#ithasien – Italien-Roadtrip 2018 – Tag 5: Bergamo, Grumello und das Bett von Garibaldi

Das Schöne am Urlaub sind ja die ganz unverhofften Dinge – und von denen hatte Tag 4 einige zu bieten! Begonnen hat er allerdings wie erwartet mit einem sehr leckeren Frühstücksbuffet im Agriturismo. Neben den italienischen Frühstücksklassikern und Zugeständnissen an ausländische Gäste, etwa Müsli, Käse und Schinken, gab es auch köstliche Frittata, Apfelstrudel, Bruschetta, Tramezzino mit Ricotta, Schinken und Tomate und Schokokügelchen, allesamt eben so hausgemacht wie die Kirschmarmelade.

Wir langten ordentlich zu, dann checkten wir aus und fuhren nach Bardolino selbst hinein, trotz der Vorurteile des Hasen gegenüber dem Gardasee. Die wurden zwar zunächst alle bestätigt – deutsche Touristen in den besten Jahren allüberall – aber als wir dann direkt am Wasser waren und darin diverse Fische und darüber Möwen und Enten und die Aussicht auf die Berge bewunderten, da fanden wir den Gardasee dann doch ganz in Ordnung. So für ne halbe Stunde. Dann wurde es Zeit, gen Westen aufzubrechen.

Während der Hase uns chauffierte, schrieb ich mit seiner Kollegin F., deren Familie in der Nähe von Bergamo lebt und dort unter anderem selbst Spumante keltert und eine Enoteca betreibt. Ein Besuch im Weinkeller und in der Enoteca waren angedacht, daraus wurde dann eine ganze Menge mehr, was sich schon jetzt dadurch abzeichnete, dass ihre Nonna ausrichten ließ, sie würde sich schon auf unseren „qualifizierten“ Besuch freuen und wir könnten gerne bei ihr übernachten. Bäm! Eigentlich war ja geplant, dass wir im Hotel übernachten würden.

Doch zuerst zog es uns noch nach Bergamo, das Frau Nessy im Frühling so wunderschön beschrieben hatte. Wir fuhren mit dem Funicolare hoch in die Città alta und spazierten dort durch Gassen, bewunderten die kulinarischen Schaufensterauslagen und naschten ein Eis in der von Nessy empfohlenen Gelateria. Alles wirklich sehr schön dort und der Hase hat schon auf dem Plan, irgendwann nochmal für länger hinzufahren.

Nach unserer kurzen Stippvisite machten wir uns dann auf den Weg nach Grumello del Monte, wo wie wir wussten die Nonna bereits wartete. Auf Empfehlung der Hasenkollegin parkten wir unseren Bao Bao am Schloss und „spazierten“ dann den Berg hinauf, durch Weinberge und Olivenhaine, bis zum Bauernhaus der Familie. Und wie hinauf das ging – besonders das erste Stück war so steil, dass ich kaum vorankam, arge Probleme mit dem Atmen hatte und mehrfach versucht war, umzukehren. Oben angekommen wurden wir auch von mehreren Familienmitgliedern gefragt, warum bloß wir denn nicht mit dem Auto hochgefahren wären. Als ich über den steilen Hang klagte, witzelte der Hasenkolleginnenvater dann allerdings, das sei eben nicht Berlin und der Ort hieße nun mal nicht umsonst Grumello del Monte. Wo er Recht hat…

Doch zuerst wurden wir nur von der Nonna empfangen, einer unglaublichen Dame von ca. 80 Jahren, die leider nicht mehr gut zu Fuß, ansonsten aber topfit war. Als wir im Wohnzimmer Platz nahmen, fielen mir zuerst Handy und Laptop auf dem Schreibtisch auf, ein WLAN-Router war auch am Start. Die Nonna stammt ursprünglich aus dem Trentino, einer der Regionen Italiens, die früher zu Österreich gehörte und bis heute zweisprachig ist. Deswegen sprach sie auch ein nahezu perfektes Deutsch, obwohl sie die Sprache nur in der Schule gelernt hatte und in der Familie Italienisch, bzw. den örtlichen Dialekt, der in Richtung Laddino geht, gesprochen hatte und außerdem vor ca. 60 Jahren in die Gegend von Bergamo gezogen war. Immer wieder entschuldigte sie sich bei uns, wenn sie nach Wörtern suchen musste oder die Zeitformen und Artikel durcheinander brachte, während sie komplizierte Relativsätze über mehrere Zeitebenen und gefüllt mit Fachbegriffen aus Landwirtschaft, Geschichte, Geographie und Kulinarik sprach. Französisch und Englisch könne sie übrigens leider nur sehr wenig und besser lesen als sprechen… Bäm Bäm!

Die Nonna erzählte uns, wie sie damals mit ihrem Mann hierher kam, auf dem Grundstück vier alte Olivenbäume entdeckte und daraufhin anfing, Olivenbäume im großen Stil anzupflanzen. In guten Olivenjahren stellen sie bis zu 300 l Öl her, in den letzten beiden, die schlechte Jahre waren, waren es zusammen gerade einmal 80 l. Das Hauptgeschäft ist allerdings der Sekt/Schaumwein/Spumante, den sie aus Trauben aus dem Trentino im eigenen Weinkeller keltern. Den vertreiben sie bereits seit Jahrzehnten weit über die Grenzen Bergamos hinaus. So kam es auch, dass sie und ihr Mann diverse Reisen unternahmen. Sie fragte uns über unsere Reiseroute aus, lobte uns für die tolle Auswahl an Städten und gab uns Tipps, was wir uns anschauen und wo wir was essen sollten.

Als die Sonne unterging, standen plötzlich die Hühner vor der Tür. Sie würden jeden Abend Bescheid sagen, dass sie jetzt langsam ins Bett müssten und vorher bittegerne noch Abendbrot hätten. Wir gingen also zusammen hinaus, fütterten die Hühner, schlossen den Stall, sammelten noch ein paar draußen versteckte Eier ein („für Euch morgen zum Frühstück!“) und dann pflückte die Nonna uns noch drei Zitronen als Geschenk. Dann war es Zeit, unsere Betten zu beziehen, damit alles fertig wäre, wenn wir vom Abendbrot in der Enoteca zurückkehrten. Und da kam dann ganz nebenbei heraus, dass in dem Bett, in dem ich schlafen würde, eine Zeit lang Garibaldi geschlafen hatte… Bäm Bäm Bäm!

Die Familienlegende besagt, dass der Onkel vom Onkel vom Nonno einst Priester (oder wahrscheinlich ein noch höherer kirchlicher Würdenträger, das korrekte Wort fehlte gerade) in Trentino gewesen wäre. Als Garibaldi mit seinen Truppen Trentino eroberte, kam der Priester ins Gefängnis und Garibaldi bezog dessen Haus und Bett. Später entschied der König, dass Trentino nicht interessant genug wäre und ruhig bei Österreich bleiben dürfte. Daraufhin kehrte Garibaldi nach Italien zurück, der Priester wurde freigelassen und erhielt Haus und Besitz wieder. Das Bett aber kam irgendwann zum Nonno und mit ihm nach Grumello, wo ich es nun benutzen durfte. Aufregend!

Langsam wurden wir hungrig, deswegen verabschiedeten wir uns und liefen wieder hinunter in den Ort, um in der Enoteca der Familie zu Abend zu essen. Unser Kellner war der Hasenkolleginnencousin, während ihr Vater der Inhaber der Enoteca ist und gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, einer Köchin und bei Bedarf mehr Servicepersonal den Laden schmeißt. Weil wir uns nicht so ganz entscheiden konnten, bekamen wir eine Mischung verschiedener Vorspeisen als Antipasti serviert: verschiedene Käse- und Aufschnittsorten, natürlich mit Brot und Olivenöl, sowie eine Art Quiche und gegrilltes bzw. gedämpftes Gemüse, das ungewürzt war und den puren, intensiven Gemüsegeschmack behalten hatte. Eine Offenbarung!

Als Primo bestellte der Hase sich Strozzapreti mit einer Sauce aus gelber Paprika, Saffran und Salsiccia und ich mir ein Risotto mit Champagner und Trüffeln. Zu all dem wünschte sich der Hase einen etwas Primitivo-artiges. Der Hasenkolleginnencousin brachte uns zwei Flaschen Primitivo aus Apulien, die eine eher klassisch, die andere biodynamisch und innovativ. Wir kosteten zunächst diese und besonders der Hase war sofort begeistert.

Als Secondo teilten wir uns dann gebackenen Oktopus auf Maiscreme mit rohen Gemüsewürfeln. Dazu müssten wir auf jeden Fall einen anderen Wein trinken, befand der Hasenkolleginnencousin und brachte uns einen Rotwein vom Ätna, der sehr leicht, spritzig und mineralisch war und perfekt zum Meeresgetier passte. Amüsiert berichtete er uns von einer Politikerin, die sich geweigert hatte, zu Fisch Rotwein zu trinken, bis sie diesen Wein gekostet hatte. Evtl. sei es Angela Merkel gewesen, das wisse er nicht mehr genau.

Nach Antipasti, Primi, Secondo, einer Flasche Primitivo und je einem Glas von dem anderen Wein waren wir pappsatt, leicht angetüdert und unglaublich müde. So verzichteten wir auf Nachtisch (obwohl es ein „Torinomisù“, also Tiramisù mit Gianduja, gegeben hätte), Kaffee und Schnaps. Stattdessen zogen wir uns an und wankten zur Kasse, wo wir unsere Rechnung bezahlen wollten. Der Hasenkolleginnenvater kam auf uns zu, sah uns fest in die Augen, winkte dann ab und meinte nur „Ciao! Und ruft mich morgen früh, wenn Ihr wach seid, damit ich Euch den Weinkeller zeigen kann!“ Bäm Bäm Bäm Bäm!

Wir fuhren völlig geplättet mit dem Auto zurück auf den Berg und vermuteten die Nonna im Bett. Stattdessen hatte sie den Ofen angeheizt und saß vor dem Fernseher, immerhin lief Champions League und Neapel dominierte das Spiel gegen Liverpool! So sahen wir vor dem Schlafengehen noch gemeinsam die zweite Halbzeit, jubelten über den neapolitanischen Sieg und Hase und Nonna fachsimpelten über Maradona, Ronaldo und die Unsäglichkeiten der Verhältnisse im Profifußball. Bäm Bäm Bäm Bäm Bäm!

#ithasien – Italien-Roadtrip 2018 – Tag 4: Padua, Soave und Bardolino

Zum ersten Mal in diesem Urlaub klingelt ein Wecker, denn wir müssen unseren Mietwagen abholen, bevor die Station zur Siesta schließt (auch im Oktober) und haben bis dahin noch einiges zu absolvieren. Also stehen wir kurz nach 8 auf und machen uns abreisefertig. Dann fahren wir ein letztes Mal mit dem Vaporetto quer über die Lagune, diesmal bis zum Bahnhof. Unterwegs kaufe ich über die Trenitalia-App schonmal die Zugtickets (nur 8,50 € für uns beide zusammen).

Am Bahnhof haben wir dann noch genug Zeit, um Brot und Caffè latte zu kaufen. Wir haben geplant, im Zug zu frühstücken. Deswegen wollen wir den Kaffee auch zum Mitnehmen, und zwar in unseren tollen wiederverwendbaren Bechern aus dem Stammcafé. Nun ist es so, dass die To-Go-Kultur (zu Recht) in Italien noch nicht wirklich angekommen ist. Den Espresso kippt man schnell an der Theke weg und andere Kaffee-Varianten nimmt man mit einem Stück Gebäck und der Zeitung oder einem Gespräch zu sich. Den Kaffee mitzunehmen und dabei womöglich kalt werden zu lassen ist „dem Italiener“ an sich völlig fremd. Aber in Touristenhochburgen wie Venedig hat man sich der Nachfrage inzwischen angepasst und gibt widerwillig Pappbecher aus. Als ich nun die beiden wiederverwendbaren Becher hinstreckte, guckte der Barista erst unverständig, dann ungläubig, dann belustigt und zum Schluss irgendwie anerkennend (bilde ich mir zumindest ein). Wir bekamen den Kaffee also wie gewünscht und tranken ihn im Zug zu Brot und Pecorino, Trauben und Feigen.

Nach nicht einmal einer halben Stunde erreichten wir Padua. Dort konnten wir unseren Mietwagen – ich nenne ihn liebevoll Bao Bao, denn er ist ein Panda – entgegennehmen. Nun wollten wir zuerst zum Botanischen Garten fahren, dort irgendwo parken und uns dann den Garten selbst (der älteste der Welt!) und einen Teil der Universität anschauen (immerhin von 1222). Nun war es aber mit dem Navi irgendwie schwierig, so dass wir auf Google Maps umstiegen. Und es ist, wie es ist: Folgt man den Anweisungen, kommt man gut und schnell an. Erkennt man dann aber schmale Gassen nicht als vollwertige Straßen oder verpasst eine plötzlich auftauchende Abzweigung, so muss man Umwege fahren. Und die sind in alten italienischen Städten mit ausgeprägtem Einbahnstraßensystem unglaublich weit. Wir machten zwei oder drei zusätzliche Umwege, bis wir beim Botanischen Garten waren (das dauerte gefühlt eine knappe Stunde, obwohl das Navi ursprünglich eine Viertelstunde angezeigt hatte) und stellten dann dort fest, dass es nur Anwohnerparkplätze gibt. Also kämpften wir uns eine weitere halbe Stunde durch enge Altstadtgassen, bis wir schließlich in einem Parkhaus landeten, das zu Fuß sowohl von der Uni als auch vom Botanischen Garten ca. 20 Minuten entfernt war. Aber sei’s drum, wir hatten immerhin einen Parkplatz.

Dann liefen wir zunächst zur Uni, bzw. deren Haupt- und ursprünglichem Hauptgebäude, dem Palazzo del Bò. Hier wollte der Hase unbedingt die Statue für Eleonora Lucrezia Cornaro Piscopia sehen, der weltweit ersten Frau, die in Philosophie promovierte. Auch Kopernikus, Galileo und Casanova haben hier gewirkt. Während der Hase auf den Spuren der Gelehrten alter Zeit wandelte, mischte ich mich unters aktuelle Studentenvolk und schaute mir auf der Suche nach der Toilette die Uni von innen an. Im altehrwürdigen Gemäuer heißen sämtliche Hörsäle und Seminarräume „Aula x“, wobei das x jeweils für den Namen eines bedeutenden Wissenschaftlers steht. Sah sehr schick aus und gleichzeitig modern, da auf Displays angezeigt war, welche Veranstaltung gerade wo stattfand. Scheinbar fiel ich unter den Student*innen auch gar nicht so auf, zumindest guckte keine*r von ihnen merkwürdig, als ich mich in die Kloschlange einreihte. Sehr gut fürs Ego, das!

Danach fand ich, wir hätten uns endlich unser erstes Eis in diesem Italienurlaub verdient. Die vor Jahren aufgestellte Regel: „x Tage in Italien = x Eise in Italien“ werden wir wohl diesmal wieder nicht aufrecht erhalten können. Aber wir können es versuchen! Für mich gab es Schokoladensorbet und Puddingcreme, der Hase hatte Kastanie, Erdbeere und Mango. Beide hatten wir unten Schokoladencreme in der Waffel und ich zusätzlich oben drauf noch Schlagsahne, die sich dann wieder sehr schön mit dem Eis verband.

So gestärkt spazierten wir durch die Fußgängerzone und am Prato entlang bis zur Basilica Sta. Giustina, die ziemlich beeindruckend herumsteht. Gleich um die Ecke davon ist der Botanische Garten, der ziemlich groß ist und sich wirklich lohnt. Der älteste botanische Garten der Welt war unter anderem der Ort, an dem die Kartoffel, die Veilchen, der Sesam und die Sonnenblume erstmals in Italien kultiviert wurden, nachdem sie von fernen Kontinenten mitgebracht wurden. Außerdem befindet sich hier die sogenannte Goethe-Palme, die den alten Geheimrat auf seiner italienischen Reise so beeindruckte, dass sie ihn zu seiner Metamorphose der Pflanzen inspirierte. Sie sieht immer noch beeindruckend aus:

Als wir genug hatten, liefen wir zurück zum Auto und begannen dann so ganz offiziell unseren Roadtrip. Tagesziel war ein Agriturismo in der Nähe von Bardolino, doch auf dem Weg fuhren wir noch in Soave vorbei. Aus Zeitgründen erschlossen wir uns die mittelalterliche Stadt allerdings nicht zu Fuß, sondern fuhren einfach mit dem Auto ein wenig hindurch, um einen Eindruck zu gewinnen. Dafür hielten wir aber kurz nach dem Städtchen mitten in den Weinbergen an. Ein Teil der Reihen hing noch voller Trauben, andere waren schon abgeerntet und trugen nur noch kleine vergessene Garganega-Träubchen. Von denen zwackten wir uns ein paar zum Naschen ab. Sehr köstlich!

Dann bezogen wir unseren Agriturismo (der leider nur Frühstück anbietet) und fuhren in eine Trattoria im Nachbarort. Hier gab es dann für uns beide eine Käseplatte mit Feigensenf und Mostarda als Vorspeise, dann für mich Gnocchi mit Bergkäse und Trüffeln und für den Hasen Tagliatelle mit Pfifferlingen. Dazu gönnten wir uns eine Flasche Bardolino. Bzw. trank der Hase ein Glas und ich zwei, denn er musste ja leider noch fahren. Der Rest der Flasche steht jetzt neben dem Bett und wird mit dem Umweg über die Zahnputzbecher geleert. Cin cin!

#ithasien – Italien-Roadtrip 2018 – Tag 2: Strand, Ghetto und eine Überdosis Venedig

Zunächst muss ich noch von unserer Ankunft in Venedig berichten, die zwar technisch gesehen an Tag 1 stattfand, allerdings erst nachdem ich bereits vom Zug aus den Text dazu veröffentlicht hatte.

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Wir erreichten den Bahnhof Santa Lucia mit ein paar Minuten Verspätung etwa eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang. Da ich die Nahverkehrstickets bereits unterwegs über die App gekauft hatte, konnten wir unsere ganze Kraft darauf verwenden, den richtigen Vaporetto (Also richtige Linie, richtige Richtung aka richtiger Ableger) zu finden – was gar nicht so einfach war und auch in den nächsten Tagen nicht reibungslos lief. Dann aber saßen wir in der Linie 5.1 zum Lido und fuhren während des Sonnenuntergangs los, haben aber das Schönste davon verpasst, bis wir das „offene“ Wasser der Lagune erreichten, von wo aus wir ihn perfekt hätten sehen können. Trotzdem gab es ein tolles Licht auf Wasser und Palazzi. Vom Bahnhof aus ist die Tour zum Lido relativ lang, der Vaporetto voll und unser Gepäck war nur so mitteloptimal zu verstauen.

Trotzdem ging alles glatt und als wir am Lido ankamen, fanden wir problemlos unser Domizil, ein 1-Zimmer-B&B im obersten Stockwerk eines Jugendstil-Palazzos zwischen Lagune und Meer. Nach kurzem Schnack mit der Gastgeberin, bei dem sie uns u. a. einlud, morgen mit ihr und ihrer Familie auf dem eigenen Boot an einer Blockade der Kreuzfahrtschiffe teilzunehmen, richteten wir uns häuslich ein und ich suchte uns ein schönes Restaurant für den ersten Abend aus.

Dorthin liefen wir dann durch den recht dunklen Ort und bekamen einen schönen Tisch draußen, an dem es uns erst gegen Ende der Mahlzeit etwas fröstelte. Es gab einen halben Liter Weißwein und eine Flasche Wasser, den Oktopus-Salat, von dem der Hase schon seit Monaten träumt, sautierte Venus- und Miesmuscheln, frittierte Meeresfrüchte mit Polenta und Tintenfisch in einer Tomatensauce, die mit der Tinte gefärbt war, ebenfalls mit Polenta. Als wir das alles bewältigt hatten, war das Nachtischangebot zum Glück schon alle, so dass wir uns mit einem Espresso (ich) bzw. einem Grappa (der Hase) begnügten und dann nach Hause und ins Bett gingen.

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Am nächsten Morgen, und damit wirklich an Tag 2, schliefen wir erst einmal aus und trödelten dann noch eine Weile herum, so dass wir erst gegen 11 aus dem Haus kamen. Als erstes liefen wir zum Strand, wo wir Reste unseres Zugproviants zum Frühstück aßen. Dann ging ich zum ersten Mal in diesem Jahr (Skandal!) im Meer baden und das war außerdem auch das erste Mal in der Adria für mich. Dem Hasen war es zu kalt und außerdem hatte er keine Badehose mitgenommen, also blieb er draußen. Nach dem Baden setzten wir uns noch in ein kleines Café und tranken einen Caffè latte, bevor wir zurück in die Unterkunft gingen und uns stadtfein machten.

Eigentlich wollten wir nur schnell zu den Giardini übersetzen, einem großen Park, der u. a. die Biennale beherbergt. Dort wollten wir ein wenig flanieren und dann von dort aus weiter zum Ghetto laufen. Aber wir hatten natürlich zwar die richtige Vaporetto-Linie, aber die falsche Richtung erwischt, so dass wir stattdessen an der Friedhofsinsel San Michele vorbeifuhren, Ezra Pound und Igor Stravinsky zuwinkten und dann direkt in der Nähe des Ghettos ausstiegen. Als wir auf der Ghetto-Insel und am Jüdischen Museum ankamen, war es gerade 5 Minuten vor Führungsbeginn, so dass wir die Chance ergriffen, einmal eine Synagoge von innen zu sehen. Und zwar nicht nur eine, sondern gleich drei, nämlich die alte deutsche Synagoge, die neue deutsche Synagoge und die levantinische Synagoge, lernten also sowohl aschkenasische als auch sephardische Tradition kennen. In Venedig ist der Unterschied recht frappierend, da aschkenasische Juden mit einer größeren Zahl an Einschränkungen zu kämpfen hatten als die Sephardischen, die Handel trieben und somit Venedig von großem Nutzen waren. Ihre Synagoge war dann auch mit besseren Materialien und von bedeutenderen Künstlern gestaltetet worden. Übrigens wurden die Synagogen natürlich von christlichen Handwerkern gebaut, da Juden diese Handwerke nicht erlernen durften.

Es gibt auch noch die italienische und und die spanische, aber in denen werden gerade die Thora-Rollen aufbewahrt, daher sind sie nicht für Touristen geöffnet. (Demnächst wechseln die Rollen ihren Aufbewahrungsort, dann ändert sich das.) Allen Synagogen gemein ist, dass sie in bestehende Häuser hinein gebaut wurden, weil es den Juden nicht gestattet war, neue Häuser zu bauen. Da zwischen einer Synagoge und dem Himmel aber nichts sein darf, sind sie jeweils im obersten Stockwerk der Häuser integriert. Auch sonst hielten sich die christlichen Baumeister größtenteils an die jüdischen Gebräuche. Dafür durften die Juden dann aber auch bis Napoleon die Stadt einnahm das Ghetto nicht verlassen – eine wirklich winzige Insel mit nur einem großen Platz und einer Straße – auf der zu Hochzeiten 5000 Menschen plus Tiere lebte. Um die alle unterzubringen, wurde in die Höhe gebaut: Eines der Gebäude hat 8 Stockwerke und gehört damit zu den höchsten der Stadt und wird auch venezianischer Wolkenkratzer genannt.

Dass „Ghetto“ einfach „Gießerei“ bedeutet und der Name des Viertels war, schon lange bevor dort Juden lebten und dass dieser Name sich von Venedig aus auf der ganzen Welt verbreitete, wisst Ihr natürlich schon, oder? Wir wussten das tatsächlich schon und schlenderten nach der Tour noch einmal ins Museum zurück, um uns im Shop umzusehen und ein paar jüdisch-venezianische Leckereien zu probieren, nämlich eine Azzima (ungesäuertes Brot, süß und mit deutlicher Anisnote) und eine Impada, eine Art längliche Mandelmakrone, mit Puderzucker bestäubt.

Als nächstes wollten wir ungefähr zum Dogenpalast, um uns die blockierenden Boote in der Lagune zumindest vom Ufer aus anzusehen. Allerdings lief das alles nicht ganz so gut, wie geplant, denn es ist relativ schwer, in Venedig in gerader Linie von A nach B zu kommen. Eigentlich dachten wir, wir laufen zum Canal Grande und dann den entlang bis zur Rialto-Brücke und schlagen uns dann irgendwie Richtung Süden durch. Dann stellten wir fest, dass man direkt am Canal nicht entlang laufen kann, also mussten wir uns doch durchs Innere schlängeln, im wahrsten Sinne des Wortes, denn von einem Schachbrettmuster ist man in Venedig meilenweit entfernt. Die Straßen und Gassen machen Bögen und dann kommt immer mal ein Kanal, den man erst überqueren muss, um weiter in die gewünschte Richtung laufen zu können oder auch gerne eine Sackgasse, aus der man erst einmal wieder um drei Ecken zurück zum Ausgangspunkt laufen muss. Je näher wir der Rialto-Brücke kam, desto touristischer und voller wurde es außerdem, so dass wir uns dann irgendwann nur noch sehr langsam durch die engen Gassen vorwärts schoben und mit den Touristenströmen mitflossen, ob wir wollten oder nicht. Am Ende erreichten wir den Markusplatz von einer völlig anderen Richtung als ich erwartet hatte und standen dann kurz danach am Ufer der Lagune.

Leider waren dort gar nicht so viele Boote am Start. Zwar flitzten mehr Boote herum als wir zuvor dort gesehen hatten, aber eine kritische Masse wurde nicht erreicht. Die Gastgeberin erzählte uns später, dass die Italiener das Problem einfach nicht radikal genug angängen. Zu wenige protestieren und diese Proteste werden auch noch lange vorher öffentlich angekündigt, so dass die Kreuzfahrtschiffe ihre Fahrten entsprechend anpassen können. Die Polizei war in großer Zahl und mit Wasserwerfern vor Ort und machte auch ordentlich Wellen, so dass es für kleinere Boote nicht ungefährlich war.

Wir wollten dann eigentlich als nächstes auf die Insel Giudecca übersetzen und fanden auch die richtige Vaporetto-Linie dafür. Leider am falschen Anleger und damit in der falschen Richtung, was wir aber erst zwei Stationen später bemerkten, da waren wir schon ziemlich weit in der anderen Richtung und hatten keine Lust mehr, zum richtigen Anleger zurückzulaufen. Stattdessen bummelten wir durch die Gegend und suchten uns eine nette Cichetteria für einen Aperitivo. Wir fanden schließlich eine mit guten Bewertungen und außer uns nur italienischen Gästen und tranken ganz klassisch einen Spritz, der ja aus Venedig kommt. Dazu aßen wir drei typisch venezianische Cichetti – süßsauer eingelegte Sardinen, Stockfisch in Tomatensauce und Stockfisch in Sahnesauce, jeweils auf Brot, und zwei nichtvenezianische – meine geliebten frittierten Zucchiniblüten, gefüllt mit Mozzarella und Anchovis und unseren ersten Panzerotto (mit Tomate und Mozarella).

Dann liefen wir zum Canal Grande und setzten uns in die Linie 1, mit der wir bequem wieder bis zum Dogenpalast fuhren und dabei die volle Pracht der venezianischen Palazzi bestaunen konnten. Dann spazierten wir zu dem Ort, wo in den Donna-Leon-Romanen die Questura liegt, in der Commissario Brunetti arbeitet. Tatsächlich befindet sich dort die Staatspolizei. Inzwischen war es dunkel geworden und langsam Zeit fürs Abendbrot. Das Restaurant, das wir uns ursprünglich ausgesucht hatten, war leider komplett ausgebucht, also liefen wir eine Weile herum, ignorierten die Leute, die Touristen von der Straße weg mit besonderen Angeboten in ihre Restaurants locken, und fanden schließlich ein schönes gemütliches Lokal mit maritimem Ambiente und einem lauschigen Hinterhof, in dem wir noch ein Plätzchen ergatterten. Der Hase bestellte Antipasti, die sich als eine riesige Menge Aufschnitt (Bresaola, Parmaschinken, Mortadella und Coppa) und ein paar Oliven entpuppten und danach gab es für ihn eine gemischte Platte mit frittiertem Fisch und Gemüse und für mich Tagliatelle mit Jakobsmuscheln und Kirschtomaten. Danach waren wir pappsatt und hundemüde und fanden zum Glück sofort den richtigen Vaporetto, der uns zurück nach Hause fuhr.

#ithasien – Italien-Roadtrip 2018 – Tag 1: Von Berlin nach Venedig

Mit diesem Text werden gleich zwei Wünsche auf einmal erfüllt. Einmal der mal mehr, mal weniger offen ausgesprochene Wunsch vieler geneigter Leser*innen, ich solle doch mal wieder bloggen. Und zum Anderen der des Hasen, unsere Urlaubshashtags sollten sich doch bitte schön nicht immer nur auf mich beziehen. Aus meinem ursprünglich geplanten #loositalia wird also dann jetzt #ithasien.

Ihr merkt, wir fahren nach bzw. durch Italien. Schon wieder? Ja, schon wieder. Der beziehungsinterne Vorsatz ist ja, einmal im Jahr nach Italien zu fahren und richtig gut zu essen (dafür aber immer wieder neue Ecken erkundend) und einmal im Jahr ein neues Land zu entdecken (mindestens für einen von uns beiden neu). In diesem Jahr haben wir nun drei Wochen Urlaub am Stück und verbinden unsere beiden Vorsätze miteinander: Wir machen einen Roadtrip durch Italien (auf Wunsch des Hasen durch den nordöstlichen Teil) und schauen uns unterwegs einen Tag lang San Marino an. Ja, wir sind gut darin, die Regeln in unserem Sinne zu verbiegen.

Da wir außerdem die Regel aufgestellt haben, aus ökologischen Gründen so oft wie möglich auf das Fliegen zu verzichten, tippe ich diese Zeilen im EuroCity zwischen München und Venedig. Bis jetzt kann ich auch nur gutes vermelden. Wir haben Sitzplatzreservierungen, der ICE aus Berlin war pünktlich, die Sitze sind bequem… Und wir kommen ganz entspannt und allmählich in den Reisemodus. Das einzige Manko war, dass wir schon um 5 aufstehen mussten, um rechtzeitig in Venedig anzukommen, um unsere Unterkunft noch zu beziehen und dann Zeit für ein angemessenes Einstiegsabendessen zu haben. Die reine Fahrtzeit von Berlin Hbf bis Venezia Santa Lucia beträgt trotzdem nur 11,5 Stunden.

Während vor dem Zugfenster Kühe weiden und die Alpen immer näherrücken, schreibe ich mal kurz auf, was uns (und Euch, wenn ich mit dem Bloggen durchhalte) in den nächsten drei Wochen alles so erwartet.

Italien 2018.png

Tag 2-3:

Wir erkunden Venedig. Für mich ist es bereits der vierte Besuch in der Serenissima, für den Hasen allerdings der erste. Da ich vieles schon kenne, hoffe ich, diesmal das Ghetto ausführlicher zu besuchen und außerdem erstmalig nach Murano (und evtl. Burano) zu kommen.

 

Tag 4:

Wir nehmen den Zug nach Padua, wo wir einen Mietwagen gebucht haben. Damit beginnt dann der Roadtrip auch ganz offiziell. Ich freue mich schon wieder auf das Durchzappen durch italienische Radiosender und ein Navi, dass die italienischen Namen sehr amüsant ausspricht und uns in die eine oder andere Sackgasse führt. An diesem Tag geht es bis an den Gardasee, nach Bardolino, wo wir auf jeden Fall den gleichnamigen Wein trinken werden. Mögliche Zwischenstationen sind auch noch Passano del Grappa und Soave, da wird dann aber nur die Beifahrerin trinken können. Evtl. halten wir auch noch in Vicenza an.

 

Tag 5:

Wir verlassen das Veneto und machen einen Abstecher in die Lombardei. Ziel ist die Enoteca des Vaters einer Kollegin vom Hasen in Grumello. Wenn wir es schaffen, machen wir unterwegs in Brescia und Bergamo Station. Der Hasenkolleginnenvater macht auch selbst Olivenöl, davon wollen wir uns etwas mit nach Hause nehmen.

 

Tag 6:

Dieser Tag steht ganz im Zeichen des Essens und führt uns in die Emilia-Romagna. Zuerst geht es nach Parma, wo der gleichnamige Schinken und der Parmigiano Reggiano. Zum Mittagessen haben wir dann einen Tisch im Franceschetta58 in Modena bestellt, dem Bistro von Massimo Bottura, dem Sternekoch, der den meisten vielleicht aus der Pilotfolge von Chef’s Table bekannt ist. Abends erreichen wir dann Bologna.

 

Tag 7:

Das Auto darf sich einen Tag ausruhen, während wir Bologna erkunden. Hier war ich bereits zweimal, einmal kurz im Hochsommer für eine standesamtliche Hochzeit (gefeiert und geschlafen wurde allerdings außerhalb) und einmal über Silvester. Bei beiden Gelegenheiten blieb bei aller Feierei so gar keine Zeit für Sightseeing, das wird jetzt nachgeholt.

 

Tag 8:

Genug vom Stadtleben, jetzt geht es in die Natur, und zwar in die bergigen Wälder des Foreste Casentinesi. Dort lockt unter anderem ein Wasserfall in Portico di Romagna. Einmal tief durchatmen und mehr Grün als Häuser sehen!

 

Tag 9:

Wir entdecken ein für uns beide neues Land – San Marino. Ein Restaurant mit landestypischer Küche für das Mittagessen habe ich bereits ausgesucht. Da San Marino aber sonst relativ teuer ist, fahren wir zum Schlafen bereits weiter nach Urbino, in der Region Marche.

 

Tag 10:

Heute fahren wir auf uns beiden halbwegs bekanntes Gebiet – in die Toskana. Allerdings in eine Gegend, die wir bei unserem gemeinsamen Besuch dort vor zwei Jahren noch nicht bereist haben. Über Gubbio, Montepulciano und Pienza geht es nach Montalcino.

 

Tag 11:

Jetzt geht es in die erste italienische Region, die für uns beide komplett neu ist: Umbrien, genauer: nach Orvieto. Wenn es sich einrichten lässt, baden wir vorher noch in den heißen Quellen von Fosso Bianco. Bis hierhin habe ich auch hoffentlich „Tausend Tage in Orvieto“ von Marlena de Blasi durchgelesen.

 

Tag 12-13:

Es wird wieder Zeit für ein wenig Ruhe und Entspannung, die wir hoffentlich am Lago Trasimeno finden. Der Hase darf angeln und wie ich mich kenne, nutze ich den Tag zum Faulenzen.

 

Tag 14:

Über Spello und Assisi (das vom Franz) fahren wir nach Perugia, den südlichsten Punkt unseres Roadtrips. Leider verpassen wir die Schokoladenmesse Eurochocolate um ein paar Tage, aber wir werden es uns nichtsdestotrotz schokoladig gutgehen lassen.

 

Tag 15:

Heute wird viel Auto gefahren. Von Perugia geht es zunächst nach Fabriano, wo wir die ehemalige Austauschschülerin meiner Tante besuchen und einsammeln, dann fahren wir gemeinsam weiter zu deren Eltern nach Ancona und sind wieder in Marche.

 

Tag 16:

Wir erkunden unter professioneller einheimischer Führung Ancona und genießen den Aufenthalt „bei Freunden“. In der Adria baden wurde uns auch als durchaus machbar angepriesen. Im Oktober. Von einer Italienerin. Da können wir uns natürlich keine Blöße geben.

 

Tag 17:

Von jetzt an geht es hauptsächlich die Adria-Küste hoch. In der ersten Etappe über Pesaro bis nach Rimini, dann wieder in der Emilia-Romagna. Mal schauen, was uns unterwegs noch so über den Weg läuft.

 

Tag 18:

Von Rimini geht es zurück ins Veneto, und zwar nach Ravenna. Wie man merkt, ist der letzte Teil der Reise der am wenigsten durchgeplante. Aber uns wird schon noch etwas einfallen, bis es soweit ist.

 

Tag 19:

Noch ein wenig Natur tanken im Po-Delta und dann geht es abends nach Chioggia, angeblich ja das „schönere Venedig“.

 

Tag 20:

Heute fahren wir wieder nach Padua und geben unseren Mietwagen zurück. Dann geht es mit dem Zug weiter nach Verona.

 

Tag 21:

Wir steigen am späten Vormittag mit Sack und Pack in den Zug und dann geht es über München wieder zurück nach Berlin, wo uns die Katzen samt Sitterin hoffentlich schon sehnsüchtig erwarten.

 

Wer uns kennt, weiß, dass es zwischendurch auf jeden Fall sehr viel zu essen geben wird. Fotos davon und von allem möglichen anderen gibt es dann demnächst unter dem Hashtag #ithasien auf Twitter, Instagram und Facebook. Wenn Ihr was wisst, wo wir unbedingt vorbeischauen oder was wir auf jeden Fall probieren sollten, sagt gerne Bescheid! 🙂

Jahresrückblick 2017

Traditionen sind Traditionen und auch wenn dieses Blog in den letzten Monaten so gut wie verwaist ist, so gehört doch ein Jahresrückblick her. Einen Vorsatz zum häufigeren Bloggen im nächsten Jahr spare ich mir aber – das wirkt dann so albern, wenn es doch schon wieder nicht klappt. Und weil ich keine Lust auf das Jahresendstöckchen habe, gehe ich einfach monatsweise vor und konzentriere mich ab dem Februar nur noch auf die positiven Erlebnisse…

Januar

Dieses Jahr brachte schon in den ersten zwei Wochen das größtmögliche emotionale Auf und Ab des Jahres mit sich (Herz schlägt! Herz schlägt nicht mehr…), verbunden mit körperlichen Beschwerden aus der Hölle. Losgelassen hat mich das ganze auch ein knappes Jahr später noch nicht, was wohl auch mit ein Grund dafür ist, warum es im Blog so still war. Ich bin allen sehr dankbar, die in dieser Scheißzeit für mich da waren.

In Woche 3 wurde dann Trump vereidigt, was sich nahtlos in mein seelisches Tief einfügte. Laut dem Hasen war ich wochenlang geladen. Schönes gabs aber dann auch noch: Anti-Trump-Proteste, Vogelhochzeitssüßigkeiten und die Geburt des zweiten Kindes der besten Freundin.

Februar

Im Februar ging es zum ersten Mal in diesem Jahr nach Rostock, wo ein lieber Freund mein neues zweites Wohnzimmer eröffnete, das Törtchenlokal Waldenberger. Am Abend tanzte ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder, bis das Licht anging und am nächsten Morgen lernte ich endlich die Tochter eines alten Freundes kennen und machte mit ihr den Warnemünder Strand unsicher.

Außerdem heiratete im Februar mein Bruder nach über 18 Jahren Beziehung meine Schwägerin. Wir schenkten eine Torte und die Nutzung unserer Wohnung als Partylocation.

März

Ich nenne den März 2017 meine „irischen Wochen“. Direkt am Anfang ging es für mich dienstlich nach Dublin. Dann war ich mit einer lieben Freundin beim Konzert von Jimmy Kelly, verbrachte den St. Patrick’s Day feuchtfröhlich mit dem Hasen im Pub und schließlich erschien die neue Kelly-Family-CD, die aus nostalgischen Gründen natürlich den Rest des Monats rauf und runter lief – so sehr, dass sie in meinen Spotify-Jahrescharts ganz oben landete, auch wenn ich sie in der zweiten Jahreshälfte deutlich seltener gehört habe.

April

Der April war politisch geprägt und ich wurde offiziell in ein Ehrenamt gewählt, das spätestens seitdem einen beachtlichen Teil meiner Zeit und Energie bündelt. Abgesehen davon feierten wir die Wohnungseinweihung zweier lieber Freundinnen, die nun endlich auch in Berlin wohnen, besuchten das Hasenpatenkind in Leipzig und aßen Waffeln im Garten. Am Ende des Monats verbrachten wir ein langes Wochenende auf einem Naturcampingplatz in der Mecklenburgischen Seenplatte. Dort begann ich passend zu den vorgenannten irischen Wochen it der Lektüre von Ulysses – die natürlich auch jetzt noch nicht beendet ist.

Mai

Im Mai fing der Hase seinen neuen Job an, mit dem er noch immer sehr sehr glücklich ist. Ich hatte viel Spaß auf der re:publica und die Erdbeerhäuschen kehrten endlich nach Berlin zurück. Außerdem kam meine geliebte Rostocker Indie Night für einen Abend nach Berlin und ich tanzte zum zweiten Mal in diesem Jahr bis zum Schluss. Und dann fuhren wir selbst nach Rostock, wo es unglaublich heiß war, so dass ich direkt anbaden konnte. Natürlich trafen wir auch viele liebe Freunde und sahen drei Bands live, unter anderem Zen Bison.

Juni

Der Juni brachte ich mich in eine noch ältere Heimat, zum 15-Jahre-Abi-Klassentreffen in Bautzen. Anlässlich meines Geburtstags gab es dann später ein Picknick bei uns im Hof –mit internationalen Gästen, vielen Kindern und sogar einem Hundekampf. Und Live-Musik war auch wieder dabei: Wir tanzten mit den Skatalites im Yaam.

Juli

Gleich zu Beginn des Monats feierten wir den 30. Geburtstag meiner Cousine mit einer großen Gartenparty und ich tankte ganz viel Familienfeeling mit meinen Cousins und Cousinen. Auch das nächste Wochenende wurde sehr flauschig – in einer auf Twitter organisierten Hilfsaktion bearbeiteten wir einen Schrebergarten in Pankow-Rosenthal, lernten dort unter anderem die wundervolle Mademoiselle Read On kennen und bekamen am Ende auch noch zwei Himbeerpflanzen für den Balkon geschenkt. Überhaupt war das ein Sommer voller Obst, der Hase hat literweise Saft, Apfelmus, Marmelade und Kompott hergestellt – komplett mit mundgeraubten Früchten aus den Innenhöfen der Umgebung (die sonst nicht geerntet werden). Achja, ein tolles weiteres Rostock-Wochenende mit der lieben Susanne war ebenfalls noch drin in diesem wunderschönen Sommermonat!

August

Im August fand unser alljähliches Cousins- und Cousinentreffen statt. Wir backten Pizza, schauten Filme, jagten uns um die Tischtennisplatte, schwitzten in der Sauna, tranken jede Menge Mate und quatschten bis tief in die Nacht. Später im Monat verbrachte ich beruflich eine Woche in Timmendorfer Strand und konnte dort nach Feierabend trotz kühlerer Temperaturen ein weiteres Mal in der Ostsee baden (und zum ersten Mal seit langem wieder Minigolf spielen). Zum Monatswechsel ging es dann für 4 Tage mit dem Hasen nach Stockholm.

September

Zurück aus Stockholm ging es mit dem Team direkt wieder aufs Wasser, und zwar bei einer Floßtour auf der Havel. Kurz danach ging es schon wieder nach Rostock, zu einem Kabarett-Abend mit Fiete und Schiete, viel Zeit mit Freunden und natürlich Strand und Törtchen. Als ich heimkam, überraschte mich der Hase mit Unmengen selbst gebackenen schwedischen Zimt- und Kardamomschnecken, die in den Folgetagen noch häufig Neid unter meinen Kolleg*innen hervorriefen. Dann ging es im September noch auf einen weiteren Business-Trip, diesmal nach Brüssel.

Oktober

Das Highlight des Oktobers war unser zweiwöchiger Roadtrip durch Sardinien, bei dem ich so viel gegessen habe, dass ich mir kurz vor Schluss noch den Magen verdarb und ein paar Tage so gut wie gar nichts mehr herunterbekommen habe. Ansonsten gab es viel Meer, Berge, Bäume und Getier zu sehen und vor allem jede Menge Erholung und Abschalten.

November

Anfang November war mein Bruder in Berlin und wir lösten gemeinsam sein Geburtstagsgeschenk ein: Ein Doppelkonzert von Dritte Wahl im Astra. Mitte des Monats besuchte ich eine liebe Freundin in Basel und verbrachte genau einen Tag mit Sightseeing, den Rest der Zeit mit Filme- und Serienschauen und jeder Menge Gesprächen. Am Wochenende drauf ging es wieder einmal nach Rostock, zu 20 Jahre Indie Night mit Live-Auftritten von Mortenson und Das Paradies – die nächste durchtanzte Nacht.

Dezember

Der Dezember war wie jedes Jahr geprägt von einerseits stressiger Arbeit und andererseits stressiger Vorweihnachtszeit – nur unterbrochen vom Geburtstag des Hasen, den wir mit einer spontanen Party doch ziemlich gut gefeiert haben. Dann sahen wir uns Das Paradies noch einmal gemeinsam in Berlin an und feierten den Hasengeburtstag noch ein zweites Mal, nämlich mit seiner Familie. Darauf folgten meine letzte Dienstreise des Jahres, die mich nach Nürnberg führte, die Firmenweihnachtsfeier, die Bescherung mit Bruder und Schwägerin und das Weihnachtsfest mit der Hasenfamilie. Das Jahr endete mit einem spontanen weiteren Rostock-Besuch am zweiten Weihnachtsfeiertag (mit einer weiteren durchtanzten Indie Night und einem Wiedersehen mit Cousins und Onkel) sowie zwei faulen Sofa-Tagen mit dem Hasen, bevor wir uns heute auf den Weg machten, um in einer Ferienwohnung in Vorpommern ganz still und leise zu zweit das Jahr zu verabschieden.

Wenn ich so zurückschaue, hat sich 2017 nach dem miesen Start deutlich gesteigert, jetzt bin ich gespannt, was 2018 bringt!

Silvester

#cousiniza – Business Class Leaks

Disclosure: Teile dieses Texts wurden auf bequemen Business-Lounge-Möbeln und unter der Einwirkung kostenloser alkoholfreier Getränke und Gummiflugzeugchen geschrieben.

Heute beginnt mein relativ spontaner Trip nach Ibiza mit meiner Twen-Cousine. Aus Gründen (geringe Verfügbarkeit von Flügen, bei denen man innerhalb eines Tages und unterhalb von zwei Zwischenstopps bzw. der 600-€-Grenze ankommt) haben wir für den Hinflug die Business Class gebucht. Für sie ist es das erste Mal, für mich das erste Mal bei Bewusstsein. Vor vielen, vielen Jahren kam ich mal in den Genuss eines kostenlosen Upgrades wegen eines – mitten in der Nacht – um sechs Stunden verspäteten Flugs, das habe ich dann allerdings komplett verschlafen. Jetzt nun also Business-Class-Premiere. Auf den ersten Blick wirkt das alles recht vertraut – es gibt ein Flugzeug, man sitzt drin und irgendwann kommt man woanders an. Auf den zweiten ist dann doch so einiges anders.


Wer beruflich viel fliegt oder ein deutlich höheres Einkommensniveau als ich hat, wird die Privilegien der Business-Class-Reisenden kennen, für mich sind diese Annehmlichkeiten ganz ungewohnt. Hier einmal eine chronologisch sortierte Liste der gravierendsten Unterschiede.

  • kostenfreie Auswahl der Sitzplätze schon Tage vor dem Flug und nicht erst beim Online-Check-in (Die Auswahl ist allerdings gering, denn die Business Class auf unserem Flug hat nur 12 Sitze, von denen mehrere Tage vorher die meisten bereits reserviert sind.)
  • kurze Schlange beim Gepäck aufgeben
  • als erste im Flugzeug und wieder draußen sein, ergo nur kurz sinnlos rumstehen
  • standardmäßig ein Platz frei zwischen einem selbst und der/m Nebenfrau/-mann
  • auf dem Kurzstreckenflug Berlin-München, bei dem es in der Economy Class gerade mal ein paar Nüsse oder ähnliches gibt, ein komplettes Frühstück serviert bekommen

  • kein Plastikgeschirr, kein Plastikbesteck, Stoffservietten
  • frisch aufgebackenes Brötchen, guter Käse
  • frisches, perfekt reifes Obst (Mango, Papaya, Trauben, Blaubeeren, Brombeere, Himbeere, Johannisbeeren)
  • Mini-Pancakes mit Quarkcreme und Puderzucker
  • mehr als 3 Stunden Aufenthalt in München nicht auf unbequemen Stühlen im Gewusel des Flughafens verbringen, sondern in der Business Lounge

  • bequeme Lounge-Möbel – Sessel, Stühle, Arbeitsplätze, sogar Liegen
  • viel Platz, Ruhe und entspannte Atmosphäre
  • großes Büffet mit Frühstück, Snacks, Obst, Säften, Softdrinks, Bier, Wein, Sekt, Spirituosen, Tee- und Kaffee-Spezialitäten, alles zur freien Verfügung

  • ausreichend Steckdosen überall, schnelles WLAN und für den Notfall fest installierte Computer, Drucker etc.
  • Duschen
  • kostenlose Zeitungen und Zeitschriften (auch internationale, haben der Teeniecousine eine japanische mitgenommen)
  • 5 Wanduhren mit verschiedenen Uhrzeiten – von Glashütte
  • gegen Mittag wechselt der Büffet-Inhalt – statt Rührei gibt es jetzt Leberkäs, Zucchini-Creme-Suppe, Brezn, Kartoffelsalat, Fleischpflanzerl, Grießbrei… Man könnte sich hier dumm und dämlich fressen, aber es gibt ja auf dem Weiterflug noch Mittagessen

  • die ganze Zeit über keine nervigen Sicherheitsansagen, sondern Ruhe bzw. (auf dem Klo) sanfte, leise Musik
  • zum Mittagessen bei Flug 2 gibt es einen Salade Nicoise mit frischem Brötchen und ein Creme-Dessert mit Cantuccini, außerdem zwei Mozartkugeln
  • am Gepäckband kommen unsere Koffer mit als erstes an – sie tragen ein rotes Label mit Priority-Schriftzug

Fazit: Die Business Class hat durchaus so einige Vorteile, besonders der dreistündige Aufenthalt in der Lounge hat den anstrengenden Reisetag extrem entstresst. Das ganze gute Essen ist natürlich obendrein noch ein dickes Plus. Trotzdem würde ich mir, hätte ich die Wahl, wahrscheinlich nie von alleine ein Upgrade leisten, ich gebe mein Geld dann doch lieber am Urlaubsort aus, als bei Anreise und Unterkunft. Der Rückflug ist auch wieder ganz normal in der Holzklasse gebucht.Sollte mich aber jemand mit kostenlosen Upgrades bewerfen wollen, hätte ich nach der heutigen Erfahrung zumindest keine Standesdünkel-basierten Skrupel mehr. 😉

#englandwalesroadtrip – Letzter Halt: Liverpool

Im Normalfall sind Urlaube ja immer viel zu kurz und spätestens ab dem Bergfest kann man nur noch daran denken, dass es ja bald vorbei ist. Zu diesem Umstand kommt für mich bei Roadtrips noch dazu, dass ich sie chronologisch plane. Die ersten Tage sind daher meistens komplett bis in alle Einzelheiten durchgeplant und ich habe die entsprechenden Seiten der Reiseführer ausführlichst studiert. Irgendwann verlässt mich dann aber die Planungslust und so kommt es, dass die letzten Tage oft eher improvisiert ist, was mal mehr und mal weniger gut klappt. Dieses Mal hatte ich allerdings Glück und konnte das Urlaubsenddilemma und die Trauer über das Verlassen von Wales geschickt mit einem wahren Highlight überspielen, auf das ich mich schon seit Monaten gefreut habe – einen Besuch bei einem meiner Lieblingsmenschen verbunden mit einem Beatles-Wochenende in Liverpool. Nix mit Urlaubsendstimmung – das war ein würdiger Abschluss!

19. August, nachmittags

Wir fahren von Llandudno aus Richtung Osten und lassen Wales mit einem lachenden und einem weinenden Auge hinter uns. Je näher wir England kommen, desto voller wird es auf den Straßen, dazu kommen Baustellen und Freitagabendstaus auf der Autobahn. Der Hase ist dann doch sehr froh, als wir Liverpool endlich erreicht haben und er das Autofahren Autofahren sein lassen kann. Wir stehen vor der Wohnung meines guten Freundes Igor (Wer erinnert sich noch?) und seiner Freundin und Bandkollegin Ibone. Ich habe Igor vor 4,5 Jahren in Sevilla kennengelernt, ein halbes Jahr später habe ich ihn in London besucht. Jetzt hat es dank glücklicher Fügung endlich mit einem Wiedersehen geklappt – vor ein paar Monaten sind die beiden gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin, die wie sie aus dem Baskenland stammt, nach Liverpool gezogen und damit praktischerweise auf unserer Reiseroute gelandet. Die Wiedersehensfreude ist groß!

Wie immer, wenn wir uns sehen, geht es sehr viel um Musik und die Beatles sind auch immer dabei. In Sevilla tranken wir Tee aus Beatles-Tassen, in London kauften wir ein Beatles-Poster für sein Wohnheimzimmer, besuchten die Abbey Road Studios sowie das Haus in der Savile Row, auf dem das Konzert auf dem Dach stattfand (beides von außen) und aßen im Ravi Shankar 😉 Hier in Liverpool drehen wir die Beatlemanie natürlich bis auf 11 hoch. Gleich auf dem Whiteboard in der Küche emfangen uns Paul und John, die Ibone dort hingemalt hat. Sie arbeitet übrigens (natürlich!) im Café des Beatles-Museums „The Beatles Story“ und bietet uns sofort kostenlose Tickets an. Yes, please!

 

Da die Wohnung direkt in Chinatown liegt, ist die Abendessenplanung recht einfach. Wir gehen zur Big Bowl Noodle Bar und essen leckere große Nudelsuppen. Dazu gibt es für mich einen schönen heißen Bubble Tea, hier Milky Pearl Tea genannt. Was muss, das muss. Wir haben uns viel zu erzählen und sind auf dem Heimweg mitten ins Gespräch vertieft, als mich plötzlich etwas heftig an der Schulter trifft. Erst denke ich, der Hase hätte mich ruckartig nach hinten gezogen, damit ich nicht irgendwo dagegen laufe (es wäre nicht das erste Mal), dann fängt es an, wehzutun. Mir gehen die wildesten Gedanken durch den Kopf, doch dann entdecken wir unten auf dem Boden ein kaputtes Ei. Jemand muss es aus einem fahrenden Auto nach mir geschmissen haben. Liverpool kann sehr merkwürdig sein an einem Freitag Abend! Auf den Schreck geht der todmüde Hase zuhause gleich erstmal ins Bett, ich sitze mit den beiden noch ein paar Stunden zusammen, bevor auch mir langsam die Augen zu fallen.

 

20. August

Am nächsten Morgen gibt es ein gemütliches Frühstück mit spanischen Anteilen (Kekse und Instant-Kaffee) und englischen Komponenten (Tee mit Milch, Lemon Curd, Marmelade und Käse auf Brot – die Reste unserer Roadtrip-Verpflegung). Da unsere Gastgeber keinen Toaster besitzen, röste ich die Brotscheiben in der Pfanne an, was prompt den Rauchmelder auslöst. Zum Glück läuft Ibone derzeit auf Krücken, so dass wir den Alarm relativ unproblematisch von unten aus ausschalten können. Nach dem Essen ziehen der Hase, Igor und ich los und machen ein wenig Sightseeing, bis der Bus zur Magical Mystery Tour losfährt.

Wir laufen durch Chinatown bis zur Liverpool Cathedral, der fünftgrößten Kathedrale der Welt, die uns alle schwer beeindruckt. Igor und mich vor allem durch ihre schiere Größe und den Fakt, dass sie erst in den 70ern fertiggestellt wurde. Igor findet außerdem, dass man mit all dem Geld viel sinnvollere Dinge hätte tun können. Der Hase ist eher von ihrer (subjektiv von ihm so empfundenen) Hässlichkeit beeindruckt, immer wieder vergleicht er sie mit einem großen Kackehaufen. Auch dass es drinnen ein Café und einen gut gehenden Souvenirladen gibt, ist irgendwie merkwürdig. Da das Wetter eher trübe ist und wir Geld sparen wollen, sparen wir uns die Besteigung des Turms. Vor sechs Jahren war ich schon einmal da oben, bei gutem Wetter lohnt sich das durchaus. Nach der Kathedrale laufen wir durch die Duke Street, die für ihre alternativen Läden bekannt ist – hier gibt es alles, was man in einem gut sortierten Hipsterviertel erwarten würde. Weiter geht es hinunter zum Hafen. Es fängt an zu regnen und verbunden mit dem Wind hat der Mersey River einen ganz schönen Wellengang. Auf die Minute rechtzeitig erreichen wir die Haltestelle der Magical Mystery Tour am Albert Dock.

Zum zweiten Mal in meinem Leben mache ich diese Tour, zum zweiten Mal regnet es dabei. Für die Jungs ist die Tour durch das Liverpool der Beatles eine Premiere. Wie auch beim letzten Mal habe ich etwas zwiespältige Gefühle während der Tour. Zum Einen ist es ganz schön toll, die Orte zu sehen, an denen Musikgeschichte geschrieben wurde und sich ein Bild machen zu können, wie das damals wirklich war, in den 50ern und 60ern, als die Beatles zusammenkamen. Man sieht Teile der Stadt, die definitiv ohne die Beatles auf keinem Touristenprogramm wären, man bekommt neue Bilder zu den Songs, die man seit Jahrzehnten kennt. Zweimal kommt der Bus zum Beispiel an dem „shelter in the middle of a roundabout“ vorbei, der in Penny Lane besungen wird. Der ebenfalls besungene Friseurladen existiert immer noch, auch wenn er inzwischen den Besitzer gewechselt hat. Man hält an Strawberry Field an und kann sich vorstellen, wie John Lennon dort im Baum saß und nach den Mädchen Ausschau hielt. Man sieht die Häuser, in denen die Beatles als Kinder und Jugendliche und am Anfang ihrer Karriere gewohnt haben. Man steht vor den Fenstern, hinter denen Welthits geschrieben worden. Man lernt einiges interessantes über die Geschichte von Liverpool und vor allem: man ist in einem Bus mit lauter anderen Leuten, die das alles mindestens genauso spannend und aufregend finden und die bei den gleichen Anspielungen lachen, die jemand, der sich mit den Beatles weniger gut auskennt, nicht verstehen würde. Schön, Teil von so etwas zu sein.

Aber andererseits: Man sitzt in einem Bus und bestaunt relativ profane und banale Dinge aus dem Leben von weitgehend ganz normalen Menschen, die eben zufällig erfolgreich und berühmt geworden sind. Der Bus hält an einem Straßenschild an, damit sich jeder, der es möchte auf der „Penny Lane“ fotografieren kann, auch wenn der Begriff und der Song sich eben gar nicht auf die Straße allein, sondern auf einen ganzen Stadtteil bezieht. Man glotzt auf Häuser, in denen ganz normale Menschen wohnen. Die Häuser von John und Paul sind Museen des National Trust, die anderen sind einfach Wohnhäuser, an denen täglich mehrere 100 Leute vorbeikommen, um zu staunen und Fotos zu machen. Täglich! Nachdem ich die Tour zweimal gemacht habe, weiß ich jetzt, in welchem Park sich die Eltern von John Lennon kennengelernt haben, wo das Standesamt war, in dem John und Cynthia geheiratet haben und in welchem Haus der Klavierlehrer von Paul McCartney lebte. Das ist doch irgendwie auch ganz schön krank. Und dann sitzt neben mir ein Musiker, der vielleicht auch irgendwann mal mehr Erfolg als heute haben wird und wir fragen uns, wie er sich fühlen würde, wenn später (später, aber auch: zu seinen Lebzeiten!) einmal Busse durch seine Heimatstadt fahren und Touristen vor seiner Musikschule stehen, um Fotos zu machen. Es ist verrückt, aber es ist eben auch wie der berühmte Autounfall – man kann nicht weggucken.

Die Tour endet nach zwei Stunden am Cavern Club in der Mathew Street, die inzwischen schon inoffiziell in Beatle Street umbenannt ist und wo sich jede Menge Beatles-Wahnsinn konzentriert. Die Cafés und Restaurants heißen nach Beatles-Songs, es gibt Statuen und Bilder der Beatles, wohin man auch blickt und aus offenen Türen schallen laute Beatles-Songs. An der Ecke befinden sich das A Hard Day’s Night Hotel und ein zweistöckiger Beatles-Souvenir-Shop. Eigentlich ist das alles viel zu viel, andererseits ist es auch toll und aufregend, zumindest für mich. Den Souvenirshop heben wir uns dann aber für den nächsten Tag auf, denn Ibone wartet bereits mit unseren Freikarten am Albert Dock auf uns.

Wir verbringen zwei weitere Stunden im The Beatles Story, das die Geschichte der Beatles von den Anfängen bis zum Ende thematisiert. Es gibt jede Menge Themenräume, die einen zum Beispiel in die Casbah, in den Hamburger Star Club, in den Cavern Club oder in die Swinging Sixties entführen. Der Audioguide erzählt einem mehr, als man aufnehmen kann und wer wirklich alles lesen und erleben will, verbringt hier sicherlich mehr als zwei Stunden. Allerdings gibt es für Leute wie mich, die sich bereits ausführlich mit der Geschichte der Beatles beschäftigt haben, keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse mehr. Zudem gibt es ein paar unnötige Lücken und Zeitsprünge, die man durchaus detaillierter hätte darstellen können. Aber ein paar Kleinigkeiten habe ich dann doch noch gelernt, zum Beispiel, dass man damals im Cavern Club keinen Alkohol trinken durfte und die Bands deswegen zwischen den Auftritten im Pub gegenüber saßen. Im Ticket enthalten sind auch noch eine „4D-Experience“ und wechselnde Ausstellungen, aber auch die müssen bis zum nächsten Tag warten, denn erstens sind wir inzwischen ganz schön platt und zweitens sind wir in England und alles Interessante macht um 17 Uhr zu. Wir entscheiden uns also, zuerst einmal heimzugehen und zu essen.

Der Hase und ich stellen uns an den Herd und improvisieren aus den vorhandenen Zutaten Nudeln mit typischer DDR-Tomatensauce für unsere Gastgeber, die ganz begeistert sind. Danach trinken wir noch einen Tee und hören Musik zusammen, unter anderem die eigene von Evil Pink Machine, denen auch der Hase noch eine große Karriere voraussagt. Gegen halb 11 raffen wir uns dann doch noch zu einem kleinen Pub Crawl auf. Auf dem Programm stehen der Philharmonic Pub, der vor allem wegen seiner Inneneinrichtung spektakulär ist – man schaue sich nur das Bild der Urinale an, das durchaus repräsentativ ist. Ansonsten ist zum Philharmonic noch zu sagen, dass John Lennon in einem Interview einmal gesagt hat, das Nervigste am Berühmtsein sei, nicht mehr einfach im Philharmonic trinken zu können.
Philharmonic

Wenn ich jetzt schreibe, dass auch der zweite Pub des Abends, das Ye Cracke ein Stammlokal von John Lennon war, ist jetzt keiner mehr überrascht, oder? Gut so. In guter alter englischer Pub-Tradition werden wir dort gegen Mitternacht hinauskomplimentiert und gehen dann auch bald ins Bett. Igor muss nämlich am nächsten Tag früh aufstehen und arbeiten – das Leben als angehender Rockstar ohne Plattenvertrag ist ganz schön hart.
Ye Cracke

 

21. August

Wir hingegen schlafen ziemlich lange aus. Dann packen wir unsere Rucksäcke, um sie später nur noch abholen zu müssen und geben unser Mietauto ab. Von dort aus laufen wir ins Zentrum, um bei Maggie Mays Scouse zu essen, DAS Liverpooler Gericht, von dem auch die Liverpudlians selbst und ihr Dialekt ihren Namen haben. Scouse ist mit Labskaus verwandt und hat auch ähnliche Ursprünge, aber anders als der in Deutschland übliche Labskaus wird Scouse als Eintopf serviert und enthält keinen Fisch. Stattdessen gibt es Kartoffeln, Möhren, Rüben und Fleisch – normalerweise Lamm, Hammel oder, wie in unserem Fall, Rind. Besonders spannend gewürzt war es nicht, aber dazu gab es Brot mit gesalzener Butter und sauerscharf eingelegten Rotkohl bzw. süßsauer eingelegte Rote Bete. Gemeinsam verzehrt ergibt das genug Geschmack, um nicht unbedingt nachwürzen zu müssen. Ich fand das Essen an sich nicht aufregend, aber doch angenehm. Spannend fand ich, dass ich mich über das Essen irgendwie mit der Vergangenheit der Stadt, speziell dem Leben der Hafenarbeiter und vor allem Seeleute verbunden fühlte. Klingt pathetisch, stimmt aber trotzdem. Essen als Zeitreise – fetzt.

Als Gegengewicht zum Arme-Leute-Essen gabs dann zum Nachtisch für mich noch eine Lemon Meringue Pie, die sah einfach so verdammt gut aus in der Vitrine.

 

Den regnerischen Nachmittag verbrachten wir zum größten Teil im World Museum, in dem man auf 5 Etagen alles mögliche lernen kann, von den Fischen im Mersey River über heimische exotische Tierarten bis hin zu chinesisch-britischem Kulturaustausch, indigenen Völkern in Ozeanien, den verschiedenen kulturellen Gruppen Afrikas und Weltraumtechnologie. Ein beeindruckender Rundumschlag, der wie die meisten Liverpooler Museen keinen Eintritt kostet. Als wir wieder das Tageslicht erreichen, hat es aufgeklart und wir können die restlichen Beatles-Stationen nachholen. Zunächst geht es in den riesigen Souvenir-Shop, in dem ich mir gerne wieder etwas zum Anziehen und außerdem ein Geburtstagsgeschenk für die Teenie-Cousine gekauft hätte. Aber leider flasht mich nichts so richtig, alles ist mir zu knallig und vordergründig, wobei der modische Aspekt leider auf der Strecke bleibt. Muss ich mir wohl doch noch ein anderes Geschenk überlegen…

Dann laufen wir weiter zum Pier Head, wo ich mithilfe des gestrigen Tickets noch in den Genuss weiterer Ausstellungen komme. Eine beschäftigt sich mit der so genannten British Invasion, also den verschiedenen Wellen britischer Bands, die in den 60ern und 70ern großen Erfolg in Amerika hatten und die dortige Musikwelt gehörig aufmischten. Die andere aktuelle zeigt Fotos von Pattie Boyd, Ex-Frau von sowohl George Harrison als auch Eric Clapton, Model, Schauspielerin und die Layla aus Claptons gleichnamigem Lied. Die Fotos zeigen Momente aus ihrem Leben mit den beiden Gitarrengöttern und deren illustren Umfeld. War auch sehr spannend und nicht zu voyeuristisch und zeigte einmal mehr, dass auch Götter normale Menschen sind. Die Beatles 4D-Experience kann man sich hingegen schenken, es sei denn, man steht auf 3- und 4D-Effekte – mit den Beatles hat das kurze Filmchen nichts weiter zu tun, bis auf ein paar Songs und Figuren aus Beatles-Songs, die darin auftauchen.

Albert Dock

Es ist inzwischen später Nachmittag. In wenigen Stunden müssen wir zum Bahnhof aufbrechen, um zurück nach Birmingham, zu Bruder und Schwägerin zu fahren. Von dort werden wir am nächsten Tag zurück nach Berlin fliegen. Aber bevor wir unsere Rucksäcke holen wollen wir noch etwas essen. Eine Freundin hat mir ein paar Tipps für Cafés im Baltic Triangle gegeben, gleich um die Ecke von Chinatown, aber leider haben drei davon tatsächlich schon wieder zu – das fiese 17-Uhr-Ding. Aber die Betreiberin des einen Cafés gibt uns einen entscheidenden Tipp und so landen wir völlig unverhofft zwischen alten Lagerhallen in einem bunt dekorierten Innenhof, der eine Gin-Bar beherbergt. Dort hat für den Sommer ein kubanischer Streetfood-Stand seine Zelte aufgeschlagen und so kommen wir mehr als ein Jahr, nachdem uns bei Chef das Wasser im Mund zusammenlief endlich in den Genuss eines echten Cubanos – ein getoastetes Sandwich mit langsam gegartem Pulled Pork, mit Agavensirup glasiertem Schinken, süßem Senf, Käse und süßsaurem Gürkchen. Traumhaft gut. Auch die Süßkartoffel-Pommes, die wir dazu bestellen, sind ein Gedicht und ausnahmsweise einmal nicht matschig, sondern schön knusprig und mit einer Limetten-Knoblauch-Mayonaise und herrlichen süß-scharfen Chilis dekoriert. Ein traumhaftes Ende für einen traumhaften Roadtrip!

Und damit dieser Liverpool-Post nicht mit kubanischen Sandwiches endet, hier noch mein liebstes Beatles-Foto: Ein riesiges Porträt der Fab Four aus 15.000 Jelly Beans. Süße Träume wünsche ich Euch!

#englandwalesroadtrip – Anglesey, Conwy und Llandudno

Puh, jetzt sind wir schon fast eine Woche wieder zuhause und noch immer habe ich es nicht geschafft, die Reiseberichterstattung fortzusetzen. Die Arbeit hat mich wieder, außerdem fraßen Steuererklärung, Treffen mit Freunden und Familie sowie der plötzlich wieder störungsfreie Zugang zum Internet gehörige Brocken Zeit… Aber jetzt ist es soweit und der vorletzte Teil der Reise ist da…

18. August

Wir versuchen, etwas früher aufzustehen, um mehr vom Tag zu haben und schaffen heute das Aufstehen, Frühstücken und Auto packen schon bis halb 12 😉 Dann fahren wir los gen Westen, denn heute wollen wir auf Anglesey, die größte Insel von Wales und die größte Insel rund um Großbritannien, die nicht zu Schottland gehört oder Irland heißt. Die Route führt über eine Schnellstraße, denn viele Menschen nutzen den Hafen Holyhead auf Holy Island, einer weiteren Insel, die Anglesey vorgelagert ist, um von dort aus die Fähre nach Irland zu nehmen. So sind wir ratzfatz drüben am anderen Ufer und machen unseren ersten Halt in Llanfair­pwllgwyngyll­gogery­chwyrn­drobwll­llan­tysilio­gogo­goch, dem Ort mit dem längsten Ortsnamen der Welt – 58 Buchstaben, ich habe sie alle gezählt. Natürlich fahren wir hier hauptsächlich hin, um die Ortsschilder als Beweise zu fotografieren, besonders aber auch, weil es bereits Fotos von mir und meinem Bruder aus dem Ort mit dem kürzesten Namen der Welt gibt, aus Å (wie ich der Wikipedia entnehme gibt es diesen Ortsnamen allerdings noch ein paar mal öfter, was man von Llanfair­pwllgwyngyll­gogery­chwyrn­drobwll­llan­tysilio­gogo­goch nun nicht behaupten kann.

Llanffairdingsda

Llanffairdingsda

Wie zu erwarten war, ist der Ort und besonders der Bahnhofsvorplatz voller Touristen, teils im eigenen Auto, teils als Rucksacktouristen unterwegs, teils in Reisebussen… Wir halten uns also nicht lange auf, machen ein paar Fotos und fahren direkt weiter, weg von den Menschenmassen und hin zu einem steinzeitlichen Rundgrab namens Bryn Celli Ddu, bei dem sich außer uns nur noch drei andere Leute (und natürlich ein Hund) aufhalten. Liegt vielleicht daran, dass man vom Parkplatz aus noch ein Weilchen an einer Weide voller Stiere entlanglaufen muss, die sehr neugierig am Elektrozaun stehen, sich aber dann doch nicht streicheln lassen wollen.

Stiere

Badestiere

Auf der anderen Wegseite gibt es dafür wieder unzählige superreife Brombeeren zu naschen. Das Grab selbst ist übrigens schon alleine deswegen besonders, weil es nicht komplett ausgegraben wurde, sondern immer noch mit Gras bewachsen ist und somit äußerlich immer noch so aussieht wie damals. Drinnen haben Touristen die eine oder andere Opfergabe in Form von Muscheln, Blumen, Münzen oder kleinen Flachmännern da gelassen.

Steinzeitgrab

Unser nächster Stopp ist der Strand von Rhosneigr, der vor allem bei Surfern sehr beliebt ist. Als erstes gibt es für unsere Junkies die nächste Kaffee-Dosis, dann gehen wir an den Strand. Es ist heute etwas kühler und windiger, so dass niemand Lust auf Baden hat und wir uns einfach an den Strand legen und aufs Wasser schauen oder lesen.

Rhosneigr

Danach essen wir Mittag in einem Surfer-Café. Der Hase und die Schwägerin vertreiben sich die Wartezeit mit weiterem Lesen, während der Bruder und ich das WLAN nutzen. Die Schwägerin nimmt eine Suppe mit Linsen, Kastanien und Minze, die superlecker ist und unbedingt nachgekocht werden muss.

Die Lesenden

Nach dem Essen fahren wir weiter auf Holy Island, um in Holyhead die längste Mole von Wales zu erlaufen – sie ragt zwei Kilometer weit in die Irische See hinein und dient als Wellenbrecher für die Marina. Zwei Kilometer ziehen sich ganz schön hin, aber am Ende können wir immerhin sagen, dass wir auf der längsten Mole waren und die Schrittzähler-App ist auch zufrieden mit uns. Bei gutem Wetter soll man vom Leuchtturm aus übrigens bis zum Snowdon gucken können. Heute ist es allerdings zu diesig dafür. Schön sieht es aber trotzdem aus.

Holyhead Breakwater

Holyhead

Ganz in der Nähe der Mole sind wir auf dem Hinweg bereits an einer Schweineherde vorbeigekommen. Auf dem Rückweg nehmen wir uns die Zeit, halten an, streicheln und machen Fotos.

Schweinebande

Zum Übernachten fahren wir nochmal ein Stück in den Nationalpark hinein, nach Capel Curig. Im Plas Curig Hostel haben wir die tollsten Hostel-Betten des gesamten Urlaubs. Nichts quietscht und knarrt, es ist sehr bequem und man kann seine Schlafkoje mit einem Vorhang abtrennen und hat so etwas mehr Privatsphäre und stört gleichzeitig die anderen nicht, wenn man mitten in der Nacht lesen will. Echt ein tolles Konzept, auch wenn es hinter dem Vorhang bei sommerlichen Temperaturen ganz schön heiß und stickig wird. Wir beschließen den Abend im Inn ein paar Häuser weiter und gönnen uns noch einmal moderne walisische Küche mit u.a. Black Beef Burger und Holunderblüten-Prosecco-Jelly mit Erdbeeren.

Traumbetten

 

19. August

Unser letzter Tag in Wales beginnt mit einem letzten Hostel-Frühstück, einem letzten Mal Autopacken und der Fahrt nach Conwy. Das mittelalterliche Städtchen an der Mündung des gleichnamigen Flusses ist vor allem für sein Schloss (UNESCO-Weltkulturerbe) und seine fast vollständig erhaltene Stadtmauer bekannt. In einem Coffee-Shop gibt es Kaffee und WLAN, dann laufen wir zum Schloss, das wirklich beeindruckend aussieht. Den Hasen zieht es aber zunächst zum Wasser – ein schöner Naturhafen, überspannt von mehreren Brücken und voller kleiner Segelboote.

Conwy Harbour

Am Kai angeln jede Menge Kinder mit an Schnüren baumelnden Fleischresten nach Krebsen, die sie in Eimern sammeln und zählen, bevor sie sie zurück ins Wasser schütten. Das scheint hier eine beliebte Beschäftigung zu sein, mehrere Läden verkaufen Eimer, Schnüre und Köder. Witzig finden wir, dass die Kids zwar völlig enthusiastisch bei der Sache sind, aber auch laut aufkreischen und sich verstecken, als sich ein Krebs befreit und einfach so durch die Gegend läuft.

Krebse angeln

Wir laufen weiter zum Schloss, haben aber keine Lust, den Eintritt zu bezahlen. Stattdessen entern wir die Stadtmauer, laufen eine Weile darauf entlang und fühlen uns wie in einem Mittelalter-Film.

Conwy Castle

Stadtmauer in Conwy

Da wir nur einen Parkplatz für eine Stunde haben, brechen wir dann schnell wieder auf und fahren weiter ins nahe gelegene Llandudno, das größte Seebad von Wales, das mich sehr an Brighton, Eastbourne und andere Seebäder erinnert. Viel monumentaler als das niedliche Aberystwyth, mit breiter Promenade, einer Seafront voller mehr oder weniger runtergekommenen Hotels und einem Pier mit allen Arten von unnützen Vergnügungen. Alles ist voller Rentner, Kinder und Möwen und überall sitzen Leute und essen Fish und Chips aus Pappkartons. Genau so stellt man sich ein englisches Seebad vor, nur dass dieses eben in Wales liegt. Auf unserer Suche nach einem Parkplatz sehen wir, wie gerade ein Bestatter eine(n) Tote(n) auf einer Bahre aus einem Hotel schafft – das Klischee ist perfekt. Wir lassen den fußlahmen Hasen an der Promenade sitzen und schauen uns den Pier an.

Llandudno Pier

Hier gibt es alles von Glücksspielen über „Wildwasserkanufahrten“ und Airhockey bis hin zu Krabbenständen, Snowcones und frisch gemachten Donuts. Sollte man mal gesehen haben, aber im Prinzip ist es egal, welchen Pier in welchem Seebad man dafür aussucht. Typischer für Llandudno sind die von Lewis Carroll inspirierten Statuen, die Alice, das weiße Kaninchen und den verrückten Hutmacher zeigen. Die echte Alice, die ihn zu den Büchern inspiriert hat, hat nämlich mit ihrer Familie immer hier in Llandudno Urlaub gemacht.

Mad Hatter

Alice

White Rabbit

Wir essen in einem alteingesessenen Lokal zu Mittag und ich bin sehr begeistert von meinem Panino mit Ziegenkäse und Mango-Limetten-Chutney.

Panino

Dann bringen wir unsere beiden Mitreisenden, die bereits heute zurück nach Birmingham fahren, zum Bahnhof, bevor wir zu zweit noch hoch auf den Great Orme fahren, einen hohen Gipfel über der Stadt, der ein beliebtes Ausflugsziel ist. Man kann hoch wandern, die Seilbahn nehmen oder mit einer Schmalspurbahn fahren. Wir nehmen trotzdem das Auto. Oben gibt es eine mittelalterliche Kirche, ein steinzeitliches Grab und eine Kupfermine aus der Bronzezeit. Wir suchen vor allem noch einmal ein Stückchen Natur und Ruhe mit Blick auf das Meer.Eigentlich gibt es hier oben auch wilde Ziegen, aber von denen sehen wir leider nur die getrockneten Kötel überall. Für eine gute halbe Stunde sitzen wir relativ ungestört dort oben und gucken aufs Meer gen Liverpool. Dann verabschieden wir uns vom wunderschönen Wales und fahren auf viel befahrenen Straßen voller Staus und Baustellen genau dort hin – aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden 😉

Schmalspurbahn

Great Orme

#englandwalesroadtrip – Aberystwyth und Snowdonia Nationalpark

Ich liege zwar schon wieder mit den Katzen zuhause auf der Couch, im Blog ist es aber gerade erst letzten Sonntag. Zum Glück hatte ich vorhin im Flugzeug ein wenig Zeit und konnte unsere nächste Etappe verbloggen…

15. August

Wir starten früh in unsere zweite Urlaubswoche, denn kurz nach 11 Uhr wollen wir meinen Bruder und seine Freundin (eigentlich sollte ich wohl Verlobte sagen, aber nach fast 18 Jahren fällt die Umstellung schwer ;)) im zwei Stunden entfernten Aberystwyth abholen. Die nächsten vier Tage werden wir gemeinsam im Snowdonia Nationalpark, auf Anglesey und an der walisischen Nordküste unterwegs sein.

Wir stellen uns also einen Wecker, frühstücken kurz, verabschieden uns von unseren neuen Freunden und nehmen dann die wunderschöne Küstenstraße nach Norden. Die Sonne scheint und wir fahren auf gewundenen Wegen durch verträumte Fischerdörfer und kleine Städtchen auf und ab die steile Küste entlang – die wahlweise an das Mittelmeer, Nova Scotia oder die Gaspésie erinnert. 

Irische See

Pinie

Die Kiefern erinnern an Pinien und in den Städtchen steht auch die eine oder andere Palme herum. Wir kommen überpünktlich in Aberystwyth an, einem Badeort mit nur 13.000 Einwohnern, aber auch einer Universität, die gemeinsam mit den Touristen für ein gewisses Großstadtflair sorgt.

Als die beiden ankommen, freuen sie sich über die unerwartete Wärme – ihr Zug war auf bibberige 17 Grad heruntergekühlt gewesen – und ziehen sich erst einmal kurze Hosen an. Dann spazieren wir gemeinsam zur Promenade und besorgen uns Kaffee (die beiden), Pommes (der Hase) und ein Tomaten-Mozzarella-Baguette (ich), bevor wir uns ein gemütliches Plätzchen am Strand suchen. Für die nächsten Tage sollte sich die regelmäßige Kaffeebeschaffung als fester Programmpunkt auf unseren Fahrten erweisen – hat jemand Junkies gesagt? 😉 Der Strand in Aberystwyth bietet vor allem schöne Ausblicke auf die Steilküste, das Meer und das verfallene Schloss, aber zum Baden ist er nicht besonders schön. Der Sand ist eher grau und kieselig. 

Aberystwyth

Deswegen beschließen wir, noch kurz zum Schloss zu laufen und dann weiterzufahren – zu einem laut Reiseführer schöneren Strand in Fairbourne.

Die Badenden

Dort gibt es außer dem kilometerlangen Strand so gut wie nichts, aber mehr brauchen wir ja auch nicht. Die ersten Meter müssen wir über große Kiesel klettern, danach folgt dank Ebbe ein breiter Streifen feiner Sandstrand. Da meine Erkältung mich immer noch quält, passe ich auf unsere Sachen auf, während sich die anderen drei sich stolz in die Fluten der Irischen See stürzen. Ich kümmere mich derweil um unsere weitere Tagesplanung und entdecke einen Wanderweg, der halbwegs auf unserem Weg zum nächsten Hostel mitten im Snowdonia Nationalpark liegt. Dreieinhalb Meilen sollten auch für mich zu schaffen sein, immerhin ist das nur halb so lang wie der mit den Wasserfällen in den Brecon Beacons.

Die anderen sind einverstanden und so fahren wir endlich so richtig hinein in Wales’ größten, spektakulärsten und leider auch vollsten Nationalpark. Zum Glück haben wir am ersten Tag noch nicht so viel mit den Menschenmassen zu tun, da wir uns vornehmlich im südlichen Teil und noch nicht so nah am Snowden selbst aufhalten. Passenderweise entdeckt der Hase mal wieder ein Schild am Straßenrand und hält an einem Holztisch mit abgepackten Beutelchen voller Pflaumen und einer Kasse des Vertrauens an. Für 1 Pfund nehmen wir einen Beutel mit.

Schaf an See

Der „Precipice Walk“ beginnt dann recht gemütlich entlang von Bäumen, Himbeersträuchern und einem lang gestreckten hübschen See, bevor dann ein jäher Anstieg über Schafweiden nach oben führt. Schnell erreichen wir eine Höhe, auf der es keine Bäume mehr gibt und folgen einem schmalen Pfad durch Heidekraut und diverse ungefähr knie- bis hüfthohe Gewächse um einen Berg herum. 

Mauerhase

Rechts geht es steil bergauf, links steil bergab und dazwischen laufen wir über mehr oder weniger unwegsames Gelände. Ich bin froh über meine langen Hosen, denn mitunter piksen die Pflanzen sogar durch diese durch und ich glaube unsere beiden Kurzhosigen haben ganz schön unter ihnen gelitten. Dafür waren aber die Ausblicke und das Wetter wunderschön, wir hatten spaßige Unterhaltungen mit Schafen und je weiter nach oben wir kamen, desto mehr reife Blaubeeren konnten wir pflücken und naschen. Alles in allem war das ein guter Einstieg für unsere Neuankömmlinge, würde ich sagen.

Blaubeeren

Südfranzösisches Wales

Als wir nach überraschend langer Zeit (wandern dauert halt irgendwie doch immer länger als erwartet), wieder am Auto landen, ist es schon relativ spät, so dass wir beschließen, direkt weiter ins Hostel zu fahren. Nur an einem Supermarkt halten wir zwischendurch noch an und besorgen Zutaten für das heutige Abendessen, neues Brot und Käse fürs Frühstück, Kaffee, Milch und Bier (Dinge, die der Hase und ich alleine nicht gebraucht hatten ;)). 


Meer und Berge

Unser Hostel liegt einige Autominuten von Blaenau Ffestiniog entfernt ziemlich einsam in den Bergen. Gäbe es nicht noch ein weiteres Gästepaar, wären wir so weit das Auge reicht nur von Schafen umgeben. Selbst der Betreiber des Hostels kommt auf unseren Anruf hin erst mit dem Auto angefahren, um uns den Schlüssel für unser Vierbettzimmer zu übergeben und uns in die örtlichen Gegebenheiten einzuweisen. Ich kümmere mich ums Essen, während die anderen auspacken, den Kühlschrank einräumen und auf dem Fernseher die Olympiaberichterstattung finden. Es gibt Spaghetti mit einer Spinat-Estragon-Feta-Caerphilly-Sauce und danach Olympia und Bier.

Pasta und Bier

 Während die anderen fernsehen, versuche ich, zu bloggen. Leider komme ich nur mit dem Telefon, aber nicht mit dem Laptop online und da ich darauf nicht vorbereitet war, habe ich auch keine Möglichkeit, meine vorgeschriebenen Texte der letzten Tage aufs Handy zu schieben, um sie von dort in die Welt hinauszuposaunen. So endet der Abend für mich relativ früh mit Buch und Bett.

16. August

Am nächsten Morgen erwachen wir gegen 9 Uhr bei strahlendem Sonnenschein. Die anderen Hostelgäste sind bereits ausgeflogen und so haben wir Haus und Picknicktische draußen für uns allein und können ganz schamlos ein ausführliches Frühstück im Schlafanzug draußen zu uns nehmen. Bis wir alle fertig sind, der zweite Kaffee getrunken, der Tisch abgeräumt, das Geschirr abgewaschen und alle abfahrbereit sind, ist es 12 Uhr mittags. Upsi!

Für heute haben wir uns eine im Lonely Planet vorgeschlagene Driving Tour rund um den Snowdon vorgenommen, inklusive Wanderung und See. Unser Anfangsort auf der Route ist das quirlige Beddgelert, wo wir unseren ersten Eindruck von der schieren Menge der Touristen bekommen, unsere ersten geschriebenen Postkarten einwerfen und einen Eisladen entdecken, den mein Bruder schlauerweise aus Belohnung für die erfolgreich zurückgelegte Wanderung, die ganz in der Nähe auf uns wartet, auslobt.

Wanderweg

Es ist nicht ganz einfach, den richtigen Startpunkt für den Wanderweg zu finden, so dass wir erst einmal zwanzig Minuten lang umsonst durch die Gegend laufen und dann selbst als wir auf dem richtigen Weg sind immer noch unsicher sind, ob wir hier richtig sind. Wir einigen uns darauf, dass entweder die Karte schlecht gemacht oder die Markierungen schlecht gemalt sind – oder eben beides, was ich vermute. Als wir den Weg erstmal haben, ist er dann aber sehr schön, wenn auch sehr anstrengend. Wieder geht es erst einmal über Schafweiden in die Höhe. Dann folgt ein kleiner Wasserfall. Bruder und ich sind uns einig, dass uns die isländischen Wasserfälle versaut haben und es jetzt relativ schwer für uns ist, von so einem Minifutziwasserfall beeindruckt zu sein. Allerdings können wir unsere Trinkflaschen auffüllen, schon dafür hat sich der bisherige Weg gelohnt.

Wasserfall
Tor

Ein wenig später geht es durch einen lichten Laubwald und dann hinauf auf den Gipfel des Dinas Enrys, unter dem damals der rote keltische Drache und der weiße sächsische Drache so lange miteinander gekämpft haben und dabei so viel Unruhe und Lärm verursachten, dass Merlin sie freiließ. Seitdem kämpfen Kelten und Angelsachen überirdisch über die Vorherrschaft auf den britischen Inseln.

Oben auf dem Gipfel machen wir wohlverdiente Rast. Dann geht es wieder zurück zum Auto und mit dem Auto zurück nach Beddgelert und zum Eisladen, der mit spannenden Sorten wie Himbeer-Pavlova, Quadruple-Chocolate oder Mango-Erdbeere-Cointreau aufwartet. Das Eis ist dann auch ganz lecker, aber 2 Pfund pro Scoop ist dann doch irgendwie übertrieben – leider kostet gutes Eis hier drüben überall ganz schön viel, so dass einem das eigentlich sauteure (aber wundervolle) Hokey Pokey im Prenzlauer Berg gerade zu preiswert vorkommt. Dann fahren wir durchs Gebirge bis zu einem Aussichtspunkt, von dem man einen guten Blick auf den Snowdon hat – wenn man denn sicher sein kann, welcher Gipfel welcher ist. Außer dem Snowdon gibt es hier nämlich noch einige andere Berge, die fast genau so hoch sind und Schnee lag im August auch nicht mehr drauf. Wir glauben aber, ihn korrekt identifiziert zu haben.

Snowdon

Den nächsten Halt machen wir im Städtchen Llanderis, es wird Zeit, die Koffeinspeicher aufzufüllen. Für den Hasen und mich gibt es stattdessen eisgekühlte Limonaden in verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Limo

Wir beschließen, nicht nach Caernarfon hinein und zum dortigen Schloss zu fahren, sondern naturnah zu bleiben. Meine Schwägerin-in-spe möchte nämlich gerne noch in einen See hüpfen. Das gibt unsere Route auch her. Wir landen am wunderschön gelegenen Bergsee Llyn Cwellyn und parken auf einem toll gelegenen Zeltplatz mit Badestelle, der in mir sofort schöne Erinnerungen an frühere Zelturlaube in Skandinavien und Patagonien weckt. 

Llyn Cwellyn

Das Wasser des Sees ist eisig kalt und gleichzeitig recht flach, so dass aus der geplanten Schwimmung eher eine kurze Planschung wird. Bei einem Erkundungsgang in ein nahegelegenes Gebüsch entdeckt der Hase einen im Baum hängenden frischen Lachs, der dort wahrscheinlich geparkt wurde, während seine Bezwinger wandern sind. Das weckt natürlich seinen Angelehrgeiz und so werden Bruder und Baldschwägerin auch einmal Zeugin eines Angelversuchs. Wir können zwar jede Menge kleine Fische sehen, die kurz unter und auch über der Wasseroberfläche herumtollen, aber an die Angel gehen weder sie noch irgendwelche Lachse.

Lachs

So bleiben wir bei unserem ursprünglichen Plan, nach Harlech in ein vom Lonely Planet empfohlenes jamaikanisches Restaurant zu fahren. Wir erreichen das Städtchen kurz vor Sonnenuntergang und sind schwer von der über allem thronenden Schlossruine begeistert. Leider können wir sie nicht in Ruhe besichtigen, da im Schlosshof eine Theateraufführung stattfindet. 

Harlech Castle

Also machen wir uns auf die Suche nach dem Restaurant, das leider inzwischen an eine andere Adresse umgezogen und außerdem heute geschlossen ist. Wir haben einfach kein Glück mit den jamaikanischen Restaurants im Moment und wie schon neulich in Birmingham holen wir uns stattdessen Pizza, diesmal in Blaenau Ffestiniog, das vom Schieferbergbau lebt und im von brotlos geliehenen DuMont-Kunstreiseführer in verschiedensten Grautönen beschrieben wird. Mit Pizza bewaffnet geht es zurück ins Hostel, wo der Abend wieder vor dem Fernseher endet. Ein neues zweites Gästepärchen gibt es auch, die gucken aber genauso begeistert Olympia wie meine Mitreisenden, so dass es zu keinem Streit um die Macht auf der Couch kommt.

Sonnenuntergang

 

#englandwalesroadtrip – Pembrokeshire Coast

13. August

Der nächste Tag begann mit einem Klopfen an der Tür – unsere superliebe Gastgeberin brachte uns Kaffee ans Bett und stellte frischen Toast zu den anderen Frühstückszutaten auf der Kommode am Fußende des Betts. Dann verabschiedete sie sich und wir frühstückten in aller Ruhe im Bett. Was für ein Luxus! Wir ließen uns jede Menge Zeit und verließen die Unterkunft erst so gegen 11 Uhr. Dann nahmen wir Kurs auf die Pembrokeshire Coast, unseren zweiten der Waliser Nationalparks. Erste Station waren die Lily Ponds in Bosherston, künstliche Seerosenteiche auf den Ländereien eines ehemaligen Herrenhauses, in denen man angeblich Otter beobachten kann. 

Bosherston Lilyponds

Die Otter haben wir leider nicht gesehen, aber andere große Tiere gibt es dort durchaus, wie sich später noch zeigen sollte. Zunächst einmal liefen wir jedoch einfach im schönsten Sonnenschein an den idyllischen Teichen entlang, an deren Ende ein goldener Strand mit unglaublich feinem Sand auf uns wartete. Diesmal wagten wir uns bis zu den Knien ins Wasser, für mehr hätten wir Badeklamotten gebraucht, denn ganz leer war der Strand natürlich nicht. Schön war es aber trotzdem und spätestens jetzt fühlte sich unser Roadtrip wie ein vollwertiger Sommerurlaub an.

Broadhaven Beach

Das Gefühl wurde noch verstärkt, als wir später an einem Stand am Straßenrand Erdbeeren kaufen konnten – mit einer kleinen Dose Schokoladendip dazu. Unser nächstes Ziel führte uns über relativ einsame Landstraßen, gesäumt von den typischen Hecken, bis an die Steilküste bei Marloes. Unterwegs trafen wir am helllichten Tag auf einen Babyfuchs, der wahrscheinlich die Hecke auf der falschen Straße verlassen hatte und nun etwas ziellos die Straße entlang lief. Hoffentlich hat er seinen Ausflug unbeschadet überstanden!

Babyfuchs

Wir parkten unser Auto ein paar Kilometer weiter und liefen dann einen Pfad über Wiesen und an Feldern entlang bis zur Steilküste hin. Unterwegs gab es wieder Brombeeren zu naschen. Wir liefen die Steilküste entlang bis zu einem Vorsprung, von dem aus wir in beide Richtungen sehr sehr weit die Küste entlang schauen konnten und vor uns eine vorgelagerte Insel sahen, auf der sich Spuren alter keltischer Besiedlung ausmachen ließen. Hier setzten wir uns hin, aßen die schokolierten Erdbeeren und genossen Ausblick und Einsamkeit. Wohin man sehen konnte gab es niemanden außer uns – und zwei älteren Damen, die ein paar hundert Meter entfernt aquarellierten.

Dann fuhren wir weiter Küstenstraßen entlang, bis der Hase an einem Farmshop hielt: Auf dem Hof einer Farm stand ein kleiner, offener Schuppen, an dessen Wänden sich Obst, Gemüse und Eier stapelten – jeweils mit Preisen versehen. Wir sahen uns um, überlegten, was wir alles kaufen sollten und warteten auf Bedienung. Nach einer Weile kam eine Frau samt Hund an und fragte, ob wir zurecht kämen. Wir bejahten dies, fragten aber, bei wem wir denn bezahlen sollten. Sie wies auf ein Einweckglas, in dem ein wenig Geld lag und meinte: „Rechnet einfach zusammen, was Ihr schuldet und packt das Geld dort hinein!“ Dann ging sie wieder. 

Farm Shop

Wir packten begeistert alles mögliche zusammen: sechs Eier, ein Kilo Kartoffeln, ein paar Tomaten, eine Gurke, zwei Äpfel, ein Romanesco, einen Beutel Baby-Zucchini, einen Beutel Champignons, Knoblauch und eine Zwiebel. Dann benutzten wir einen Block und einen Stift, schrieben alles auf, was wir genommen hatten und rechneten zusammen. Heraus kam ein lächerlich geringer Betrag, den wir auf fünf Pfund aufrundeten, die wir in das Glas steckten. Dann verstauten wir unsere Beute im Auto und fuhren weiter nach St. David’s, die kleinste City des Vereinigten Königreiches.

St. David's Cathedral

„City“ ist man hier nämlich, wenn man eine Kathedrale hat. Und die hat der Geburtsort des Waliser Schutzpatrons mit seinen gerade mal 1870 Einwohnern. Und was für eine beeindruckende! Man kann verstehen, warum St. David’s Pilgerort ist. Früher galten zwei Pilgerfahrten hierhin genauso viel wie eine nach Rom. Machte man den Trip dreimal, konnte man sich das Pilgern nach Jerusalem sparen. Wir haben auch ein spirituelles Erlebnis in St. David’s, nämlich bei Gianni’s Ice Cream. Gianni hat das Eismachen in einer Außenstelle der Gelato University gelernt und benutzt für seine Kreationen Biomilch von einer Farm ganz in der Nähe. Ich beschränke mich auf zwei Sorten (Eton Mess und Passionfruit Sorbet), der Hase nimmt drei. Als wir damit durch die Stadt laufen wird er ganz schön (bewundernd?) angestarrt, denn die Scoops hier auf der Insel sind tatsächlich relativ groß. Wir sind aber gute, trainierte Eisesser und schaffen die Portionen ohne Schwierigkeiten.

Im Reiseführer steht noch ein weiterer schöner Aussichtspunkt an der Küste, St. David’s Head. Auch von diesem soll man einen tollen Blick auf Spuren aus der Vergangenheit haben. Wir fahren also hin und kommen an einem Strand an, der voller Surfer ist. Der Weg auf den St. David’s Head sieht dann allerdings sehr steil aus – zu viel für mich und meine Erkältung. Also laufen wir nur bis ans Ende des Strandes und klettern dort über ein paar Felsen und bis auf die Spitze einer Landzunge hinaus, von der man einen schönen Blick auf den Strand und die Umgebung hat. Dann kehren wir zum Auto zurück und fahren zu unserem nächsten Hostel, das mitten im Nirgendwo, ganz oben über der Steilküste liegt. 

Pwll Deri

Vom Dining Room, den Dorms und der Terrasse aus blickt man aufs Meer, und zwar ziemlich direkt nach Westen, genau richtig für den Sonnenuntergang, der heute allerdings leider hinter Wolken stattfindet. Aber wir haben ja am nächsten Tag noch einmal die Chance. Was wir nicht haben, ist WLAN oder einfach nur profaner Handy-Empfang. Von der Außenwelt abgeschnitten beschäftigen wir uns mit dem Abendbrot und kochen uns Spaghetti mit Tomaten, Zucchini und Champignons. Dann geht es früh ins Bett – diesmal in getrennt Schlafsäle, denn die Doppelzimmer waren hier schon seit Wochen im Voraus ausgebucht und in britischen Jugendherbergen gilt strikte Geschlechtertrennung!


14. August

Da wir zwei Nächte lang in diesem Hostel bleiben und schon recht viel von der Prembrokeshire Coast gesehen haben, beschließen wir, dass ich heute einfach mal „zuhause“ bleibe und versuche, meine Erkältung auszukurieren. Der Hase fährt indes den ganzen Tag angeln. Im Internet haben wir einen Anbieter gefunden – Yet-Y-Gors Fishery – wo er sich Tipps für die besten Angelplätze holt. Die Fishery gehört einem Angelfanatiker mit eigenem Teich und Campingplatz, der sich für den Hasen „quasi ein Bein ausgerissen hat“ und ihm den idealen Platz für seinen Angeltrip herausgesucht hat – witzigerweise eben jene Seerosenteiche, die wir tags zuvor besucht hatten.

Ich verbringe den Vormittag mit dem Lesen des allgegenwärtigen New York Times Magazine über die Entwicklungen in der Arabischen Welt. Dann halte ich einen kurzen Mittagsschlaf, zeitgleich mit einem Mutter-Tochter-Gespann aus Luxemburg, die mich hinterher auf einen Teller voll Tomatensuppe einladen. Wir kommen ins Gespräch und setzen uns nach dem Essen gemeinsam nach draußen auf die Terrasse. Die beiden lesen und ich schreibe ein wenig Reisetagebuch – immer mit dem Blick auf die irische See.

Offlinebloggen

Erst ziemlich spät kommt der Hase wieder – mit einem 63 cm langen Hecht, seinem persönlichen Angelrekord. Wir laden die Luxemburgerinnen und eine weitere Hostelgästin, mit der wir schon Freundschaft geschlossen haben spontan zum Abendessen ein. Es gibt gebackenen Hecht, den wir mit Zitronenscheiben gefüllt haben auf einem Bett aus Zwiebeln, Knoblauch und Möhren und dazu Salzkartoffeln und Romanesco.

Hecht

Wir werden zu fünft sehr gut satt und haben einen tollen Abend draußen auf der Terrasse und schauen uns den Sonnenuntergang über dem Meer an. Die anderen sitzen noch ziemlich lange zusammen, aber ich habe gegen 10 genug und verziehe mich ins Bett.

Sonnenuntergang