19.06.2024 – Mjez Lipach

So meine stümperhafte Übersetzung von „unter den Linden“, im Sinne von „inmitten von Linden“, ins Obersorbische. Die Linde (lipa) blüht nämlich gerade überall, ist DER sorbische Baum und selbstverständlich steht die alte sorbische Siedlung Brło voll davon.

Blühende Linde

Man merkt vielleicht, ich bin von gestern Abend noch voll im Sorbisch-Thema drin. Da gabs eine Menge interessanter Denkansätze für mich:

  • Der Dialekt mit dem ich aufgewachsen bin und den Teile meiner Familie immer noch in unterschiedlicher Stärke ausgeprägt sprechen, ist nicht nur, wie mir schon immer klar war, selbstverständlich kein Sächsisch, sondern Lausitzisch, aber dieses Lausitzisch ist eben auch ein sehr slawisch geprägtes Deutsch, wie sich in Aussprachen von Vokalen und Diphtongen, Satzmelodien und Wortstellungen im Satz zeigt. Einige der Formulierungen aus den beiden Dokus gestern Abend – von Sorb*innen, die erst später Deutsch lernten – kenne ich so auch noch von meiner Oma (die als Kind noch mit ihren Großeltern Sorbisch sprach).
  • Alles östlich der Elbe, also weite Teile des heutigen Ostdeutschlands, war früher slawisch/sorbisch, das wusste ich auch schon lange. Neu ist der Gedanke, dass eben auch weite Teile der Bevölkerung „eigentlich“ Sorb*innen sind und sich erst im Laufe der Jahrhunderte germanisiert haben, bzw. durch Kolonialisierung und erzwungene Assimilation germanisiert wurden – in der Lausitz selbst erst in den letzten 150 Jahren. Das ganze Thema Dekolonialisierung und indigene Völker ist mir nicht nur aus Prinzip wichtig, sondern geht mich auch ganz direkt etwas an. Mein Stammbaum mütterlicherseits strotzt vor sorbischen Namen, aber irgendwann hörten sie alle auf, Sorbisch „zu gehen“, wie es in der Doku heißt.
  • In der Doku wurde die These aufgestellt, dass das Trauma der Kolonialisierung und Assimilation, der damit einhergehende Identitätsverlust und in der Niederlausitz ganz konkret der Verlust der Heimat durch den Tagebau, die Grundlage dafür bieten, dass in dieser Gegend heute die AfD beste Bedingungen vorfindet und die ganzen „ehemaligen“ Sorb*innen erstens aus Erfahrung Angst vor dem „Anderen“ haben und zweitens das Deutsche überperformen. Wohingegen die immer noch „praktizierenden“/„bekennenden“ Sorb*innen weniger anfällig dafür sind und zumindest in den katholischen sorbischen Dörfern die CDU immer noch stabil vor der AfD liegt.
  • Auch gelernt, bzw. wieder aus der Erinnerung vorgekramt: Die Sorb*innen waren in der Pandemie tendenziell eher weniger im Team „Vorsicht“ zu finden, was mir die Identifikation mit diesem Teil meiner Herkunft dann auch wieder schwieriger macht.

Anyway, mit diesen Gedanken im Hinterkopf findet mein Tag statt.

Ich erwache erfreulicherweise mal erst nach 8 und lasse mir morgens erstmal ordentlich Zeit. U. a. mache ich zum Beispiel einige Lektionen im Sorbischkurs und füge ein paar Accounts mit sorbischen Bezügen zu Mastodon und Bluesky hinzu (bei Instagram habe ich schon einige, bei Threads und TikTok muss ich noch gucken).

Irgendwann gehe ich dann nach draußen, Besorgungen machen, und höre dabei weiter die Playlist mit sorbischer Musik. Ich erledige erst etwas in Kreuzberg und gehe dann bei meinen Eltern nach der Post sehen, Blumen gießen und den Rest verderblicher Lebensmittel mitnehmen, der letzte Woche noch da bleiben musste, weil ich nach der Arbeit ja noch auf einer Abendveranstaltung war. Wieder zuhause gibt es dann ein Mittagessen aus Brot mit Camembert und Brie, Melone mit veganem Schinken und Tomaten. Kurz danach gehe ich noch ein zweites Mal raus, um im italienischen Supermarkt ein paar Dinge zu holen. Danach ist quasi „Feierabend“ und Ausruhen angesagt. Dabei gucke ich die Doku zur Hamburger Schule.

Abendbrot

Am frühen Abend, während des Spiels Deutschland gegen Ungarn, kommt eine Getränkelieferung an. Nach dem Spiel habe ich ein Webinar im Adulting-Projekt. Danach telefoniere ich etwa eine Stunde lang mit einer Freundin und danach noch eine halbe Stunde mit meinen Eltern – fünf Stunden Zeitunterschied machen es möglich. Als letzten Akt des Tages lege ich mich nochmal in die Badewanne und absolviere dort meine Pflichten im Norwegischen und Italienischen. Kurz nach Mitternacht liege ich im Bett.

Leave a comment