03.03.2023 – Türklingeln und Eskapismus

Der Tag beginnt viel zu früh. Zwei Handwerker sind angekündigt, beide für das Zeitfenster „zwischen 7 und 16 Uhr“ und also klingelt mein Wecker um 6, damit ich rechtzeitig ansprechbar und präsentabel bin und nicht gerade im Bad stehe, wenn es klingelt. Und damit der Mitbewohner, der gemeinhin später aufsteht als ich, auch ausreichend die Chance hat, schließlich müssen beide Handwerker in sein Zimmer.

True to form wache ich natürlich eine Stunde vor dem Wecker auf, kann aber zum Glück nochmal ein wenig wegdösen, bis er wirklich klingelt. Zehn vor 7 bin ich angezogen, gekämmt und habe die Zähne geputzt und mein Bett gemacht. Dann lese ich weiter im Internet herum und frage mich, was der Plan des Mitbewohners wohl ist. Gar keiner, stellt sich heraus. Sein Wecker klingelt wie üblich halb 8, da haben der erste Handwerker ihn schon wachgeklopft. Der Handwerker ist übrigens derselbe, der auch schon vor Jahren wegen der gleichen Thematik hier war. Ich erkenne ihn direkt wieder und er läuft auch direkt freudestrahlend auf Nimbin zu und knuddelt ihn.

Während er zugange ist, telefoniere ich mit dem Liebsten und koche Kaffee. Dann denke ich über den bevorstehenden Arbeitstag nach. Ich stelle fest, dass der Tag im Bettoffice mir geholfen hat und es mir körperlich deutlich besser geht. Allerdings ist es auch Freitag und das wäre ja auch irgendwie Quatsch, da jetzt extra an den Schreibtisch zu gehen. Ich beschließe, auf Nummer sicher zu gehen, und gemütlich vom Bett aus zu arbeiten. Also gibt es wieder ein Frühstückstablett – Kaffee und aufgewärmte Kirsch-Wareniki von gestern – und gerade als ich loslegen will, klingelt der zweite Handwerker.

Der ist zwar neu hier, aber auch ein großer Katzenfreund. Wir klopfen dann auch wieder den Mitbewohner aus dem Schlaf, der sich direkt wieder die Decke über den Kopf zieht, als wir in seinem Zimmer fertig sind. Als der Handwerker geht und ich wirklich mit dem Arbeiten anfange, stelle ich fest, dass mein einziges Meeting des Tages abgesagt wurde. So habe ich auf jeden Fall genug Zeit für zwei größere strategische Aufgaben, die Nachdenken und Kreativität benötigen.

Unterbrochen werde ich dabei zweimal von spontanen Zoom-Meetings, einmal vor DHL-Boten, einmal von Biokisten-Lieferanten, diverse Male durch Chatnachrichten… In der Mittagspause esse ich die aufgewärmten Pelmeni und Kartoffel-Wareniki von gestern und ab dem Nachmittag zieht sich der Arbeitstag dann seeeeeeehr. Als ich alle wichtigen Aufgaben hinter mir habe, klappe ich den Laptop zu.

Dann gibt es erstmal noch Aufregung wegen des Fotos eines positiven Schnelltests, ich dachte ja, wir hätten dieses ganze Drama dann jetzt irgendwann auch mal hinter uns. Aber nein, plötzlich ist wieder 2020-22 und Testsensitivität, Anlaufstellen für PCR-Nachtestungen und „wo kriegt man am Wochenende Paxlovid her“ drehen sich in meinem Kopf. Ein zweiter Schnelltest bleibt dann vorerst negativ, Aufschub des Dramas auf morgen früh.

Im Laufe des Tages trudelte die Nachricht ein, dass Anja Caspary nicht mehr Musikchefin bei radioeins sein wird. Ich falle in ein eskapistisches Wikipedia-Loch, kaufe mir dann ihr Buch „In meinem Herzen steckt ein Speer. Das Jahr das alles veränderte“ als eBook und lese die erste Hälfte noch im Bett liegend, die zweite Hälfte dann in der Badewanne. Das Buch ist kurz und trotz furchtbar schwerer Thematik liest es sich sehr flüssig, nach insgesamt guten drei Stunden bin ich damit durch.

Dann geht es aus der Wanne aufs Sofa. Im Fernsehen läuft der deutsche ESC-Vorentscheid, auf dem Handy laufen Mastodon, Google und Handyspiele. Ich snacke einen Rest philippinischer frittierter Maiskörner mit „Chicken“-Geschmack und bin dann nach dem Durchlauf aller acht Bewerbersongs so müde und uninteressiert am Ergebnis, dass ich ins Bett gehe.

Nach ein paar Seiten „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ falle ich in einen tiefen und (Spoiler, haha) nicht allzu langen Schlaf.