Frauenkampftag 2019

Heute war es soweit: Zum ersten Mal ist der Internationale Frauentag in Berlin gesetzlicher Feiertag. Und da ich ja nun dieses Wochenende doch nicht in Prag bin, konnte ich den Tag auch gut für feministische Zwecke nutzen. Die ersten Stunden verbrachte ich damit, gut für mich selbst zu sorgen (ein nicht zu vernachlässigender Aspekt!): lange im Bett liegen bleiben, meditieren, gesund frühstücken, guten Tee trinken (schwarzer Tee mit frischem Ingwer, frischem Kurkuma und jamaikanischem Honig), Katzen kuscheln, Serien gucken, gesundes Mittag essen…

Die nächsten Stunden verbrachte ich gemeinsam mit meinen beiden Berliner Cousinen, dem Lieblingsnachbar und jeweils noch Freundinnen der drei auf der großen Demo zum Frauenkampftag. Vermutlich lag es daran, dass Feiertag war (und dass der Regen auch pünktlich zur Startzeit aufhörte), aber diese Demo war richtig groß und voll – zwischendurch sprachen die Veranstalter*innen von über 20.000 Teilnehmer*innen. Was mir außerdem aufgefallen ist: Es waren für mich überraschend viele Männer am Start. Natürlich verschätzt man sich da auch schnell, aber ich würde sagen das waren schon mindestens 30% und eher ein paar mehr – gerade bei den jüngeren Teilnehmer*innen.

Und das macht dann doch auch wieder ganz schön viel Mut und gibt Hoffnung für die Zukunft – trotz allem, was ich in den letzten Wochen darüber diskutiert habe, dass echte Gleichberechtigung nur gemeinsam erreicht werden kann und es eben nicht reicht, wenn man den Frauen “seinen Segen gibt”, aber selbst den Arsch nicht hochbekommt. Auch trotz der Tatsache, dass ich vor zwei Tagen tatsächlich vorargumentiert bekam, dass es doch wohl zu viel verlangt wäre, sich diskriminierungsfreie Schimpfwörter zu überlegen, wenn man seinen Frust über anstrengende Menschen, die zufällig Frauen sind, loswerden möchte und dass es doch völlig normal und quasi alternativlos ist, dann von einer dummen F*tze zu sprechen. Und natürlich trotz allem, was in letzter Zeit mal wieder durch die Medien gegangen ist und die Gemüter erregt hat. Trotz $218 und $219a, trotz AKK, trotz all der AltenWeißenMänner und des aktuell hochkochenden Backlashes:

Irgendwann werden wir in einer Gesellschaft leben, die noch diverser, inklusiver und gleichberechtigter ist als unsere heutige, und zwar für Menschen aller Gender, Geschlechter, sexuellen Orientierungen usw. Feminismus ist für alle da! Und wenn wir das endlich verstanden haben, dann lösen wir alle anderen Probleme auch irgendwie – gemeinsam!

Zum Frauentag denke ich an…

Am Frauentag denke ich immer zu allererst an meine Oma A., die für mich so ein bisschen den Geist dieses Frauenkampftages symbolisiert und diesen auch immer sehr ernsthaft beging. Sie wurde 1928 in eine kommunistisch geprägte Arbeiterfamilie hineingeboren. Nach der 8. Klasse ging sie von der Schule ab, um ganz klassisch auf einem Gut in der Landwirtschaft zu arbeiten, auf die Kinder aufzupassen und so weiter. Eine weitere Ausbildung hätte sich die Familie nicht leisten können.

Nach dem Krieg kam dann die Möglichkeit an einer Arbeiter- und Bauernfakultät das Abitur nachzuholen und auf Bestreben meines Uropas hin tat sie genau das. Danach studierte sie und lernte in dieser Zeit meinen Opa kennen. Kurz danach wurde geheiratet und ein Jahr später kam mein Papa, das erste von drei Kindern, zur Welt. Da Oma und Opa zu diesem Zeitpunkt an zwei verschiedenen Orten studierten wuchs er die ersten Jahre bei seinen Großeltern mütterlicherseits auf.

Irgendwann war das Studium vorbei, die Familie zog zusammen und wurde größer und Oma wurde schlussendlich Hochschullehrerin. In dieser Tätigkeit lernte sie viele internationale Studenten kennen, die bei ihnen zuhause ein und aus gingen, und fuhr sogar ins nicht-sozialistische Ausland, nach Finnland. Neben ihrer Arbeit kümmerte sich Oma um den kompletten Haushalt und die Kinder und tippte spätabends noch wissenschaftliche Arbeiten für meinen Opa auf der Schreibmaschine ab. (So viel zum Thema Gleichberechtigung in der DDR…) Oma war auch diejenige der beiden, die den Führerschein machte (am Tag als mein Bruder als ihr erstes Enkelkind geboren wurde) und sie von nun an durch die Gegend kutschierte.

Und trotz all der Arbeit, die sie erledigte und meinem Opa damit abnahm – für uns als Enkel war klar, wer in dieser Ehe die Hosen anhatte. 😉 Nachdem mein Opa gestorben war, zog Oma an den Ort zurück, an dem sie am glücklichsten gewesen war. Sie spazierte jeden Tag umher, traf Freunde und Bekannte, trank ihren Espresso mit Blick auf den Strand, las täglich zwei Zeitungen, sah Nachrichten und Polit-Talkshows, ging ins Theater, empfing ihre Kinder und Enkel, versorgte sich größtenteils selbst und unternahm verschiedene Reisen, für die Opa nicht fit genug gewesen wäre, bzw. die er sich nicht zugetraut hätte. Bis dann auch ihre Gesundheit nachließ. Als ihr eine Krankheit nach und nach erst das Rauchen, dann das Reden und die Selbständigkeit nahm, wählte sie ihr Ende selbstbestimmt und stark wie eh und je.

Noch vor drei Jahren hätte ich sie heute angerufen oder mit einer roten Nelke in der Hand besucht – heut bleibt mir nur dieser Text.

Alles Gute zum Frauentag, prost Oma!