09.06.2024 – Demokratiespaziergang

Bis nach 9 geschlafen, der Liebste kann noch eine ganze Weile länger. Ich beschäftige mich still mit meinem Telefon, bis er auch wach wird. Dann gibt es Kaffee im Bett und erste Gespräche, thematisch drehen sie sich viel um Essen. Wir kommen überein, dass Frühstück bestellt werden muss und suchen uns etwas aus. Gegen 12 gibt es dann für mich Brot mit Avocado und pochiertem Ei sowie ein Croissant mit Erdbeerbarmelade, dazu mehr Kaffee und O-Saft. Kurz darauf ziehen wir uns an und gehen ins Draußen – der Liebste muss noch wählen und ich bin mit einem Freund verabredet.

Der Liebste macht sein Kreuz für eine andere demokratische Partei als ich bei der Arbeitsagentur um die Ecke und kehrt dann in seine Höhle zurück, während ich nach Charlottenburg fahre und dort in einem kosheren Café den Freund aus der Heimat treffe, der heute ein paar Stunden in Berlin zu killen hat, bevor er in seiner Parteizentrale die Wahlprognosen und -hochrechnungen miterlebt. Ich esse ein Schokoladenrugela (Singular von Rugelach), während er seinen Kaffee austrinkt, und dann laufen wir los.

Es geht den Ku‘damm entlang bis zum Zoo, am Zoo vorbei in den Tiergarten, am „Rasen des 17. Juni“ vorbei bis zum Brandenburger Tor.

Die Gespräche drehen sich um die alte Heimat, Arbeit, Freund*innen, Familie und natürlich immer wieder Politik. Es ist vieles eher deprimierend, aber ansonsten auch sehr schön. Ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Menschen befreundet sein kann, die einer Partei ganz am anderen Ende des demokratischen politischen Spektrums angehören, solange die Basis (Demokratie) stimmt.

Wir laufen unter den blühenden Linden zum Hackeschen Markt und holen uns ein Eis – für mich schwarze Johannisbeere und Mango. Damit geht es über die Museumsinsel und am Wasser entlang zu zweien meiner Lieblingslokale in der Gegend. Das eine hat zu, das andere macht gleich zu.

Suezkanal in Klein

Also gehen wir in ein Hipstercafé, das passt zu uns Beiden, und trinken noch einen Espresso Tonic, während wir durch unsere Timelines scrollen und unsere Social-Media-Kanäle befüllen.

Dann geht es auf 18 Uhr zu und wir verabschieden uns mit dunklen Vorahnungen und wünschen uns ein gutes demokratisches Ergebnis. Er geht weiter zur Parteizentrale der mir unsympathischsten demokratischen Partei (zumindest von den „Großen“), ich fahre mit S-Bahn und Tram nach Hause in den Pberg und sitze kurz nach 18 Uhr vom Fernseher.

Die Prognosen sind erwartbar gruselig, auch wenn es für die Partei des Freundes etwas weniger schlimm aussieht als befürchtet. Ich mache mir einen Schnittchenteller und Waldmeisterlimo und schaue mir die Berichterstattung etwa anderthalb Stunden lang an. Der Liebste und ich telefonieren zweimal, dann brauche ich dringend Eskapismus von meinen Timelines (nach und nach kommen die Ergebnisse einzelner Gegenden und es ist alles sehr doom ‘n’ gloom. In der alten Heimat haben die Blauen fast 40 Prozent bekommen, auch in Rostock sind sie größte Fraktion in der Bürgerschaft. Mein Kiez ist erwartbar stabil, aber was hilft das, wenn das ganze Land blau versumpft?

Immerhin bleiben die Ergebnisse hinter den Umfragen Anfang des Jahres zurück und das EU-Parlament insgesamt verändert sich auch noch nicht so stark. Irgendwo muss man sich ja kleine Hoffnungslichter zusammenklauben.

Jedenfalls eskapiere ich mit mehreren Folgen Succession, womit ich heute nochmal neu anfange, es ist schlicht zu lange her und zu viel passiert, seit ich das letzte Mal angefangen habe. Nach vier Folgen ist es halb 12 und ich mache mich bettfertig.

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