, kann sich aber nicht durchsetzen. Da ich auf niemanden Rücksicht nehmen muss, stehe ich erst recht spät auf und mache dann auch erst einmal ganz ruhig, schnipple mir Erdbeeren ins Müsli, koche Kaffee usw. und schreibe dabei erste Arbeitsnachrichten auf dem Handy. Mit Frühstück und Laptop geht es dann ins Couch-Office.

Viel Kleinkram und Koordination heute, dazu einige Übersetzungen und die üblichen Verrichtungen des letzten Arbeitstages der Woche, diesmal eben am Donnerstag. Außerdem ein Meeting mit Südengland und eins mit Paris und dann ist auch schon Mittagspause. Die Sonne scheint mal wieder kurz, also drehe ich draußen eine Runde.

Wieder zurück habe ich ein Meeting mit Nordengland. Danach hole ich mir den Rest der bocata di tortilla von gestern aus dem Kühlschrank und schaffe es nebenbei, eine Vorratsdose aus Glas auf die Fliesen knallen zu lassen. Zum Glück hat mir die Gastgeberin gestern noch gezeigt, wo der Staubsauger steht, das wäre sonst sehr schwierig geworden. Ich esse und mache meine beiden Übersetzungen fertig, dann ist Teammeeting für die Planung des zweiten Quartals angesagt. Hinterher schreibe ich noch meinen Wochenbericht und mache dann gegen 17 Uhr einen frühen Feierabend. Hallo, Osterwochenende, hallo Spanien!

Gleich hier um die Ecke ist das Museum Reina Sofia, wo „Guernica“ hängt und noch eine ganze Menge mehr. Und das Museum hat noch vier Stunden auf. Ganz kunstbeflissen mache ich mich auf den Weg, sehe aber schon von weitem, dass das heute nichts wird. Die Schlange für Leute mit Tickets ist etwa 50 Meter lang, die für Leute ohne Tickets eher 150. Ich lache über meinen Unverstand und laufe einfach daran vorbei. Nächstes Mal also Zeit-Slot vorzeitig buchen und dann trotzdem Zeit mitbringen. Wie schaffen es Leute, in Museen zu gehen, die nur für einen Wochenendbesuch in einer Stadt sind? Noch scheint die Sonne, also spaziere ich einfach los, u. a. am Prado vorbei, dessen Schlange nochmal doppelt so lang ist wie die am Reina Sofia. (Bei Thyssen keine Schlange, ist wohl zu.)

Zitrusbilder im Prado – auch verpasst
Tulpen kurz vor dem Ausbruch

Recht bald zieht sich der Hinmel wieder zu, dann gibt es den Abend über Regen in verschiedenen Stärkegraden. Zum Glück ist mein Wintermantel wasserabweisend und die Kapuze sitzt.

Trotzdem drehe ich dann um und laufe den Retiro-Park der Länge nach hindurch zurück. Zum Abendessen ist es noch viel zu früh, aber ich suche mir eine Bar für die spanische Variante eines Aperitivos. Leider gibt es keine Getränkekarte und die Bedienung spricht kein Englisch, ich radebreche, dass ich keinen Aperol Spritz möchte, sondern irgendwas anderes. Aus der Liste der Antworten erkenne ich Sangria und bestelle halt die. Passt so gar nicht zum Wetter, aber immerhin sitze ich draußen, unter einem Schirm, und es gibt leckerste Oliven dazu. Ich schreibe und telefoniere mit dem Liebsten, der unterwegs in die alte Heimat klassische Bahn-Abenteuer erlebt, schicke den Kolleginnen Sangria-Fotos, schaue was tagsüber so in der Welt los war und friere irgendwann ziemlich in meinem Mantel.

Da ist es zum Glück schon beinahe 20 Uhr. Ich laufe zurück in „meinen Kiez“.

Hier habe ich mir, um die Ecke von der Wohnung, ein Restaurant fürs Abendessen ausgesucht (nicht im Bild). Es ist die typisch spanische Kombination von Bar und Restaurant. Leider sind alle Tische reserviert, ich bekomme aber einen Platz an der Bar angeboten und die Info, dass die Küche um 20:30 aufmacht. Ich bestelle mir ein Bier (das Weißbier ist aus, stattdessen empfiehlt man mir ein glutenfreies) und bekomme weitere Oliven. Der Laden ist voll, eng, warm und stickig, immerhin taue ich so wieder auf. Um 20:30 bin ich bereit, mein Abendessen zu bestellen und fange mit zwei Tapas an – Txistorra, eine Art Wurst aus Iberico-Schinken, und gegrillte Artischocke mit Steinpilzen und hauchdünn geschnittenem Speck. Eigentlich wollte ich noch patatas bravas mit allioli dazu, werde aber darauf hingewiesen, dass das eine riesige Portion wäre und verzichte.

Trotz Hitze merke ich so langsam, dass direkt in meinem Rücken die Tür ist und regelmäßig kalte Luftschwälle kommen, wenn jemand rein oder raus geht. Das und die Enge drücken auf meinen Kreislauf. Ich fange beherzt an zu essen, merke aber sehr schnell, wie mir schwindlig wird. Ich überlege, nach der Toilette zu fragen, aber da ist es schon zu spät und ich erkenne die Anzeichen einer beginnenden Ohnmacht. Ich lege meinen Kopf auf meine auf der Theke verschränkten Arme, um wieder klarzukommen (und nicht vom Hocker zu fallen) und gefühlt im nächsten Moment werde ich festgehalten, mein Rücken gestreichelt und mir kaltes Wasser ins Gesicht geschwappt. Ich muss wohl ein paar Sekunden weg gewesen sein. Neben mir sitzt der Besitzer des Ladens, der beruhigend auf mich einredet, fragt, ob ich Epileptikerin bin, wie ich heiße, wie alt ich bin usw. – zum Glück auf Englisch.

Ich bin schon wieder bei vollem Bewusstsein, aber noch ein wenig benommen, beantworte aber seine Fragen und beginne auch schon zu scherzen und ihn zu beruhigen, dass alles OK ist. Ich bekomme Wasser zu trinken und beginne langsam wieder zu essen. Dann taucht eine Ambulanz auf, die aus Vorsicht gerufen wurde. Eine Santitäterin misst meine Herzfrequenz und sagt, dass alles völlig normal ist, stellt mir ein paar Fragen – wenig geschlafen, wenig getrunken, Sangria und Bier, Hitze und Kälte… und ist dann ganz entspannt. Kreislauf halt. Sie bittet mich noch kurz mit ins den Wagen, wo nochmal in Ruhe Puls gemessen und mein Herz abgehört wird. Alles im Lot. Kurz meine Daten aufnehmen, Protokoll schreiben, Unterschrift, dann darf ich wieder rein. Verrückt, vor zwei Jahren zu Ostern in Spanien ist am letzten Abend fast das Gleiche passiert – ohne Sanis, weil ein Arzt vor Ort war. Da war ich aber auch gerade erst frisch von Covid genesen.

Ich setze mich wieder hin, esse die Artischocken komplett auf, die Würste fast, und trinke viel Wasser – das Bier wurde mir weggenommen. Dafür bekomme ich viele aufmunternde Worte vom Personal und den umstehenden Gästen und mein Abendessen geht aufs Haus. Als ich fertig bin, werde ich herzlich verabschiedet, lehne das Angebot ab, mich nach Hause zu begleiten und laufe die 150 Meter im Regen alleine. Etwas wackelig bin ich noch auf den Beinen und der Schreck sitzt mir in den Gliedern. Also beherzige ich den Rat der Sanitäterin, räume nicht mehr auf, packe nicht mehr meinen Koffer für morgen, sondern mache mich einfach bettfertig und lege mich um 10 ins Bett. Erst beim Bloggen am nächsten Morgen fällt mir auf, dass ich ja eigentlich noch Cheesecake zum Nachtisch essen wollte. Mist.

5 thoughts on “28.03.2024 – Gründonnerstag in Madrid und ein Kreislauf-Déja-vu am Abend

  1. Du erlebst Sachen! Schön aufpassen. – Antón Martín war ich auch, vor einem Jahr. Und die gegrillten Artischocken habe ich noch nirgendwo gesehen, die interessieren mich.

    1. Das war in der Bar La Esparanza, für wenn Ihr das nächste Mal da seid. Überlege schon, da nächsten Samstag nochmal hinzugehen, um ihnen zu zeigen, dass es mir gut geht und nochmal Geld da auszugeben.

      1. Hmmm ja. Georgisch essen kann ich ja auch in Berlin. Die spanische Küche ist dort hingegen nicht sehr variantenreich, im Vergleich zu hier.

  2. Stimmt, ja. In München ist das georgische Essen nicht so gut. Das beste hat zugemacht, zwei andere sind nicht gut, ein weiteres hat wohl neu aufgemacht.

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