#englandwalesroadtrip – Aberystwyth und Snowdonia Nationalpark

Ich liege zwar schon wieder mit den Katzen zuhause auf der Couch, im Blog ist es aber gerade erst letzten Sonntag. Zum Glück hatte ich vorhin im Flugzeug ein wenig Zeit und konnte unsere nächste Etappe verbloggen…

15. August

Wir starten früh in unsere zweite Urlaubswoche, denn kurz nach 11 Uhr wollen wir meinen Bruder und seine Freundin (eigentlich sollte ich wohl Verlobte sagen, aber nach fast 18 Jahren fällt die Umstellung schwer ;)) im zwei Stunden entfernten Aberystwyth abholen. Die nächsten vier Tage werden wir gemeinsam im Snowdonia Nationalpark, auf Anglesey und an der walisischen Nordküste unterwegs sein.

Wir stellen uns also einen Wecker, frühstücken kurz, verabschieden uns von unseren neuen Freunden und nehmen dann die wunderschöne Küstenstraße nach Norden. Die Sonne scheint und wir fahren auf gewundenen Wegen durch verträumte Fischerdörfer und kleine Städtchen auf und ab die steile Küste entlang – die wahlweise an das Mittelmeer, Nova Scotia oder die Gaspésie erinnert. 

Irische See

Pinie

Die Kiefern erinnern an Pinien und in den Städtchen steht auch die eine oder andere Palme herum. Wir kommen überpünktlich in Aberystwyth an, einem Badeort mit nur 13.000 Einwohnern, aber auch einer Universität, die gemeinsam mit den Touristen für ein gewisses Großstadtflair sorgt.

Als die beiden ankommen, freuen sie sich über die unerwartete Wärme – ihr Zug war auf bibberige 17 Grad heruntergekühlt gewesen – und ziehen sich erst einmal kurze Hosen an. Dann spazieren wir gemeinsam zur Promenade und besorgen uns Kaffee (die beiden), Pommes (der Hase) und ein Tomaten-Mozzarella-Baguette (ich), bevor wir uns ein gemütliches Plätzchen am Strand suchen. Für die nächsten Tage sollte sich die regelmäßige Kaffeebeschaffung als fester Programmpunkt auf unseren Fahrten erweisen – hat jemand Junkies gesagt? 😉 Der Strand in Aberystwyth bietet vor allem schöne Ausblicke auf die Steilküste, das Meer und das verfallene Schloss, aber zum Baden ist er nicht besonders schön. Der Sand ist eher grau und kieselig. 

Aberystwyth

Deswegen beschließen wir, noch kurz zum Schloss zu laufen und dann weiterzufahren – zu einem laut Reiseführer schöneren Strand in Fairbourne.

Die Badenden

Dort gibt es außer dem kilometerlangen Strand so gut wie nichts, aber mehr brauchen wir ja auch nicht. Die ersten Meter müssen wir über große Kiesel klettern, danach folgt dank Ebbe ein breiter Streifen feiner Sandstrand. Da meine Erkältung mich immer noch quält, passe ich auf unsere Sachen auf, während sich die anderen drei sich stolz in die Fluten der Irischen See stürzen. Ich kümmere mich derweil um unsere weitere Tagesplanung und entdecke einen Wanderweg, der halbwegs auf unserem Weg zum nächsten Hostel mitten im Snowdonia Nationalpark liegt. Dreieinhalb Meilen sollten auch für mich zu schaffen sein, immerhin ist das nur halb so lang wie der mit den Wasserfällen in den Brecon Beacons.

Die anderen sind einverstanden und so fahren wir endlich so richtig hinein in Wales’ größten, spektakulärsten und leider auch vollsten Nationalpark. Zum Glück haben wir am ersten Tag noch nicht so viel mit den Menschenmassen zu tun, da wir uns vornehmlich im südlichen Teil und noch nicht so nah am Snowden selbst aufhalten. Passenderweise entdeckt der Hase mal wieder ein Schild am Straßenrand und hält an einem Holztisch mit abgepackten Beutelchen voller Pflaumen und einer Kasse des Vertrauens an. Für 1 Pfund nehmen wir einen Beutel mit.

Schaf an See

Der „Precipice Walk“ beginnt dann recht gemütlich entlang von Bäumen, Himbeersträuchern und einem lang gestreckten hübschen See, bevor dann ein jäher Anstieg über Schafweiden nach oben führt. Schnell erreichen wir eine Höhe, auf der es keine Bäume mehr gibt und folgen einem schmalen Pfad durch Heidekraut und diverse ungefähr knie- bis hüfthohe Gewächse um einen Berg herum. 

Mauerhase

Rechts geht es steil bergauf, links steil bergab und dazwischen laufen wir über mehr oder weniger unwegsames Gelände. Ich bin froh über meine langen Hosen, denn mitunter piksen die Pflanzen sogar durch diese durch und ich glaube unsere beiden Kurzhosigen haben ganz schön unter ihnen gelitten. Dafür waren aber die Ausblicke und das Wetter wunderschön, wir hatten spaßige Unterhaltungen mit Schafen und je weiter nach oben wir kamen, desto mehr reife Blaubeeren konnten wir pflücken und naschen. Alles in allem war das ein guter Einstieg für unsere Neuankömmlinge, würde ich sagen.

Blaubeeren

Südfranzösisches Wales

Als wir nach überraschend langer Zeit (wandern dauert halt irgendwie doch immer länger als erwartet), wieder am Auto landen, ist es schon relativ spät, so dass wir beschließen, direkt weiter ins Hostel zu fahren. Nur an einem Supermarkt halten wir zwischendurch noch an und besorgen Zutaten für das heutige Abendessen, neues Brot und Käse fürs Frühstück, Kaffee, Milch und Bier (Dinge, die der Hase und ich alleine nicht gebraucht hatten ;)). 


Meer und Berge

Unser Hostel liegt einige Autominuten von Blaenau Ffestiniog entfernt ziemlich einsam in den Bergen. Gäbe es nicht noch ein weiteres Gästepaar, wären wir so weit das Auge reicht nur von Schafen umgeben. Selbst der Betreiber des Hostels kommt auf unseren Anruf hin erst mit dem Auto angefahren, um uns den Schlüssel für unser Vierbettzimmer zu übergeben und uns in die örtlichen Gegebenheiten einzuweisen. Ich kümmere mich ums Essen, während die anderen auspacken, den Kühlschrank einräumen und auf dem Fernseher die Olympiaberichterstattung finden. Es gibt Spaghetti mit einer Spinat-Estragon-Feta-Caerphilly-Sauce und danach Olympia und Bier.

Pasta und Bier

 Während die anderen fernsehen, versuche ich, zu bloggen. Leider komme ich nur mit dem Telefon, aber nicht mit dem Laptop online und da ich darauf nicht vorbereitet war, habe ich auch keine Möglichkeit, meine vorgeschriebenen Texte der letzten Tage aufs Handy zu schieben, um sie von dort in die Welt hinauszuposaunen. So endet der Abend für mich relativ früh mit Buch und Bett.

16. August

Am nächsten Morgen erwachen wir gegen 9 Uhr bei strahlendem Sonnenschein. Die anderen Hostelgäste sind bereits ausgeflogen und so haben wir Haus und Picknicktische draußen für uns allein und können ganz schamlos ein ausführliches Frühstück im Schlafanzug draußen zu uns nehmen. Bis wir alle fertig sind, der zweite Kaffee getrunken, der Tisch abgeräumt, das Geschirr abgewaschen und alle abfahrbereit sind, ist es 12 Uhr mittags. Upsi!

Für heute haben wir uns eine im Lonely Planet vorgeschlagene Driving Tour rund um den Snowdon vorgenommen, inklusive Wanderung und See. Unser Anfangsort auf der Route ist das quirlige Beddgelert, wo wir unseren ersten Eindruck von der schieren Menge der Touristen bekommen, unsere ersten geschriebenen Postkarten einwerfen und einen Eisladen entdecken, den mein Bruder schlauerweise aus Belohnung für die erfolgreich zurückgelegte Wanderung, die ganz in der Nähe auf uns wartet, auslobt.

Wanderweg

Es ist nicht ganz einfach, den richtigen Startpunkt für den Wanderweg zu finden, so dass wir erst einmal zwanzig Minuten lang umsonst durch die Gegend laufen und dann selbst als wir auf dem richtigen Weg sind immer noch unsicher sind, ob wir hier richtig sind. Wir einigen uns darauf, dass entweder die Karte schlecht gemacht oder die Markierungen schlecht gemalt sind – oder eben beides, was ich vermute. Als wir den Weg erstmal haben, ist er dann aber sehr schön, wenn auch sehr anstrengend. Wieder geht es erst einmal über Schafweiden in die Höhe. Dann folgt ein kleiner Wasserfall. Bruder und ich sind uns einig, dass uns die isländischen Wasserfälle versaut haben und es jetzt relativ schwer für uns ist, von so einem Minifutziwasserfall beeindruckt zu sein. Allerdings können wir unsere Trinkflaschen auffüllen, schon dafür hat sich der bisherige Weg gelohnt.

Wasserfall
Tor

Ein wenig später geht es durch einen lichten Laubwald und dann hinauf auf den Gipfel des Dinas Enrys, unter dem damals der rote keltische Drache und der weiße sächsische Drache so lange miteinander gekämpft haben und dabei so viel Unruhe und Lärm verursachten, dass Merlin sie freiließ. Seitdem kämpfen Kelten und Angelsachen überirdisch über die Vorherrschaft auf den britischen Inseln.

Oben auf dem Gipfel machen wir wohlverdiente Rast. Dann geht es wieder zurück zum Auto und mit dem Auto zurück nach Beddgelert und zum Eisladen, der mit spannenden Sorten wie Himbeer-Pavlova, Quadruple-Chocolate oder Mango-Erdbeere-Cointreau aufwartet. Das Eis ist dann auch ganz lecker, aber 2 Pfund pro Scoop ist dann doch irgendwie übertrieben – leider kostet gutes Eis hier drüben überall ganz schön viel, so dass einem das eigentlich sauteure (aber wundervolle) Hokey Pokey im Prenzlauer Berg gerade zu preiswert vorkommt. Dann fahren wir durchs Gebirge bis zu einem Aussichtspunkt, von dem man einen guten Blick auf den Snowdon hat – wenn man denn sicher sein kann, welcher Gipfel welcher ist. Außer dem Snowdon gibt es hier nämlich noch einige andere Berge, die fast genau so hoch sind und Schnee lag im August auch nicht mehr drauf. Wir glauben aber, ihn korrekt identifiziert zu haben.

Snowdon

Den nächsten Halt machen wir im Städtchen Llanderis, es wird Zeit, die Koffeinspeicher aufzufüllen. Für den Hasen und mich gibt es stattdessen eisgekühlte Limonaden in verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Limo

Wir beschließen, nicht nach Caernarfon hinein und zum dortigen Schloss zu fahren, sondern naturnah zu bleiben. Meine Schwägerin-in-spe möchte nämlich gerne noch in einen See hüpfen. Das gibt unsere Route auch her. Wir landen am wunderschön gelegenen Bergsee Llyn Cwellyn und parken auf einem toll gelegenen Zeltplatz mit Badestelle, der in mir sofort schöne Erinnerungen an frühere Zelturlaube in Skandinavien und Patagonien weckt. 

Llyn Cwellyn

Das Wasser des Sees ist eisig kalt und gleichzeitig recht flach, so dass aus der geplanten Schwimmung eher eine kurze Planschung wird. Bei einem Erkundungsgang in ein nahegelegenes Gebüsch entdeckt der Hase einen im Baum hängenden frischen Lachs, der dort wahrscheinlich geparkt wurde, während seine Bezwinger wandern sind. Das weckt natürlich seinen Angelehrgeiz und so werden Bruder und Baldschwägerin auch einmal Zeugin eines Angelversuchs. Wir können zwar jede Menge kleine Fische sehen, die kurz unter und auch über der Wasseroberfläche herumtollen, aber an die Angel gehen weder sie noch irgendwelche Lachse.

Lachs

So bleiben wir bei unserem ursprünglichen Plan, nach Harlech in ein vom Lonely Planet empfohlenes jamaikanisches Restaurant zu fahren. Wir erreichen das Städtchen kurz vor Sonnenuntergang und sind schwer von der über allem thronenden Schlossruine begeistert. Leider können wir sie nicht in Ruhe besichtigen, da im Schlosshof eine Theateraufführung stattfindet. 

Harlech Castle

Also machen wir uns auf die Suche nach dem Restaurant, das leider inzwischen an eine andere Adresse umgezogen und außerdem heute geschlossen ist. Wir haben einfach kein Glück mit den jamaikanischen Restaurants im Moment und wie schon neulich in Birmingham holen wir uns stattdessen Pizza, diesmal in Blaenau Ffestiniog, das vom Schieferbergbau lebt und im von brotlos geliehenen DuMont-Kunstreiseführer in verschiedensten Grautönen beschrieben wird. Mit Pizza bewaffnet geht es zurück ins Hostel, wo der Abend wieder vor dem Fernseher endet. Ein neues zweites Gästepärchen gibt es auch, die gucken aber genauso begeistert Olympia wie meine Mitreisenden, so dass es zu keinem Streit um die Macht auf der Couch kommt.

Sonnenuntergang

 

#englandwalesroadtrip – Pembrokeshire Coast

13. August

Der nächste Tag begann mit einem Klopfen an der Tür – unsere superliebe Gastgeberin brachte uns Kaffee ans Bett und stellte frischen Toast zu den anderen Frühstückszutaten auf der Kommode am Fußende des Betts. Dann verabschiedete sie sich und wir frühstückten in aller Ruhe im Bett. Was für ein Luxus! Wir ließen uns jede Menge Zeit und verließen die Unterkunft erst so gegen 11 Uhr. Dann nahmen wir Kurs auf die Pembrokeshire Coast, unseren zweiten der Waliser Nationalparks. Erste Station waren die Lily Ponds in Bosherston, künstliche Seerosenteiche auf den Ländereien eines ehemaligen Herrenhauses, in denen man angeblich Otter beobachten kann. 

Bosherston Lilyponds

Die Otter haben wir leider nicht gesehen, aber andere große Tiere gibt es dort durchaus, wie sich später noch zeigen sollte. Zunächst einmal liefen wir jedoch einfach im schönsten Sonnenschein an den idyllischen Teichen entlang, an deren Ende ein goldener Strand mit unglaublich feinem Sand auf uns wartete. Diesmal wagten wir uns bis zu den Knien ins Wasser, für mehr hätten wir Badeklamotten gebraucht, denn ganz leer war der Strand natürlich nicht. Schön war es aber trotzdem und spätestens jetzt fühlte sich unser Roadtrip wie ein vollwertiger Sommerurlaub an.

Broadhaven Beach

Das Gefühl wurde noch verstärkt, als wir später an einem Stand am Straßenrand Erdbeeren kaufen konnten – mit einer kleinen Dose Schokoladendip dazu. Unser nächstes Ziel führte uns über relativ einsame Landstraßen, gesäumt von den typischen Hecken, bis an die Steilküste bei Marloes. Unterwegs trafen wir am helllichten Tag auf einen Babyfuchs, der wahrscheinlich die Hecke auf der falschen Straße verlassen hatte und nun etwas ziellos die Straße entlang lief. Hoffentlich hat er seinen Ausflug unbeschadet überstanden!

Babyfuchs

Wir parkten unser Auto ein paar Kilometer weiter und liefen dann einen Pfad über Wiesen und an Feldern entlang bis zur Steilküste hin. Unterwegs gab es wieder Brombeeren zu naschen. Wir liefen die Steilküste entlang bis zu einem Vorsprung, von dem aus wir in beide Richtungen sehr sehr weit die Küste entlang schauen konnten und vor uns eine vorgelagerte Insel sahen, auf der sich Spuren alter keltischer Besiedlung ausmachen ließen. Hier setzten wir uns hin, aßen die schokolierten Erdbeeren und genossen Ausblick und Einsamkeit. Wohin man sehen konnte gab es niemanden außer uns – und zwei älteren Damen, die ein paar hundert Meter entfernt aquarellierten.

Dann fuhren wir weiter Küstenstraßen entlang, bis der Hase an einem Farmshop hielt: Auf dem Hof einer Farm stand ein kleiner, offener Schuppen, an dessen Wänden sich Obst, Gemüse und Eier stapelten – jeweils mit Preisen versehen. Wir sahen uns um, überlegten, was wir alles kaufen sollten und warteten auf Bedienung. Nach einer Weile kam eine Frau samt Hund an und fragte, ob wir zurecht kämen. Wir bejahten dies, fragten aber, bei wem wir denn bezahlen sollten. Sie wies auf ein Einweckglas, in dem ein wenig Geld lag und meinte: „Rechnet einfach zusammen, was Ihr schuldet und packt das Geld dort hinein!“ Dann ging sie wieder. 

Farm Shop

Wir packten begeistert alles mögliche zusammen: sechs Eier, ein Kilo Kartoffeln, ein paar Tomaten, eine Gurke, zwei Äpfel, ein Romanesco, einen Beutel Baby-Zucchini, einen Beutel Champignons, Knoblauch und eine Zwiebel. Dann benutzten wir einen Block und einen Stift, schrieben alles auf, was wir genommen hatten und rechneten zusammen. Heraus kam ein lächerlich geringer Betrag, den wir auf fünf Pfund aufrundeten, die wir in das Glas steckten. Dann verstauten wir unsere Beute im Auto und fuhren weiter nach St. David’s, die kleinste City des Vereinigten Königreiches.

St. David's Cathedral

„City“ ist man hier nämlich, wenn man eine Kathedrale hat. Und die hat der Geburtsort des Waliser Schutzpatrons mit seinen gerade mal 1870 Einwohnern. Und was für eine beeindruckende! Man kann verstehen, warum St. David’s Pilgerort ist. Früher galten zwei Pilgerfahrten hierhin genauso viel wie eine nach Rom. Machte man den Trip dreimal, konnte man sich das Pilgern nach Jerusalem sparen. Wir haben auch ein spirituelles Erlebnis in St. David’s, nämlich bei Gianni’s Ice Cream. Gianni hat das Eismachen in einer Außenstelle der Gelato University gelernt und benutzt für seine Kreationen Biomilch von einer Farm ganz in der Nähe. Ich beschränke mich auf zwei Sorten (Eton Mess und Passionfruit Sorbet), der Hase nimmt drei. Als wir damit durch die Stadt laufen wird er ganz schön (bewundernd?) angestarrt, denn die Scoops hier auf der Insel sind tatsächlich relativ groß. Wir sind aber gute, trainierte Eisesser und schaffen die Portionen ohne Schwierigkeiten.

Im Reiseführer steht noch ein weiterer schöner Aussichtspunkt an der Küste, St. David’s Head. Auch von diesem soll man einen tollen Blick auf Spuren aus der Vergangenheit haben. Wir fahren also hin und kommen an einem Strand an, der voller Surfer ist. Der Weg auf den St. David’s Head sieht dann allerdings sehr steil aus – zu viel für mich und meine Erkältung. Also laufen wir nur bis ans Ende des Strandes und klettern dort über ein paar Felsen und bis auf die Spitze einer Landzunge hinaus, von der man einen schönen Blick auf den Strand und die Umgebung hat. Dann kehren wir zum Auto zurück und fahren zu unserem nächsten Hostel, das mitten im Nirgendwo, ganz oben über der Steilküste liegt. 

Pwll Deri

Vom Dining Room, den Dorms und der Terrasse aus blickt man aufs Meer, und zwar ziemlich direkt nach Westen, genau richtig für den Sonnenuntergang, der heute allerdings leider hinter Wolken stattfindet. Aber wir haben ja am nächsten Tag noch einmal die Chance. Was wir nicht haben, ist WLAN oder einfach nur profaner Handy-Empfang. Von der Außenwelt abgeschnitten beschäftigen wir uns mit dem Abendbrot und kochen uns Spaghetti mit Tomaten, Zucchini und Champignons. Dann geht es früh ins Bett – diesmal in getrennt Schlafsäle, denn die Doppelzimmer waren hier schon seit Wochen im Voraus ausgebucht und in britischen Jugendherbergen gilt strikte Geschlechtertrennung!


14. August

Da wir zwei Nächte lang in diesem Hostel bleiben und schon recht viel von der Prembrokeshire Coast gesehen haben, beschließen wir, dass ich heute einfach mal „zuhause“ bleibe und versuche, meine Erkältung auszukurieren. Der Hase fährt indes den ganzen Tag angeln. Im Internet haben wir einen Anbieter gefunden – Yet-Y-Gors Fishery – wo er sich Tipps für die besten Angelplätze holt. Die Fishery gehört einem Angelfanatiker mit eigenem Teich und Campingplatz, der sich für den Hasen „quasi ein Bein ausgerissen hat“ und ihm den idealen Platz für seinen Angeltrip herausgesucht hat – witzigerweise eben jene Seerosenteiche, die wir tags zuvor besucht hatten.

Ich verbringe den Vormittag mit dem Lesen des allgegenwärtigen New York Times Magazine über die Entwicklungen in der Arabischen Welt. Dann halte ich einen kurzen Mittagsschlaf, zeitgleich mit einem Mutter-Tochter-Gespann aus Luxemburg, die mich hinterher auf einen Teller voll Tomatensuppe einladen. Wir kommen ins Gespräch und setzen uns nach dem Essen gemeinsam nach draußen auf die Terrasse. Die beiden lesen und ich schreibe ein wenig Reisetagebuch – immer mit dem Blick auf die irische See.

Offlinebloggen

Erst ziemlich spät kommt der Hase wieder – mit einem 63 cm langen Hecht, seinem persönlichen Angelrekord. Wir laden die Luxemburgerinnen und eine weitere Hostelgästin, mit der wir schon Freundschaft geschlossen haben spontan zum Abendessen ein. Es gibt gebackenen Hecht, den wir mit Zitronenscheiben gefüllt haben auf einem Bett aus Zwiebeln, Knoblauch und Möhren und dazu Salzkartoffeln und Romanesco.

Hecht

Wir werden zu fünft sehr gut satt und haben einen tollen Abend draußen auf der Terrasse und schauen uns den Sonnenuntergang über dem Meer an. Die anderen sitzen noch ziemlich lange zusammen, aber ich habe gegen 10 genug und verziehe mich ins Bett.

Sonnenuntergang

#12von12 im Juli 2016

An jedem 12. eines Monats machen Bloggerinnen und Blogger 12 Fotos von ihrem Tag, gesammelt wird das Ganze hier bei Caro.

 

Das erste Foto mache ich gleich morgens im Bett. Erst hinterher fällt mir auf, dass da ein Zettel auf dem Boden liegt. Es ist meine Gelato Card vom Wochenende. Übrigens haben Nummer 1 und 3 gewonnen und treten im September beim Finale in Florenz an)!

 

Erste Amtshandlung: Nimbin streicheln. Meine Teeniecousine fragte zu dem Bild an, seit wann ich mir denn die Fingernägel lackiere. Mache ich eigentlich gar nicht, aber wegen der indischen Hochzeit neulich, bei der wir alle barfuß waren, bin ich dann doch mal zur Pediküre gegangen, sollte ja festlich aussehen.

 

Noosa ist nicht in Streichelstimmung, sie muss Fliegen jagen. Hier ist sie kurz davor, die Fliege erstmal böse anzumeckern, deswegen ist das Foto etwas verwackelt, aber immernoch schärfer als alle weiteren. Agiles Kätzchen, das.

Ich trage heute endlich mal wieder meinen gelben Rock und dazu ein blaues Shirt – die Farben von Bautzen, Schweden, IKEA und leider auch der FDP.

 

Bei unserer wöchentlichen Betriebsratssitzung bin ich immer diejenige, die sich ein Getränk mitbringt. Heute gibt es Kräutertee in meiner schönen Tasse aus Bolgheri.

 

In der Mittagspause arbeite ich weiter an der Urlaubsplanung. Im August geht es für uns zwei Wochen nach Birmingham (meinen Bruder besuchen), Wales (Roadtrip!) und Liverpool (Meinen Freund Evil Pink Machine besuchen). Die Idee hatten wir natürlich schon vor Brexit und EM, aber der Urlaub macht mehr und mehr Sinn – schnell nochmal rüber, bevor es vielleicht komplizierter wird!

 

Um das Nachmittagstief zu überstehen, schmeiße ich mir ein Spotify-Radio an, so komme ich beschwingt bis in den Feierabend.

 

Auf dem Heimweg wird fürs Abendbrot eingekauft – mir steht der Sinn nach Gemüse.

 

Um die Ecke (und auch noch an anderen Stellen in Berlin) gibt es ein neues Streetart-Motiv. Vielleicht weiß ja jemand mehr darüber? Eine Kollegin kommentierte dieses Foto damit, dass sie mal hinter dem kleinen Fenster neben der Streetart gewohnt hat, das ist doch mal sehr cool!

 

Katzenfutter und Katzengras stehen auch noch auf dem Einkaufszettel.

 

Zuhause angekommen, suche ich erst einmal meinen Impfausweis heraus, den ich morgen brauchen werde. Auf Twitter entspannt sich gleich eine heftige Debatte über sein Äußeres.

 

Fertig ist das Abendbrot, es gibt einen Gnocchi-Salat mit Zucchini, Tomaten und Scamorza und einem Dressing aus Kapern-Fenchel-Pesto, Olivenöl, Balsamico, Knoblauch, Zitronensaft und Bärlauchsalz.

San Galgano, Siena, Asciano und Sommertrüffel 

Wir nutzen den auf absehbare Zeit letzten relativ sonnensicheren Tag für unseren Ausflug nach Siena und verbinden diesen direkt noch mit der Besichtigung der Abteiruine San Galgano und einem Besuch bei einer lieben entfernten Verwandten (Familie geht auch ohne gemeinsame Gene) in der Pecorino-Hauptstadt Asciano.

Die Abtei San Galgano hat infolge eines Blitzeinschlags mit dazugehörigem Feuer seit Jahrhunderten kein Dach und keine Fenster mehr und wurde bereits 1789 (?) entweiht. Seitdem steht sie romantisch in der Gegend herum und inspiriert Künstler und Literaten. Und auch wir sind bereits zum mindestens dritten Mal hier (bis auf den Hasen, der hat heute seine San Galgano-Premiere, aber er war eben auch noch nie in der Toskana).

 

Nach einer ausführlichen Begehung und unzähligen Fotos fahren wir weiter nach Siena und erinnern uns an die letzten Male hier, bei denen wir noch meine Großeltern dabei hatten. Für sie war der Aufstieg in die Stadt besonders anstrengend, auch für uns ist er kein leichtes. Da kommt es uns natürlich unwahrscheinlich entgegen, dass in den letzten 20 Jahren auch ein entspannterer Weg nach oben – über diverse Rolltreppen – eingerichtet wurde. So kommen wir beinahe im Vollbesitz unserer Kräfte an. Zuerst zieht es uns natürlich zur berühmten Piazza Il Campo.

 

Draufklicken zum Größermachen – Panorama-Spielerei 😉

 

Wir nehmen einen leichten Mittagssnack zu uns (Caprese mit Büffelmozzarella, Bresaola-Carpaccio bzw. Parmigiana di Melanzane) und gönnen uns danach das obligatorische Eis bei Nannini, der Familie der gleichnamigen Sängerin Gianna Nanini. Dann spazieren wir durch die Gassen hinüber zum beeindrucken, für meine Begriffe äußerlich ganz schön überladenen, Dom. Ausnahmsweise kaufen wir uns auch Tickets und sehen uns das Ganze auch von Innen an. Für Kunsthistoriker_innen gibt es hier bestimmt eine Menge zu entdecken, da ich aber Kopfschmerzen habe, laufe ich nur einmal kurz überall entlang und setze mich dann und lasse die Atmosphäre auf mich wirken. Dankenswerterweise wurde heute kein Weihrauch angezündet – der hat mir in meinem ersten Toskana-Urlaub vor 25 Jahren sämtliche Kirchen durch Kopfschmerzen vermiest.

 

 

Am späten Nachmittag fahren wir durch weite Weizenfelder weiter nach Asciano. Die Stadt liegt an einem Fluss, an dem früher diverse Mühlen standen, die die Gegend mit Mehl versorgten. Neben dem Getreide ist Asciano heute vor allem als Hauptstadt des Pecorino bekannt. Den Markt haben wir laut unserer Gastgeberin leider um zwei Tage verpasst. Trotzdem können wir auf unserem Stadtbummel noch einen halben frischen Pecorino für die nächsten Tage und einen kompletten, reiferen für Zuhause erstehen. Den Rest des Abends verbringen wir mit Essen, Weintrinken und Erzählen. Immerhin haben wir uns seit über 20 Jahren nicht gesehen. Es gibt ein tolles frühlingshaftes Menü, guten Wein aus der Gegend und so wird es beinahe Mitternacht, bis wir uns auf den zweistündigen Heimweg machen…

Hier noch unser Frühlingsmenü in Bildern:

 

Zum Aperitivo gibt es rohe Artischocke, in Olivenöl und Essig gedippt, und dazu Salami, Schinken und Knabberkram

Zur Vorspeise gibt es frischen, weichen Pecorino mit Fave und zum Kosten einen weiteren Käse mit Rotweinadern und dazu ein Aprikosensößchen

Den Hauptgang bilden Taglietelline mit einem Hieb Butter, einem Schluck Olivenöl und frisch gehobelten Sommertrüffeln

Zum Nachtisch gibt es Erdbeeren, die mit Weißwein, Zucker, Minze und Pfeffer mariniert sind

 

Parco Geotermico delle Biancane, Massa Marittima und ein wild-frittiertes Menü

Eine entfernte Verwandte hatte uns auf Facebook empfohlen, den nahegelegenen geothermischen Park zu besuchen. Da unsere Familie ja ein Faible für vulkanische Dinge hat, nahmen wir uns das direkt für den nächsten Tag vor. Die Fahrt durch weitestgehend menschenleeres Gebiet wird vor allem dadurch unterhaltsam, dass der Straßenatlas von vor 25 Jahren die Strada Provinciale noch nicht kennt, die das Navi präferiert. Das sorgt für Verwirrung und Unsicherheit bei der Generation 60 Plus. Allerdings ist die Straße uns dann auch nicht mehr ganz so geheuer, als wir an die Stelle kommen, wo sie laut Navi über einen Fluss, in der Realität aber eher mitten hindurch führt. Zum Glück ist aber gerade kein Hochwasser und wir kommen sicher auf die andere Seite. Natürlich müssen wir aber trotzdem anhalten und fotografieren. Nicht zum letzten Mal heute fühlen wir uns wie auf Island.

Der Stopp hat auch noch einen schönen Nebeneffekt: Am Straßenrand finde ich jede Menge wilden Fenchel, von dem ich mir einen dicken Strauß pflücke. Gedanklich bin ich damit schon vormittags beim Abendessen, aber wir sind ja nun mal in Italien. „Zuhause“ um unsere Ferienwohnung herum blüht und duftet der Holunder, die Blüten zu frittieren haben wir uns gleich von Anfang an vorgenommen. Ein roter Faden für das heutige Menü ist also gefunden: Essbare Wildpflanzen.

Erstmal riecht es jedoch eher nach faulen Eiern, von den Schwefeldämpfen der Fumarolen. Nur 7-8 km unter uns ist eine Magmakammer, gräbt man nur 100 m tief, ist es gleich 9 Grad wärmer. An einigen Stellen ist der Abstand deutlich geringer, man fühlt die Wärme im Vorbeigehen und es tritt auch Dampf aus.

Ein kleines Video mit dem Originalton:

Fehler
Dieses Video existiert nicht

Es gibt einen kleinen Rundweg zum Wandern. Leider verlieren wir die Route ziemlich schnell und laufen dann eher durch einen Wald voller Esskastanien und Korkeichen, als durch vulkanisches Gebiet. Ist aber auch spannend und schön und wir sehen die ersten Eidechsen dieses Urlaubs, die es sich in der Sonne bequem machen (bis wir kommen).

Nach etwa anderthalb Stunden Natur pur fahren wir weiter nach Massa Marittima und schlendern dort zur Piazza Garibaldi mit dem beeindruckenden Dom samt architektonisch spannender Treppe. Hier saßen wir vor 25 Jahren und sahen den Fahnenschwingern und Armbrustschützen des Ballestro del Girifalco zu. Heute ist es hier deutlich ruhiger und leerer. Als wir genug geguckt haben, suchen wir uns ein Café mit WLAN, damit meine Eltern auch endlich mal wieder in Ruhe ihre E-Mails checken und auf Facebook rumhängen können.  Der Kellner stammt aus Südtirol und so können wir kompliziertere Vorgänge wie das Einwählen ins WLAN und die gleichzeitige Bestellung aus Speisekarte, Pasticceria-Auswahl und von der Eistheke – alles auf einer Rechnung – in schönstem deutsch-italienischem Kauderwelsch organisieren.

Crostini mit Artischocken und Grana Padano
Cioccolato nero, fragola, icricotta e fichi


Auf dem Weg zurück zum Auto entdecken wir noch den Brunnen der Fruchtbarkeit mit entsprechendem Fresco.


Auf dem Heimweg halten wir noch an einem Supermarkt, um unsere Vorräte aufzufüllen und noch einige Zutaten fürs Abendbrot zu kaufen. Die Zucchiniblüten sind dann einfach irgendwie mit in den Wagen gehüpft – frittieren stand ja eh schon auf dem Plan und so ergab sich dann spontan noch eine tolle Vorspeise.

Teig für Fritti nach Rachel Roddy

  • 150 g Mehl
  • 2 EL Olivenöl
  • 200 ml Wasser
  • 2 Eiweiß
  • Salz

Mehl, Öl und Wasser gut vermischen und für eine, besser zwei Stunden in den Kühlschrank stellen. Direkt vor dem Frittieren wieder herausholen und Eischnee unterheben – fertig. Zum Frittieren haben wir natürlich Olivenöl genommen (extra verginge, aber nicht das teuerste), schmeckt am besten und man gönnt sich ja sonst nichts. Die Menge Teig reicht für 6 gefüllte Zucchiniblüten, 48 Zucchinistifte (ca 1 cm Durchmesser und 7 cm Länge) und etwa 10 große Holunderdolden.

Gefüllte Zucchiniblüten und Zucchinistifte

  • 6 junge Zuchini mit Blüten
  • 6 Anchovifilets
  • 1 Mozzarella
  • Teig für Fritti (siehe oben)

Den Mozzarella in sechs Teile schneiden. Blüten von den Zucchini abschneiden (einen kleinen Strunk dranlassen) und vorsichtig auseinanderziehen. Mit je einem Stück Mozzarella und einem Anchovifilet füllen und wieder verschließen/zudrehen – es passt viel mehr hinein, als man denkt! In den Teig tauchen und frittieren. Die Zucchini halbieren und jede Hälfte der Länge nach vierteln. Ebenfalls in den Teig tauchen und frittieren. Die heißen Fritti salzen und sofort servieren. Mit den Fingern essen!

Fertig befüllte Blüten, fertig zum Frittieren




Pasta mit Salsiccia und wildem Fenchel nach Eric Lissner

  • 1 großer Bund wilder Fenchel, gewaschen
  • 500 g Penne rigate
  • 2 Salsicce
  • 3 Zehen Knoblauch, in Scheiben
  • Peperoncino
  • Salz

Einen Pastatopf mit Wasser zum Kochen bringen. Den Fenchel darin 5 Minuten simmern lassen und dann herausfischen. Das Wasser großzügig salzen, die Pasta dazugeben und al dente kochen. In der Zwischenzeit die Salsicce von ihren Häuten befreien. In einer Pfanne den Knoblauch langsam in Olivenöl andünsten, dann die Scheiben herausfischen. Die Salsicce hinzugeben, mit dem Pfannenwender zerkleinern und mit Peperoncino würzen. Das Fleisch gut durchbraten. Währenddessen den Fenchel kleinhacken und dann zur Salsiccia geben. 1-2 Kellen Pastawasser dazugeben, um eine gleichmäßige Sauce zu erhalten. Die fertige Pasta dazugeben und alles vermischen, bei Bedarf mit mehr Pastawasser nachhelfen. Servieren.


Frittierte Holunderblüten mit gezuckerten Erdbeeren

  • 10 Holunderdolden
  • Teig für Fritti (siehe oben)
  • 250 g Erdbeeren
  • Zucker

Die Dolden verlesen, Blätter entfernen und eventuelle Insekten etc. absammeln (nicht waschen!). Erdbeeren putzen, kleinschneiden und zuckern. Die Dolden am Stiel festhalten, in den Teig tauchen und gut abtropfen lassen. Über das Frittierfett halten und mit einer Schere so abschneiden, dass nur die vom Teig bedeckten dünnen Zweige ins Fett fallen. Nach und nach alles goldbraun frittieren, dann zuckern und noch heiß mit den Erdbeeren servieren.
 

Vom Stubaital in die Toskana

Am Morgen hatten wir noch einmal fetzigen Bergblick aus dem Bett. Da wir versäumt hatten, uns am Vorabend zum Bio-Frühstücksbüffet mit regionalen Spezialitäten anzumelden, frühstückten wir schon echt italienisch beim Bäcker und machten uns dann auf den Weg über den Brenner, durch Südtirol und in die Po-Ebene. (Hihihi)

Schon faszinierend, da setzt man sich mal kurz (in unserem Fall zwei Tage, aber wenn man sehr ambitioniert ist, geht das auch in einem) ins Auto und zack ist man in Italien. Vor dem Autofenster fliegen Zypressen vorbei, alles ist grün und nach und nach schleichen sich auch Pinien ins Bild. Wir halten an einer Raststätte und ich bestelle uns „un caffè, un caffè americano e un tè. „Fünf zwanzig!“ Hmpf, der wollte wohl sein Deutsch üben. Wir begutachteten dann noch die Essenssituation, hatten aber (leider) noch Stullen dabei.


Papa fuhr heute wieder und hatte somit die undankbare Aufgabe, mit dem nur Italienisch sprechenden Mautautomaten zu kommunizieren. Danach musste er sich nur noch mit dem Navi streiten, dass fieserweise die schnellste Strecke fahren wollte, während er die schönere über Florenz und Siena bevorzugte. Natürlich hat er gewonnen und so haben wir schon eine ganze Menge Hügel, Weinberge und Olivenhaine gesehen.

In Volterra kauften wir im Supermarkt ein und dann schlängelten wir uns weiter die Serpentinen entlang, bis wir in unser Ferienwohnung in Canneto ankamen, die Freunden von uns gehört. Sie liegt in einem über 400 Jahre alten, entsprechend verwinkelten und ungeradem Haus auf – natürlich – einem Hügel. Zuletzt waren wir vor über 25 Jahren hier (ohne den Hasen ;)). Einiges ist noch genau gleich, anderes doch irgendwie anders.

Ich koche und Fusilli mit Zucchini und Ricotta, während Mama einen Antipastiteller vorbereitet, der Hase die Betten bezieht und Papa das Auto am Fuße des Hügels parkt. Die „Straßen“ hier oben sind mehr so Gassen, die in der wir wohnen ist nicht einmal breit genug für ein Auto. Trotzdem heißt sie „via“ und nicht etwa „vicolo“ oder so, wie ich amüsiert feststelle. Natürlich sind die Straßen nach den üblichen Verdächtigen benannt: Garibaldi, Vittorio Emanuele (III), Umberto (I) und eine Via Roma gibt es natürlich auch.

Nach dem Essen machen wir noch einen kleinen Spaziergang, während Papa das Kaminfeuer zum Laufen bringt. Wir sitzen mit Wein und Erdbeeren davor, bis uns die Augen langsam zufallen und wir uns in die Betten verziehen. Benvenuti in Toscana!

Momente 17.4.16

In meinem Feedreader befinden sich viele Blogs mit mindestens täglichen tagebuchähnlichen Einträgen, die ich sehr gerne lese, etwa von Kaltmamsell, Miz Kitty, Novemberregen, Frau Brüllen, diplix… Ein bisschen neidisch bin ich darauf auch. Wirklich jeden Tag zu bloggen habe ich das eine oder andere Mal probiert, aber nie wirklich lange durchgehalten – schon alleine aus Zeit- und Motivationsgründen. Aber nicht nur. Auch inhaltlich habe ich nicht jeden Tag blogbares und blogwürdiges zu sagen. Einiges landet dann bei Twitter, Instagram, Facebook oder Snapchat, anderes bleibt völlig undokumentiert. Und zeitgleich zahle ich viel zu oft 5 € in die Iron Blogger-Kasse, weil ich wieder eine ganze Woche lang keinen Blogeintrag zu Stande gebracht habe, obwohl ich doch durchaus was zu sagen gehabt hätte.

Mit den Momenten möchte ich dem jetzt entgegen wirken: Alltagsnotizen, Links und Fragmente, die nicht für einen ausgewachsenen monthematischen Text reichen. Ohne feste Form, ohne vorgegebenen Rhythmus, unsortiert und ohne Zwang, ergebnisoffen und nicht immer bis ins Ende ausformuliert und durchdacht. Mitunter ergibt sich dann ja ein Austausch, der dazu führt, dass ich mich doch mal etwas länger mit einem der Themen auseinandersetze, so wie neulich mit dem Daraufherumdenken, warum ich Sorbisch lerne

Da ich den Momente-Gedanken jetzt schon eine Weile mit mir herumtrage, hier jetzt eine lose Sammlung von mentalen Notizen der letzten Tage:

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Gestern Abend saßen wir hier um die Ecke im Garten von Freunden um den Feuerkorb herum und quatschten bis nach Mitternacht – zwar warm angezogen, aber eben draußen. Die Sonne ging erst nach 20 Uhr unter, die Äste und Zweige über uns waren voller Blüten, es war eindeutig Frühling. Ein wundervolles Gefühl, zu wissen, dass dies erst der Anfang der Draußensaison war, dass das jetzt noch die nächsten 5-6 Monate so weitergehen kann. Und auch, dass dieser Garten und diese Freunde und ein schönes Feuerchen nur ein paar Gehminuten entfernt sind. Nur eine Kreuzung muss dafür überwunden werden und auf der ist zumindest außerhalb des Berufsverkehrs nicht viel los. Und das in Berlin. Luxus!

  
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Diese Woche war unsere vierte Sorbischstunde und endlich hatte ich dabei wieder das Gefühl, Fortschritte zu machen und nicht mehr nur hinterherzulaufen. So langsam kommt etwas System in die Fälle und Zeitformen und ich konnte den einen oder anderen Satz bilden, ohne dabei hektisch durch meine Aufzeichnungen blättern zu müssen, um für jedes Verb, Substantiv und Adjektiv die richtige Form herauszusuchen. Natürlich sind das noch Einzelfälle, aber zumindest weiß ich jetzt, dass es möglich ist und sie mit Zeit und Übung normaler werden werden.

  
Außerdem habe ich mir die Wokabulary-App heruntergeladen und mit den bisherigen 138 Vokabeln gefüttert. Die kann ich jetzt mit Eintippen oder als Karteikarten lernen, die App merkt sich, wie gut ich die Wörter kann und zeigt mir meine Lernfortschritte. Dabei wandern Wörter auch wieder eine Stufe zurück, wenn ich sie nicht richtig habe. Schonmal sehr cool und empfehlenswert – mit den Konjugationen und Deklinationen hilft es aber noch nicht zu richtig weiter. Vielleicht finde ich dafür auch noch ein gutes System – das oben auf dem Bild ist ja recht aufwändig.

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Bereits am Montag habe ich Reiseführer für England und Wales bei Amazon bestellt. Ja, ich weiß, als Buchhändlerinnenkind sollte ich dazu eigentlich in einen Buchladen meines Vertrauens gehen, aber irgendwie fand ich es so einfacher und schneller. Ich kenne es eigentlich so, dass Artikel, die auf Lager sind, am nächsten (bei rechtzeitiger Bestelluhrzeit) oder übernächsten Tag da sind. So wunderte mich die voraussichtliche Lieferung am Donnerstag bereits, ich nahm sie aber nicht für voll. Versandt wurde dann aber tatsächlich erst am Mittwoch. Angekommen ist Stand heute, Sonntag, allerdings immer noch nichts. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass man durch Verschlechterungen im Lieferablauf die Kunden zu Amazon Prime zwingen will. (Oder habe ich einen Streik verpasst?) Wird bei mir aber nicht klappen, dann bestelle ich demnächst einfach wirklich im Laden nebenan oder gehe zu Dussmann. Amazon nutze ich dann wohl nur noch zum Verwalten meiner Wunschzettel. Kaufen kann man die Produkte ja dann woanders, trotzdem vom Wunschzettel löschen geht ja inzwischen auch für die Schenkenden.

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Neulich ein Gespräch belauscht, bei dem moniert wurde, dass auf dem Alex ja nur noch der Bodensatz der Gesellschaft herumgammeln würde und Verbrechen an der Tagesordnung wären. Mich sehr darüber gewundert, wie unterschiedlich die Wahrnehmung ist. Ich freue mich seit Monaten täglich darüber, wie lebendig der Alex geworden ist, wie viele Leute dort nicht nur vorbeirennen, sondern sich dort treffen und Zeit dort verbringen, wie viele Straßenkünstler und -musiker es dort gibt und dass sich Berlin dort endlich einmal wie eine moderne, weltoffene Großstadt anfühlt. Früher war der Alex eine öde Betonfläche, mit dem einen oder anderen Punk, ein paar nervigen Händlern, Touristengruppen und Rush Hour-Berlinern oder eben kaum begehbares Weihnachts-Oster-Herbst-Irgendwasmarktgelände. Heute ist er zu jeder Jahreszeit ein Treffpunkt und ein Schauspiel und irgendwann demnächst setze ich mich auch mal dazu und spiele Bodensatz. So.

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Heute Abend schläft die (französische) Frau einer guten Freundin bei uns. Sie spricht gut Englisch und lernt gerade mit großen Fortschritten Deutsch. Ich hoffe, dass wir trotzdem einen multilingualen Abend vor uns haben und wir uns auch noch ein bisschen besser kennenlernen können.

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Da wir gerade ungewöhnlich viele Wochenenden zuhause in Berlin verbringen, schaffe ich es, selbst Sauerteigbrot zu backen – ein bis zwei davon pro Wochenende. Inzwischen allerdings ohne Honig und angereichert mit Leinsamen und Haferflocken. Eins reicht etwa bis Donnerstag (der Hase schmiert sich Stullen für die Arbeit), das zweite wird eingefroren und bei Bedarf schnittenweise aufgetaut.

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Am Donnerstag habe ich aus Resten gekocht und es war unverhofft wahnsinnig lecker: 4 Anchovis in Olivenöl zergehen lassen, 2 Zehen Knoblauch pressen und dazugeben, 3 Hände voll Pflücksalat dazugeben (war ne wilde Mischung mit Rucola, Sauerampfer usw.) und zusammenfallen lassen. 1 Handvoll Rosinen dazugeben und andünsten. 1 Packung Ricotta dazugeben und verühren. 250 g al dente gekochte Spaghetti und eine Kelle Nudelwasser dazugeben, vermischen und nochmal kurz aufkochen. Ordentlich pfeffern und servieren.

  
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Heute morgen in der Küche das Radio angemacht, die letzten Tage von Lovefool gehört und spontan gute Laune bekommen. Ihr auch?

#12von12 im April 2016

Immer am 12. eines Monats machen hunderte Blogger 12 Fotos ihres Alltags und verlinken das Ganze dann bei Caro. Hier sind meine #12von12 vom April:

1) Ich schmiere mir heute Stullen fürs Büro. Es gibt das selbstgebackene Sauerteigmischbrot mit Leinsamen, einmal mit Bratwurst und einmal mit mittelaltem Gouda.

 

2) Wie immer bei der Essenszubereitung habe ich neugieriges Publikum.

 

3) Auf dem Weg zur Tram drängen sich mir die Forsythien (auf Anhieb richtig geschrieben puh!) ins Blickfeld und brüllen: Frühling!

 

4) Am Alex wird der Ostermarkt endlich abgebaut. Am Bauzaun hängt noch Kabelbinder, mit dem sich die Krähen beschäftigen. Frage: Ist das jetzt schön und ein lustiges Spiel, oder denken sie, das wären Zweige und sie könnten sich damit ein Nest bauen und das ganze ist unendlich traurig?

 

5) Ich hole mir im Café neben dem Büro noch schnell ein Schokobröt.

 

6) Dazu gibt es dann Chai Latte und Obst am Schreibtisch.

 

7) Heute ist Meeting-Tag. Beim ersten stelle ich mir die Frage, wie oft wohl auf so ein Flipchart geblutet wird…

 

8) Im zweiten Meeting freue ich  mich über den  ausgegebenen Leitsatz für die bevorstehenden Aufgaben.

 

9) Nach drei Stunden Meeting ohne Pause gibt es endlich meine Stullen und dazu Salat, den ich ebenfalls von Zuhause mitgebracht habe. Der Hase hatte Wildkräuter gekauft und eine Vinaigrette aus Sesamöl und Himbeeressig angerührt – zum Reinlegen gut! Die Kollegen gucken neidisch.

 

10) Kurz vor Feierabend werden dann noch die Telefone ausgetauscht. Das links im Bild hatte ich bis vorhin, rechts ist das Neue. Da ich sowieso im Durchschnitt weniger als einmal die Woche telefoniere, lässt mich das relativ kalt. Die Tastatur zeigt hingegen Details aus dem Büroalltag: Zur WM wurden von einer Kollegin Fahnenaufkleber verteilt und ich bekam aus Gründen einen von Oranje. Das zweite Schild ist mein Cocktailname, jeder in unserem Mini-Team bekam einen – da war ich allerdings krank 😉

 

11) Nach der Arbeit habe ich noch einen Termin und gehe auf dem Rückweg noch fix was einkaufen. An der Kasse hängt diese… Kaufempfehlung?

 

12) Zuhause wird dann haushaltsmäßig rumgekruschelt und nebenbei aus den Vorräten ein mediterraner Bohneneintopf zum Abendbrot gekocht – mit grünen TK-Bohnen aus Hasenbruders Garten, Kartoffeln vom Markt, sizilianischer Salami und passierten Tomaten.

Improvisiertes, superleckeres Spinat-Linsen-Curry mit Reis

Ich muss dieses „Rezept“ jetzt mal fix notieren und warum dann nicht gleich im Blog? Eben.

Ich kam vom Sonntagskuchenessen bei den Eltern zurück und hatte eigentlich vor, einen Kartoffel-Spinat-Auflauf zu machen. Allerdings hatte ich nicht bedacht, dass zeitgleich ein Brot im Ofen backen würde. Da ich zwar Knoblauch liebe, aber nicht ein komplettes Brot einknoblauchen wollte, disponierte ich um. Ich wollte Spinat und passierte Tomaten kombinieren und ordentlich Knoblauch sollte auch noch dran. Nudeln waren alle, aber beim Durchwühlen der Vorräte fand ich noch jede Menge Reis (Basmati) und Linsen (u.a. rote). Also wurde es ein indisch angehauchtes (Dhal-)Curry.

  

Ich bin kein Profi, was indisches Kochen angeht (indisch essen kann ich dafür sehr gut), daher kann ich nicht garantieren, dass dieses Rezept optimal ausgeführt oder authentisch ist. Aber es ist in jedem Fall wahnsinnig lecker und da ich selbst überrascht war, gehört es aufgehoben:

Rezept: Spinat-Linsen-Curry mit passierten Tomaten und Reis (reicht für mindestens 4 Personen)

  • Frischer Spinat (so 4-6 Handvoll)
  • Kokosöl
  • Koriandersamen, Bockshornkleesamen, Senfsamen, Kardamom-Kapseln, getrocknete Chili-Schoten, Gewürznelken (Zusammensetzung nach Gefühl)
  • 1 mittelgroße Zwiebel
  • Knoblauch (2 Zehen waren etwas zu wenig)
  • Ein Stück Ingwer
  • 200 g rote Linsen
  • 400 ml passierte Tomaten
  • 150 ml Naturjoghurt
  • Eine Handvoll Rosinen
  • 2 Tassen Basmati-Reis
  • Salz
  • 4 getrocknete Limettenblätter

Zuerst die Gewürze (außer Salz) in der Pfanne anrösten, dann zermörsern (Schalen der Kardamom-Kapseln raus sammeln).

In einem breiten Topf zwei Esslöffel Kokosöl schmelzen lassen und den gewaschenen Spinat hinzugeben. Spinat andünsten und dann noch einmal zur Seite stellen.

Klein gehackte Zwiebel, Knoblauch und Ingwer in den Topf geben und anschwitzen.

Linsen hinzugeben und kurz mit anrösten, dann mit den passierten Tomaten ablöschen, Gewürze aus dem Mörser hinzugeben und kochen lassen.

Nach einer Weile den Joghurt, den Spinat und die Rosinen zugeben, salzen und mit geschlossenem Deckel weiter köcheln lassen, bis die Linsen gar sind. (Insgesamt etwa 10-15 Minuten)

In der Zwischenzeit Reis mit der doppelten Menge Wasser aufkochen. Limettenblätter hinzugeben und bei geschlossenem Deckel köcheln lassen, bis das Wasser verdampft ist. 

Den Reis salzen und beides zusammen servieren (Limettenblätter nicht mitessen.)

Dazu würde noch gut Garlic Naan passen, aber wir hatten ja nischt.

Die sorbische Reconquista

Seit drei Wochen lerne ich nun (wieder) Sorbisch und da ich sowohl auf Twitter als auch im echten Leben schon gefragt wurde, warum ich das tue, die Antwort aber nicht in 140 Zeichen oder einen Satz passt, habe ich mir gedacht, ich blogge einfach darüber.

Tatsächlich gibt es auf diese Frage drei sehr verschiedene Antworten – eine linguistische, eine persönliche und eine politische.

 

Die linguistische Antwort

Die oberflächlichste ist, dass ich gerne Sprachen lerne, relativ sprachbegabt bin und schon des Öfteren einmal „einfach so“ angefangen habe, Sprachen zu lernen. Zu Schulzeiten war das Niederländisch, während der Uni Schwedisch und jetzt im Arbeitsleben Spanisch. Englisch und Französisch gab es in der Schule gratis dazu und Italienisch ergab sich durch Urlaub, familiäre Beziehungen und schließlich die Liebe. Vielleicht war es, da in Liebesdingen nun seit über 3,5 Jahren wieder Deutsch gesprochen wird, einfach Zeit für eine neue Herausforderung für meine innere Linguistin?

Allerdings musste ich bisher feststellen, dass Erfolgserlebnisse anders als bei den germanischen und romanischen Sprachen beim Sorbisch lernen leider deutlich seltener gesät sind. Das Sorbische hat drei Geschlechter und sieben Fälle, in denen Substantive und Adjektive dekliniert werden müssen. Hinzu kommt neben dem Singular und dem Plural auch noch der Dual und für manche Wörter gibt es evangelische und katholische Übersetzungen sowie weitere regionale Varianten, etwa für (völlig überraschend) die Kartoffel, die bei evangelischen Sorben běrna, bei katholischen Sorben nepl und bei den Sorben rund um Schleife kulka heißt.

Zwischen all den Endungen und Konsonantenwechseln fallen die Konjugationen der Verben dann ja kaum noch ins Gewicht, aber all das will erstmal im Kopf ankommen und verarbeitet werden und sollte ich diesen Zustand irgendwann einmal erreicht haben, dann war das ja auch erst die Gegenwart. Ich gehe mal davon aus, dass mich später noch diverse Zeitformen und Modi ereilen werden. Heidewitzka, bzw. owowow und ajajaj! 🙂

Jedenfalls muss man sich diesen grammatikalischen Grundstock erst einmal zurechtzimmern, bevor man ganz entspannt Konversation betreiben oder Texte lesen kann und das ist, wie ich höre, wohl bei allen slawischen Sprachen so. Allerdings wurde mir heute auch gesagt, dass es beim Englischen z.B. ja so sei, dass es immer schwerer wird, je länger man es lernt (Kann ich bestätigen: Selbst wenn ich persönlich da inzwischen sämtliche grammatischen Hürden genommen habe und im Schlaf anwenden kann, lerne ich doch in der täglichen Arbeit immer noch komplizierte Redewendungen und x-silbige juristische Begriffe hinzu.) Beim Sorbischen hingegen (oder invece, wie der Italiener sagt), gäbe es erst einen steilen Berg (obersorbisch hora) zu erklimmen, bevor es dann angeblich leichter würde. Im Moment jedenfalls befinde ich mich noch ganz am Fuß dieses Berges und wenn ich nicht noch andere Motivationen als das linguistische Interesse hätte, würde ich meine Zeit vermutlich eher für die Vervollkommnung anderer angefangener Sprachen verwenden.

 

Die persönliche Antwort

Zum Glück gibt es ja aber noch andere Motivationen. Ich bin in der (Ober-)Lausitz aufgewachsen und mütterlicherseits zu einem Sechzehntel Sorbin. Meine Oma hat in ihrem Elternhaus noch Sorbisch gesprochen, meine Mutter und ihre Geschwister haben es nur noch in der Schule gelernt. Bei meinem Bruder und mir blieb dann nur noch etwas Grundschulsorbisch übrig, auch weil es später auf dem Gymnasium nicht angeboten wurde (wobei es in Bautzen auch ein Sorbisches Gymnasium gibt, auf das jetzt zumindest meine Cousine geht). Nun kann man sich vorstellen, dass Sorbisch-Unterricht in der 4. Klasse nicht besonders effektiv ist. In der ersten Klasse war ich mit der Lehrerin allein, weil niemand sonst in meiner Klasse Sorbisch lernen wollte. Die anderen hatten also nach der 4. Stunde Schluss, während ich noch mit der Lehrerin im Lehrerzimmer hockte. Ein paar Vokabeln habe ich da durchaus mitbekommen, aber noch nicht wirklich etwas von Grammatik, darauf war das Lehrbuch bei Erstklässlern gar nicht ausgelegt.

In der zweiten bis vierten Klasse gab es dann jahrgangsübergreifenden Sorbischunterricht, so dass wir irgendwann, meine ich, zu viert und später sogar zu fünft oder sechst waren – aber eben auf völlig unterschiedlichen Lernniveaus und mit den neuen Erstklässlern waren auch immer Kinder dabei, die noch nicht lesen konnten. Dafür haben wir relativ viel über die sorbische Kultur gelernt, durften Sprachspiele in der sorbischen Kinderzeitschrift Płomjo machen und Ausflüge zu sorbischen Veranstaltungen machen. Ich erinnere mich, in der 4. Klasse auf einem Kulturfestival (?) in Radibor ein Gedicht vorgetragen zu haben, dessen Inhalt mir kaum bekannt war. Aber ich konnte es auswendig und bestimmt war meine Aussprache total super.

Auch wenn sprachlich also nicht allzu viel bei rumkam, wurde ich so doch zumindest ein wenig für die sorbische Kultur und Geschichte sensibilisiert und war stolz auf die Zweisprachigkeit meiner Region. Nie wäre es mir in den Sinn gekommen, über Sorben zu lästern oder ihnen zu unterstellen, sie sprächen nur Sorbisch, um nicht verstanden zu werden – solche Vorurteile hörte ich mitunter durchaus von Deutschen. Meine Eltern waren außerdem mit zwei sorbischen Familien (bzw. einer sorbischen und einer sorbisch-kirgisischen) befreundet, so dass ich auch ab und an mal Alltagssorbisch hören konnte, was in der Lausitz trotz offizieller Zweisprachigkeit nicht so oft vorkommt, es sei denn man hält sich in den entsprechenden sorbischen Dörfern oder im Umfeld von sorbischen Schulen auf. In Bautzen auf der Straße hörte ich eigentlich fast immer Deutsch.

Ich fand es immer ein wenig schade, dass dieser Aspekt meiner Familiengeschichte ein wenig untergegangen war. Besonders bewusst wurde mir das, als letztes Jahr meine Oma starb, nachdem sie in den letzten Jahren immer dementer geworden war. Im Alter werden ja die Kindheitserinnerungen wieder präsenter und gerade demente Menschen wechseln ja in ihrem Bewusstsein relativ unverhofft zwischen ihren verschiedenen Lebensphasen hin und her. Meine Oma begann jedenfalls in ihren letzten Tagen, immer öfter Dinge auf Sorbisch zu sagen und niemand verstand sie. Meine Tante hat dann das „Gedicht“, dass meine Oma deklamierte mit dem Handy aufgenommen und dem (sorbischen) Pfarrer der Kirchengemeinde vorgespielt. Der identifizierte es sofort als das Vater Unser und kurz danach stellte er fest, dass meine Oma einen sorbischen Dialekt sprach, den er schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gehört hatte – in unserem Dorf und der Umgebung ist das Sorbische nämlich wirklich so gut wie ausgestorben. Auch ich habe meine Oma nie Sorbisch reden hören.

Auf ihrer Beerdigung wurde das Vater Unser dann jedenfalls auf Sorbisch gebetet. Ich selbst bin Atheistin und lese normalerweise nur still mit. Den deutschen (und englischen) Text kenne ich trotzdem auswendig. Vom Sorbischen erkannte ich genau ein Wort: Amen. OK, nach näherem Nachdenken kam mir auch noch naš (unser) bekannt vor und der Hase, der in der Schule Russisch hatte, erkannte chlěb (Brot).

Edit: Jetzt mit der korrekten evangelischen Fassung, die ursprüngliche aus der Wikipedia kopierte war katholisch und kann hier nachgelesen werden (wo die evangelische Fassung inzwischen auch ergänzt wurde).

Wótče naš, kiž sy w njebjesach.
Swjećene budź twoje mjeno.
Přińdź k nam twoje kralestwo.
Twoja wola so stań
kaž na njebju, tak tež na zemi.
Naš wšědny chlěb daj nam dźensa.

A wodaj nam naše winy,
jako my wodawamy našim winikam.
A njewjedź nas do spytowanja,
ale wumóž nas wot złeho.
Přetož twoje je kralestwo a móc
a česć hač do wěčnosće.
Hamjeń.

Irgendwie machte es mich traurig, dass meine Oma die Sprache ihrer Kindheit scheinbar verlernt hatte, oder sie zumindest nicht an ihre Kinder und Enkel weitergeben wollte. In den Wochen und Monaten vor und nach ihrem Tod habe ich versucht, möglichst viel von ihr in meinem Alltag wieder präsent zu machen. Ich habe die Schafwollsocken herausgeholt, die sie uns immer gestrickt hat und trage sie nun jede Nacht. Und ich habe gekocht – Quarkkeulchen und Pflaumenknödel. Aber das ist die Oma meiner Kindheit, die die Deutsch sprach. Ans Sorbische ihrer Kindheit habe ich mich erstmal noch nicht wieder herangewagt.

 

3. Die politische Antwort

Das kam erst, als ein Bekannter über Twitter einen privaten Sorbischkurs hier in Berlin initiierte und ich mich spontan anschloss. Da kamen neben dem linguistischen und persönlichen Interesse sowie der einfach guten, unkomplizierten Gelegenheit noch eine politische Motivation hinzu. Die Lausitz hat sich ja in den letzten Wochen nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Bisher kam ich im gesamtdeutschen Zusammenhang ja immer noch ganz gut damit weg, dass ich eben aus der Lausitz komme und nicht aus Sachsen (ein Gefühl, dass ich seit frühester Kindheit habe, während viele meiner Bautz’ner Freunde sich als Sachsen sehen – evtl. ist das auch das sorbische Erbe in mir?). Als dann aber ausgerechnet in Bautzen ein zukünftiges Asylbewerberheim angezündet und auf lange Zeit unbrauchbar gemacht wurde, während der braune Mob das bejubelte und teilweise sogar die Polizei bei den Löscharbeiten behinderte, da war es aus mit der schönen Herausrederei. Was hilft es, sich auf die schöne, zweisprachige Heimat zu berufen, wenn man die zweite Sprache nicht spricht? Völlig abgesehen, dass auch zwischen Sorben und Deutschen bei weitem nicht alles so in Ordnung ist, wie es mein Sorbischbuch aus DDR-Zeiten suggerierte und die Touristenbroschüren verbreiten.

Je brauner die Heimat wurde, desto schwieriger fiel es mir in den letzten Jahren, mich mit mir zu identifizieren (zumal ich ja auch noch einige andere Heimat-Anwärter in meiner Biographie mir mir herumtrage, in einem davon wohne ich sogar). Und um so trötzer (um mal Olaf Schubert zu zitieren) wollte ich die Zweisprachigkeit, die Bikulturalität dieser Heimat betonen. Dem braunen Mob nicht das Feld überlassen. (Was nicht heißen soll, dass nicht auch Sorben etwas gegen Geflüchtete haben können…)

Also nun: Sorbisch lernen gegen deutschen Einheitsbrei, für Rückbesinnung auf die eigene Geschichte und auf das relative Zusammenleben verschiedener Kulturen. Die Motivation meiner Mitlernenden und des so idealistisch und ehrenamtlich Lehrenden ist ähnlich, politisch und humoristisch liegen wir auf einer Wellenlänge. So entstehen zum Üben so schöne Sätze wie „Ich gebe der Katze mit der Hand Suppe.“ oder „Ich spreche wegen der grünen Flasche mit dem Frosch.“ oder „Der Pfarrer schlägt die beiden sorbischen Frauen mit der Rute.“ Nunja…

 

Besonders schön ist neben dem Lernen dann auch das ganze Geplänkel drumherum. Die sorbische Community ist klein, im Grunde kennt jeder jeden und so höre ich vieles über die Hintergründe des sorbischen Medien- und Kulturbetriebs. Zudem gibt es ganz nebenbei Lektionen in sorbischer Geschichte und Literatur (wir befinden uns mit unserem privaten Sorbischzirkel in sehr guter Tradition), zur Sprachpolitik, zu Germanismen im Sorbischen (z.B. farar, der Pfarrer) und Bezüge zu anderen slawischen und/oder Minderheitensprachen. Und dazu die Lausitzer Sprachfärbung, die jeden dieser Abende zu einem kleinen Heimaturlaub macht (und mit Sächsisch zum Glück nicht allzu viel zu tun hat).

Heute haben wir das Ganze dann noch mit sorbischer Osterdekoration und dem sorbischen „Nationalgericht“ (Quark mit Leinöl und Pellkartoffeln) auf die Spitze getrieben. Dabei wurden zwei Bio-Leinöle verkostet – eins aus dem Spreewald und eins aus einer Kreuzberger Ölmühle. Unser Lehrer erzählte dann noch vom hohen Leinölverbrauch bei ihm zuhause, was mich wieder einmal ermunterte, noch viel mehr Rezepte mit Leinöl auszuprobieren – ein passendes Kochbuch dafür habe ich schon.

Und wenn dann alle, die es verlernt haben, wieder Sorbisch können und die deutschen Lausitzer in der Zwischenzeit alle ausgewandert oder weggestorben sind, dann, ja dann holen wir uns die Łužica zurück und teilen sie gerne mit Geflüchteten aus aller Welt – Platz genug ist ja.