30.03.2023 – Grummel Grummel

Der Tag beginnt mit einer Nachricht des Liebsten zu Disneys Coup gegen DeSantis und irgendwann später kommt die Nacht, dass Trump angeklagt wird. Das war es dann aber auch mit guten Dingen. Es ist jetzt Tag 11 nach dem positiven Covid-Test, der 6. Tag, seitdem der Schnelltest wieder negativ blieb. An klar auszumachenden Symptomen ist noch ein etwas erratisch arbeitendes Verdauungssystem übrig und ich bin noch etwas heiser. Zwischendurch vergesse ich daher auch gerne mal, dass ich krank bin und tanze beim Zähneputzen durchs Badezimmer.

Und dann kommen die deutlichen Erinnerungen – wenn ich zum Beispiel plötzlich über 8 Stunden pro Nacht tief und fest schlafe (das ist zwar nicht doof, aber ungewöhnlich), wenn ich beim Nachmittagsnickerchen so tief einschlafe, dass ich beim Aufwachen leicht desorientiert bin, wenn ich beim draußen Herumlaufen plötzlich wieder mit steifen, kribbelnden Beinen auf um die Hälfte gedrosselter Geschwindigkeit laufe oder nach dem Treppensteigen völlig aus der Puste bin. Noch hoffe ich, dass das halt am gerade erst abklingenden Infekt liegt und ich mich in ein-zwei Wochen wieder auf dem „Fitness“-Level befinde, auf dass ich mich in den letzten Monaten mühsam heraufgearbeitet hatte.

Aber als ich um ein Rezept abzuholen eine längere Strecke gehen muss und mich dabei genauso eingeschränkt fühle wie kurz nach der ersten Covid-Runde vor einem Jahr, kommen mir Zweifel. Kann ich meine ehrgeizigen Pläne mit Festival- und Konzertbesuchen im Frühsommer weiter durchziehen? Oder bin ich jetzt um Wochen und Monate zurückgeworfen? Und war es das wert, am St. Patrick‘s Day zum ersten Mal seit drei Jahren unbeschwert unter vielen Menschen zu singen, zu tanzen und zu feiern?

Und ist es nicht verdammt unfair, dass es mich direkt wieder erwischt, sobald ich ein wenig die Deckung fallen lasse? Wo doch um mich herum fast alle schon seit Monaten wieder ein Leben wie vor der Pandemie führen und wenn sie sich anstecken meist nach einer Woche wieder fit wie ein Turnschuh durch die Gegend hopsen? Und wie wäre es mir ergangen, wenn ich nicht vor der ersten Infektion vierfach, vor der zweiten Infektion fünffach geimpft gewesen wäre? Und warum ich? Ich habe doch gar keine offenkundigen Risikofaktoren, außer zweier chronischer Erkrankungen, die nichts mit dem Herzen oder der Lunge zu tun haben und mich sonst im Alltag nicht allzu sehr einschränken? Das nervt unglaublich, und die Vorstellung, dass das jetzt noch Jahre so weitergeht und es mir vielleicht nach jedem Mal wieder etwas (oder irgendwann viel?) schlechter geht, die ist beängstigend.

Nach dem Ausflug ist auf jeden Fall erstmal wieder Schonung angesagt – ich gehe nur noch zweimal an die Tür. Einmal, als die Freundin meines Bruders kommt, um seinen Ersatzschlüssel zu holen, weil er spontan wieder ins Krankenhaus musste (noch so ein Mist) und einmal, als der Lieferando-Mann mit Misosuppe und Sushi klingelt. Es gibt Tage, da muss das.

29.03.2023 – Gute Kranke

Heute bin ich eine viel bessere Kranke als gestern. Ich gucke zwar ab und zu nach, was in meine Arbeits-Inbox flattert, aber die einzige E-Mail, die ich lese, ist die Abschiedsmail einer lieben Kollegin. Ansonsten konzentriere ich mich heute ganz aufs Schonen und Genesen.

Passend dazu hat Netflix mit Wellmania eine neue australische Serie am Start, in der eine Food-Journalistin aus gesundheitlichen Gründen gezwungen wird, kürzer zu treten und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern. Ich bingewatche das quasi aus pädagogischen Gründen, auch wenn es weder wahnsinnig gut gemacht oder lustig ist. Seichte Unterhaltung ist ja nicht falsch, wenn man krank ist. Immerhin inspiriert es mich, jetzt wirklich tief durchzuatmen und erstmal gesund zu werden.

Zu diesem Behufe (und um Lebensmittel zu verwerten, die sonst schlecht würden), mache ich mir einen Mixer voll Smoothie aus dem Saft der restlichen acht Orangen – mit TK-Beerenmix, Joghurt und Ingwer-Curcuma-Shot, den ich über den Tag verteilt leertrinke. Abends koche ich sogar etwas aufwendiger, der Radicchio und die Bergamotte wandern in eine Pasta mit Rosinen und Anchovis.

Abends gucke ich, was TikTok zum Thema Nova Scotia zu bieten hat und versuche, meinen Algorithmus entsprechend zu trainieren. Erste Ideen für mögliche Ausflugsziele und besonders lustige Videos leite ich direkt an den Liebsten weiter.

28.03.2023 – Mentale Achterbahn

Der Tag beginnt wie alle Tage gemütlich im Bett, ab jetzt ohne Schnelltest und Fiebermessen. Ich bin abgeschlagen und matt von der vielen Bewegung gestern und mein Bauch ist immer noch nicht wieder im Normalbetrieb, aber insgesamt geht es mir ganz gut und ich freue mich auf einen entspannten Schontag im Bett.

Da auf Arbeit ja immer noch eine sehr spannende Woche ist, kann ich mir einen Blick auf das Diensthandy allerdings nicht verkneifen. Die Abschlussmail zu dem Förderungsprogramm, an dem ich das letzte Jahr über teilgenommen habe, ist da. Sie enthält eine Aufzeichnung der letzten Session, die letzte Woche stattfand, als ich noch „richtig“ krank war und keinen Gedanken für irgendwas abseits davon übrig hatte. Und sie enthält das Zertifikat mit einigen Formulierungsvorschlägen zu LinkedIn-Posts und der Bitte, doch diese Woche darüber zu posten.

Was weg ist, ist weg, denke ich mir. Außerdem ist es sinnvoll, zu den ersten zu gehören, die posten – nächste Woche habe ich Urlaub und in der Woche darauf geht es dann wahrscheinlich im Algorithmus unter, wenn alle anderen schon gepostet haben. Also bastele ich aus den Formulierungsvorschlägen einen Text zusammen, füge noch einiges hinzu, tagge alle Beteiligten und poste. Dann lese ich die Abschiedsmail noch einmal, die mir meine aktuelle Chefin gestern spät abends noch geschrieben hat, und beantworte sie. I nd weil ich dann den Laptop schon auf habe, gucke ich noch schnell nach etwas, das meine neue Chefin gestern im Teammeeting erwähnt habe, füge etwas in ein Doc ein, stimme mich kurz mit einer Kollegin ab… Huch, arbeite ich etwa?

Dann schaue ich mir „nur noch kurz“ die Abschlusssession von letzter Woche an, das ist ja quasi Privatvergnügen. Währenddessen schreibe ich mit zwei der Beteiligten, immerhin über private Dinge. Die eine ist gerade nach Madrid gezogen, die andere verbringt die nächsten Wochen im Familiendomizil am Mittelmeer und ich bekomme Reiselust.

Genau in dem Moment ruft der Liebste an. Wir hatten verabredet, heute zu entscheiden, ob wir diesen Sommer wieder nach Kanada fliegen können, trotz des um mehr als 20 % gestiegenen Preises für Flug und Mietwagen. Unabhängig voneinander sind wir beide zu dem Schluss gekommen, dass wir es machen wollen und dann sind wir beide sehr froh und ich drücke auf den „Jetzt buchen“-Knopf. Voller Vorfreude bastele ich eine Insta-Story dazu, untermalt von dem Song, den wir letzten Sommer immer gehört haben hören mussten, sobald der Liebste den Motor angelassen hat: Long Hair Queer von den Vandals.

Dann knurrt mein Magen und ich mache mir ein schnelles, schonköstliches Mittagessen – Gemüsebrühe mit TK-Erbsen, Möhren, Suppennudeln, Eierstich und koreanischer. Chilipaste. Nach dem Essen werde ich müde, aber Noosa schnarcht neben mir so laut, dass ich nicht einschlafen kann. Außerdem ist es gleich 15 Uhr und da wollte ich ja kurz in ein Meeting mit einigen Teamkolleg*innen und einem ehemaligen Kollegen reinschauen. Die müssen bis Donnerstag Abend CST ein umfangreiches Projekt abschließen und eigentlich war ich eingeplant, um bei Bedarf auszuhelfen. Als ich bei dem Meeting auftauche, schimpfen sie aber alle mit mir und sagen, ich solle mich gefälligst auskurieren. So kläre ich nur schnell ein für mich wichtiges Thema an dem Projekt und höre dann nur noch zu, als sie durchgehen, was noch zu tun ist. Schon davon bekomme ich Kopfschmerzen. Am Ende des Meetings sage ich nochmal, dass sie mich im Notfall dazuhocken können, aber sie drohen mir mit „I can already hear the German HR sirens ringing, sign off, Susi!“ und dann gebe ich endlich nach.

Ich schimpfe mit mir selbst, kann aber immer noch nicht ganz abschalten und verfolge weiter den Teamchat und lese eine E-Mail. Dann klappe ich den Laptop mit Wucht zu. Jetzt habe ich noch eine gute Stunde Zeit, bis der Liebste und das Teilzeitkind auf Krankenbesuch vorbeikommen. Ich dusche mich und ziehe mich an, dann döse ich auf dem Bett, bis es klingelt. Das Teilzeitkind musste mit zwei Kugeln Eis bestochen werden, damit es seinen freien Nachmittag opfert, um für eine Stunde Krankenbesuch zwei Stunden Bahn zu fahren. Es schaut sich in der Wohnung um und entdeckt mit Adleraugen eine bereits offene Chipspackung, die ich irgendwann letzte Woche aufgemacht hatte, bevor die Bauchproblematik begann. Ja, es darf sich ein paar Chips nehmen. Jetzt ist es versöhnt.

Der Liebste widmet sich heldenmutig dem Katzenklo und saugt danach die Wohnung, während das Teilzeitkind und ich mich um mein Bett kümmern. Es zieht das Laken ab und hilft mir, die Heizdecke zurück in die Verpackung zu friemeln. Dann ist es schon wieder in der Wohnung unterwegs, während ich die Kissen und Bettdecke von den Bezügen befreie und neue Bettwäsche hole. Großmütig hilft es mir dabei, die Kissen zu beziehen und freut sich, als dabei Federn fliegen. Um die Decke kümmere ich mich selbst und dann sind wir fertig, setzen uns auf die Couch und sprechen über den Urlaub.

Das Teilzeitkind will unbedingt wieder in das Bed & Breakfast mit dem rosa Duschvorhang, wo es Muffins zum Frühstück gab. Und da wir diesmal nicht in dem Hotel mit Pool übernachten werden, müssen wir irgendwo einen anderen Pool auftreiben. Wir schauen uns die Fotos vom letzten Jahr an. Bei jedem Foto von sich bewertet das Teilzeitkind erst einmal, ob es darauf gut oder blöd aussieht und wie die Frisur war. Puh. Dann gibt es aber auch diverse Fotos, wo es sagt, dass es da wieder hin will. Unter anderem in das Freiluftmuseum, wo es einen geschmiedeten Nagel geschenkt bekam, mit seinem Alter drauf. „Diesen Sommer bin ich ja dann schon zehn, da brauche ich doch einen neuen Nagel!“ Und wir müssen wieder die Freunde meiner Eltern besuchen, weil man da so toll im Gazebo auf dem See schlafen kann. „Aber diesmal müssen sie mich beim Kochen helfen lassen, da war ich so traurig letztes Jahr!“ (Es gab Lobster und das Kind wurde aus ihm unbegreiflichen Gründen aus der Küche fern gehalten.)

Dann ist es schon wieder Zeit für den Aufbruch. Ich bringe meinen Krankenbesuch noch zur S-Bahn und habe dabei die ganze Zeit eine Kinderhand in der Hand. Am besten wäre es, wenn ich jetzt einfach direkt mitkäme und nicht erst am Wochenende! Hmm, ja. Nee. Ich will zurück ins Bett. An der Bahn treffen wir zufällig den Lieblingsnachbarn, der gerade aus dem Büro kommt und meine Begleitung auf dem Rückweg übernehmen kann. Praktisch!

Wieder zuhause lege ich mich erschöpft zurück ins Bett und verbringe den Rest des Abends mit TikTok, nur unterbrochen von Suppe warmmachen und Essen, Zähneputzen und einer klitzekleinen Antwort auf eine Rückfrage meiner neuen Chefin, die auf das reagierte, was ich morgens ins Doc eingetragen hatte. Morgen muss und werde ich eine bessere Kranke sein! Achja, der Liebste postet den Vandals-Song in seinem WhatsApp-Status, mit dem Hinweis auf die Urlaubsbuchung. Ich weise ihn auf meine Insta-Story hin. Er attestiert mir präemptives Stockholm-Syndrom und erzählt, dass das Teilzeitkind genervt gefragt hatte, ob wir in Kanada wieder die ganze Zeit diese Hoppe Hoppe Reiter Musik hören werden müssen. Ja, das werden wir wohl…

27.03.2023 – Ein Tag mit richtiger Handlung

Ich wache relativ früh auf und mache aus Gewohnheit erstmal einen Schnelltest, der aber auch am dritten Tag in Folge negativ bleibt. Ich akzeptiere das von nun an als gegeben. Fieber gibt es auch keines mehr, ich bin nur noch „normal“ krank – abgeschlagen, etwas verschnupft, mit Kapriolen schlagendem Bauch. Ich melde mich auf der Arbeit für eine weitere Woche krank (offiziell im System, dann noch in meinem Team und in drei weiteren Arbeitsgruppen), sage im Arbeitskalender ab, sage zwei Physio- und einen Yoga-Termin ab und melde mich vom Stammtisch der Landesgruppe meines Berufsverbands ab, der auch diese Woche stattfindet.

Dann erstmal tief durchatmen und Morgenroutine einleiten – mit dem Liebsten telefonieren, Internet leer lesen, Duolingo und Babbel erledigen und nebenbei den letzten kalten Tee von gestern austrinken. Dann mache ich mir frischen Tee (Zitronenmelisse) und Porridge mit gedünsteten Äpfeln und Zimt, füttere die Katzen und lege mich mit dem Frühstück zurück ins Bett. Zwischendrin habe ich immer einen Blick auf die Uhr, damit ich rechtzeitig aus dem Haus komme, um pünktlich vor Beginn der Akutsprechstunde in der Arztpraxis zu sein.

Ich bin etwas unentspannt und stehe schnell wieder auf, räume um das Bett herum etwas auf, stelle fest, dass die Katzen mal wieder meinen Rucksack markiert haben und schicke ihn durchs Hygieneprogramm der Waschmaschine. Den Rucksack mögen sie nicht, wenn ich den packe, bin ich im besten Fall den ganzen Tag, im schlechtesten Fall mehrere Tage nicht da. Weil ich das inzwischen weiß, packe ich ihn normalerweise immer gleich aus, wenn ich nach Hause komme, und lege ihn oben auf den Schrank, da ist er sicher. Als ich das letzte Mal nach Hause kam hatte ich frisch Covid und wollte nur schnell ins Bett, also lag er auf dem Boden.

Ich stelle eine Tüte mit Müll (hauptsächlich Taschentücher und Schnelltests) an die Wohnungstür, leere den Papiermüll in den leeren Schnelltestkarton aus und stelle den und den Biomüll dazu – den hat eine Woche lang niemand runtergebracht… Dann dusche ich und ziehe mich an. Ich lege mich nochmal kurz aufs Bett und ruhe mich aus, dann wird es Zeit, loszugehen. Ich bringe den Müll weg und laufe los. Langsam, sehr langsam, mit schmerzenden, steifen Beinen. Ich habe aber genug Zeit eingeplant und muss mich nicht hetzen. Unterwegs bringe ich noch zwei Mehrwegdosen zurück ins Restaurant.

Dann ruft ein Kollege an, erkundigt sich nach meinem Befinden und hält mich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden. Ich muss am Anfang Husten und meine Stimme klingt auch danach noch so krank, dass er mich ordentlich bedauert und mich bittet, mich erst einmal ganz in Ruhe auszukurieren. Während des Gesprächs saß ich kurz auf einer Bank in der Sonne, jetzt laufe ich weiter zur Arztpraxis. Dort angekommen bin ich etwa 20 Minuten vor Beginn der Akutsprechstunde als erste Patientin da.

Bevor es losgeht, kommen noch vier andere an, darunter ein Mann ohne Maske, der sagt, er hätte im Rahmen des Streiks sein Gepäck/Handy verloren und müsste in seinem Hotel anrufen (?), er bittet die anderen Wartenden, ob er jemandes Telefon borgen könnte, wird aber von einer Mitwartenden (die mir optisch bekannt vorkommt) geistesgegenwärtig an die Apotheke unten verwiesen. Dann wird uns Einlass gewährt. Plötzlich ist der Mann wieder da und sitzt ohne Maske im Wartezimmer – ich habe eine original verpackte FFP3-Maske dabei und dränge sie ihm gerade höflich auf, als ich auch schon aufgerufen werde.

Meine Hausärztin ist froh, dass ich so schnell wieder negativ bin und die Erkrankung insgesamt wohl harmloser verläuft, als beim letzten Mal. Sie betastet meinen Bauch und lässt mir Blut abnehmen. Außerdem schaut sie sich die Wunde an meinem Finger an, klebt einen Wundverschlussstreifen drauf und weist mich an, das Gelenk möglichst nicht zu bewegen, damit die Wunde besser verheilen kann. Als ich wieder ins Wartezimmer komme, wird die mir optisch bekannt vorkommende Frau gerade aufgerufen. Sie trägt einen bekannten Nachnamen und während ich das hier tippe habe ich gegoogelt und bin mir zu 99 % sicher, dass es sich um eine Schauspielerin handelt. Witzigerweise eine, von der ich gerade Nilz Bokelberg in einem Podcast habe erzählen hören.

Ich verlasse die inzwischen übervolle Praxis und mache mich auf den Heimweg. Ein paar Ecken weiter stelle ich fest, dass der Wundverschlussstreifen abgefallen ist, das muss beim Anziehen passiert sein. Da ich dem Praxispersonal keinen zusätzlichen Stress machen möchte, steuere ich die nächste Apotheke an. Man könne mir solche Streifen verkaufen, aber aufkleben dürfe man sie nicht. Ich kaufe erst einmal und überlege dann, ob ich mir das selbst zutraue, dann rufe ich meinen Bruder an, der um die Ecke wohnt.

Er ist ja im Moment immer noch krank zuhause und hat außerdem aus den letzten Wochen sehr viel passive Verbandserfahrung und außerdem eine Wundschwester, die ihn behandelt. Ich küre ihn kurzentschlossen zum Wundbruder (und mich zur passiven Wundschwester) und er klebt mir einen Streifen auf die Wunde, genau dahin, wo man noch den Abdruck des abgefallenen sieht. Dann mache ich mich wirklich auf den Heimweg und laufe bei strahlendem Sonnenschein unter Kirschblüten langsam nach Hause.

Das Laufen geht jetzt deutlich besser als auf dem Hinweg, anscheinend sind meine Beine eine Maschine, die regelmäßig bewegt werden muss, damit sie rund läuft. Auf den letzten Metern ruft der Liebste an, bewundert meinen blauen Himmel und zeigt mir seinen schneeverregneten (was 13 km so ausmachen).

Endlich wieder zuhause lege ich mich erschöpft wieder ins Bett. Ein paar Minuten später wähle ich mich für eine halbe Stunde in ein Teammeeting ein. Keine gute Kranke, kein Vorbild für die Arbeiterklasse, aber es ist erstens das letzte Meeting für zwei der Anwesenden, die uns Ende der Woche verlassen werden und zweitens ist für den Rest des Teams gerade Land unter und mein Input kann hilfreich sein. Auch hier wieder sind die Kolleg*innen entsetzt, wie krank ich klinge und ich muss versprechen, danach direkt wieder den Rechner zuzuklappen. Allerdings kann ich tatsächlich helfen – ich habe ein fertiges Google Sheet, das nur minimal angepasst werden muss, um uns in der neuen Situation nützlich zu sein. Das mache ich also nach dem Call noch schnell und schicke es rum. Es hätte die anderen viel Zeit gekostet, damit von 0 anzufangen und Zeit habe ich ja gerade genug. Und froh, beim Abschied dabeigesessen zu sein bin ich auch.

Ich klappe den Laptop zu, mache mir ein paar schonköstliche Stullen und rufe hinterher den Liebsten wieder an. Wir telefonieren, bis er von seiner Mitbewohnerin in ein Gespräch verwickelt wird (nachdem sie sich bei mir nach Befinden und Verlauf erkundigt hatte). Ich schaue ein paar Folgen „Suits“ (nochmal von Anfang an), dann ruft der Liebste an, um gute Nacht zu sagen. Dann trage ich mein dreckiges Geschirr in die Küche (gar nicht erst wieder einreißen lassen) und treffe dort auf den Mitbewohner. Zum ersten Mal seit langer Zeit haben wir Zeit und Muße für ein längeres Gespräch mit Katze(n) auf dem Schoß. Danach gehe ich noch fix ins Bad und dann endgültig schlafen. Kurz vorm ins Bett Krabbeln sagt das Fitbit, ich hätte heute 10.000 Schritte gemacht. Rapüüüüüüh.

26.03.2023 – Viren-Pingpong

Nachdem der gestrige Tag so bestimmt von Bauch-Unbill war, ist das Thema beim Aufwachen quasi nicht mehr existent. Dafür kehren nun Schnupfen und Nebenhöhlen wieder zurück ins Bewusstsein. Ach Covid, Du olle Kackbratze! Negativ ist der Schnelltest aber auch heute wieder, ich gebe also dem Mitbewohner Entwarnung und bin wieder ohne Maske in der Wohnung unterwegs.

Allermeist bin ich jedoch weiterhin im Bett. Nach einem Schonkostfrühstück (Porridge mit Banane, gedünstetem Apfel und Zimt) schlafe ich sogar nochmal eine Weile ein. Dann beschäftige ich mich wieder mit den Freuden der elektronischen Unterhaltung. Nebenbei ist der Liebste am Tag vor dem großen Streik im Zug auf der Rückreise aus Westdeutschland – er konnte sich spontan nur noch einen Platz in der ersten Klasse reservieren, da alle anderen gangbaren Züge bereits ausgebucht waren. In der ersten Klasse ist heute dann auch direkt Einlasskontrolle und auch hier ist jeder Platz voll. Der Freundin des Bruders steht später Ähnliches bei ihrer vorgezogenen Pendelei nach Norddeutschland bevor. Aber hey, dafür sind Streiks schließlich da, wenn sie nicht unbequem wären, brächten sie nichts (wobei erste Klasse ja nicht unbequem ist, aber eben teuer).

Ich hole mir in der Zwischenzeit viereckige Augen mit erst einer Doku über Taylor Swift, dann „Valentine‘s Day“, in dem sie eine kleine Rolle hat, dann „A Star is Born“ (Connection: Bradley Cooper. Außerdem wurde neulich im Pub auch „Shallow“ gespielt.) und zum Schluss noch (ohne Connection außer dem Netflix-Algorithmus) „Dessau Dancers“. Dabei gibt es zum Abendbrot nochmal Schonkost (Gemüsebrühe mit Eierstich und Toastbrot).

Zum Abend hin kehrt das Bauchthema zurück. So komme ich auch nicht in Versuchung, ab morgen wieder Bett-Office zu machen, sondern bleibe beim Vorsatz, mich weiter krankschreiben zu lassen und diesmal auch meine Hausärztin draufschauen zu lassen. Schon kurz nach 9 bin ich platt und mache das Licht aus.

25.03.2023 – Negativ, aber

Und plötzlich ist der Schnelltest am Morgen wieder negativ. Ich informiere den Mitbewohner, behalte die Maskenpflicht außerhalb meines Zimmers erstmal noch bei – letztes Jahr hatte ich zwischendurch auch einen Tag mit negativem Schnelltest und am nächsten Tag war er wieder positiv. Trotzdem ist das ein gutes Zeichen. Fieber habe ich auch keins mehr. Statt Erkältungssymptomen haben diffuse Leibschmerzen inzwischen die Oberhand – irgendwas stimmt da drinnen nicht.

Ich beschließe, mal zu gucken, ob etwas Bewegung, frische Luft und Sonne gut tun und ziehe mich erstmals seit Montag wieder richtig (aka Jogginghose, Hoodie, Jacke und Schuhe) an. Als ich draußen stehe, ist die Sonne allerdings schon weitgehend weg. Langsam, ganz langsam, gehe ich los, Richtung Bioladen. Kräutertee und Taschentücher habe ich diese Woche alle gemacht, Quark und Käse fehlen auch.

Ich bin recht wackelig auf den Beinen, die außerdem wie immer nach vielem Liegen wieder sehr steif sind und ein wenig wehtun. Vor dem Bioladen setze ich mich erst einmal kurz auf eine Bank und warte, bis sich mein Puls beruhigt hat. Dann Maske auf, Einkauf erledigen, zurück auf die Bank, Maske ab. Nach kurzem Ausruhen geht es langsam wieder nach Hause. Dort angekommen mache ich mir eine große Kanne Tee mit Kräutern, die gut für den Bauch sind, und lege mich zurück ins Bett.

Im Laufe des Tages wird alles immer unangenehmer und schmerzhafter, mein Inneres krempelt sich scheinbar einmal um und ich muss mehrmals recht plötzlich ins Bad laufen. Ich bin besorgt, rufe einmal sogar die 116117 an, um eine fachliche Einschätzung zu bekommen, ob ich damit noch übers Wochenende komme, oder doch direkt ärztliche Hilfe benötige, aber aktuell sind alle Leitungen belegt. Irgendwann beruhigt sich alles wieder einigermaßen und ich mich dann auch. Gegen 22 Uhr ist Licht aus.

24.03.2023 – Es kommt Bewegung rein

Heute morgen ist der zweite Teststrich plötzlich nur noch ganz schwach. Soll es jetzt wirklich bald vorbei sein mit der Ansteckungsgefahr? Fieber gibt es auch keins mehr (erst abends ein wenig erhöhte Temperatur). Das lässt sich ja erstmal ganz gut an.

Allerdings habe ich seit gestern irgendwie unbestimmtes Bauchgrimmen und meine Verdauung spielt irgendwie verrückt, scheinbar hat sich der/das Virus inzwischen irgendwo bei den inneren Organen zu Schaffen gemacht, jetzt wo mit Schnupfen und so nicht mehr viel zu holen ist.

So richtig Hunger habe ich nicht, aber ein bisschen übel ist mir, also stehe ich auf und gehe in die Küche. Ein, zwei Butterstullen mit Kresse sollen es werden. Es bleibt dann aber bei der einen, denn als ich versuche, die zweite Scheibe Brot abzusäbeln, rutsche ich ab und das Messer in meinen linken Zeigefinger hinein. Erst Schock, dann Schmerz, dann Blutbad in der Küche. Direkt über dem mittleren Gelenk habe ich quasi auch eine Scheibe abgesäbelt – naja, nicht ganz, aber es ist ein beachtlicher Schnitt und es blutet ganz ordentlich. Ich verbringe die nächsten Minuten mit der Hand unter dem Wasserhahn, dann bastele ich mir mit Küchenrolle eine kühlende Kompresse nach der anderen, die alle schnell durchsuppen.

Jetzt kann ich ein bisschen klar denken und strategisch handeln. Ich besorge mir Pflaster aus der Medikamentenkiste und wickle es ohne es zuzuschneiden großflächig um den Finger, um möglichst gut zu schützen, ein wenig Druck auszuüben und Bewegungen des Gelenks einzuschränken. Dann wische ich Blut auf, schmiere wenigstens die eine Stulle und bringe sie zurück ins Bett. Schnell etwas essen, damit der Kreislauf weiter mitmacht. Hui. Das war aufregend. Ich schlafe erst einmal ein wenig ein.

Leider muss ich später auf jeden Fall noch duschen und meine Haare waschen. In meiner neuen Situation gleich noch ein wenig aufregender. Erstaunlicherweise schützt das Pflaster die Wunde tatsächlich vor beißendem Shampoo oder Duschgel und als ich fertig bin, baue ich das gleiche Provisorium noch einmal, ziehe einen frischen Schlafanzug an und lege mich schnell wieder ins Bett.

Kurz danach klingelt es und die 100 Schnelltests, die ich am Wochenende nur durch Zufall bestellt hatte, werden geliefert. Perfektes Timing, denn der heute morgen war der Letzte! Ich mache gleich noch einen und es gibt wieder nur einen sehr schwachen zweiten Strich. Das macht Mut!

Am Abend bestelle ich mir dann Milchreis als Tröst- und Schonkost und wechsle das Pflaster ein weiteres Mal, bevor ich schon kurz nach 10 das Licht ausmache.

Anmerkung: Wie krass es ist, dass ich die Tests bestellt habe, als ich schon infiziert war! Mit leichter Vorahnung, dass der St. Patrick‘s Day nicht folgenlos geblieben sein würde, aber noch ohne Symptome und mit noch ca. 10 Tests im Vorrat. Und überhaupt: Als wir neulich darüber sprachen, ob wir zum St. Patrick‘s Day gehen wollen, war ich die einzige, die Bedenken wegen Covid hatte. Bei dem Gespräch war der Liebste bereits infiziert, aber noch nicht ansteckend. Dann konnte er am Ende nicht mitkommen, weil wegen seiner eigenen Erkrankung die Wochenenden getauscht worden waren und wir gehen zu zweit los. Und nur ich stecke mich an. Zwei Tage darauf sehen wir uns das erste Mal wieder seit obigem Gespräch, da bin ich dann bereits infiziert, aber noch nicht ansteckend. Mind blown.

23.03.2023 – Same same but different

Ein weiterer Kranktag im Bett, mit deutlichem Teststrich und nur abends Fieber. Statt den ganzen Tag mit Chez Krömer zu verbringen, ist diesmal ein Filmmarathon dran. Ein wilder Ritt von Oscar-prämiertem und -nominiertem über deutsche Komödien bis hin zu Schlöndorff. Das ist dann aber schon Film Nummer 6, bei dem ich einschlafe.

22.03.2023 – Ein Schritt voran

Gibt gar nicht so viel zu schreiben, wenn man den ganzen Tag im Bett liegt. Heute ist das Fieber deutlich niedriger und erst gegen Abend wieder nennenswert. So reicht die Konzentration, um alle „Chez Krömer“-Folgen nachzuschauen, die ich noch nicht gesehen hatte. Zwischendurch liefert man mir gratinierte Bruschetta und Spaghetti mit Tomatensauce, die echt lecker sind, von denen ich aber jeweils nur die Hälfte schaffe. (Die Panna cotta geht aber ganz.) Das ist doch kein Zustand!

21.03.2023 – Fieser Tag

Der Dienstag ist bestimmt von Fieber und Gliederschmerzen. Bis irgendwann am Nachmittag habe ich keine große Lust, die Augen längere Zeit aufzuhalten. Ich höre Podcasts und dämmere dabei immer wieder weg und muss dann „zurückspulen“.

Zum Frühstück gibt es Obst und Waffeln, zum Mittag Brot mit Avocado, allerdings wird mir beim Stulleschmieren übel und schwindelig und ich schmecke relativ wenig (liegt aber anscheinend nur am Schnupfen, toi toi toi).

Meine Beine schmerzen wie Hölle, in jeder möglichen Position, die ich aufgrund extrem kuscheliger Katzen auch nicht so gut wechseln kann. Dazu weiter Schnupfen und zunehmend auch Husten.

Am frühen Abend schaue ich mir dann „Marcel the Shell with Shoes on“ (mit Schlafunterbrechung und Zurückspulen) und passend dazu hinterher noch das Netflix-Special von Jenny Slate an. Dann schaffe ich noch ein paar Buchseiten, bevor mir wieder die Augen zufallen und ich mich mit Hilfe verschiedener Podcasts in Etappen durch die Nacht schlafe.