Ich war schon wieder vor 7 wach und lese erstmal das Internet leer, bis des Liebsten Wecker klingelt und er Kaffee bringt. Das Teilzeitkind wird um 9 abgeholt, wir bleiben noch bis halb 11 liegen. Dann deckt der Liebste den Frühstückstisch, während ich die beiden kleinen Waldmeistersträußchen, die ich gestern Mittag aufgehängt hatte, in die beiden Mate-Flaschen, die ich vorgestern gesäubert hatte, hänge und eine Flasche Riesling auf die beiden Flaschen verteile. Dann kommen jeweils noch 100 ml Sekt hinzu und das Ganze bleibt während des ausgedehnten Frühstücks so stehen.

Beim Essen unterhalten wir uns über den ersten Mai, über Berliner Lokalpolitik, Beziehungsdynamiken zwischen uns (Ich glaube ich war noch nie in einer so entspannten Beziehung, was diese Art Gespräche angeht.) und unsere Pläne für den Tag. Als wir gerade fertig sind, kam die Mitbewohnerin des Liebsten von ihrem Spanienurlaub zurück und erzählt uns noch ein wenig von ihrer Reise. Dann machen der Liebste und ich uns ausgehfein, der Waldmeister landet im Biomüll und die Flaschen werden mit etwas Wasser aufgefüllt und zugeschraubt. Sie kommen mit einem weiteren Piccolo Sekt und einem Bier in den Beutel. Ich leihe mir eine Sonnenbrille vom Teilzeitkind (die ihm zu groß ist) und dann fahren wir mit der U-Bahn nach Kreuzberg.
Am Kotti treffen wir die beste Freundin des Liebsten und überreichen ihr eine Bowle. Ich nehme die zweite und der Liebste den Piccolo. Die Freundin verteilt noch metallene, goldfarbene Strohhalme und dann flanieren wir durchs Geschehen. Zwischendurch setzen wir fußlahmen Mädels und eine Weile auf eine Bank am Oranienplatz, während der Liebste schnell bei meinen Eltern vorbeigeht, um meinen Schlüssel abzuholen, den ich gestern dort vergessen hatte. Dann ziehen wir zu dritt weiter zum Mariannenplatz, wo wir auf weitere Freundinnen des Liebsten samt Anhang treffen.
Wir besorgen weitere Getränke und Chips und lassen uns dann auf dem Rasen nieder. Ich war ja am 1. Mal noch nie in Kreuzberg, obwohl ich seit 15 Jahren in Berlin lebe. Meine Traditionen sind da andere und oftmals war ich gar nicht da, weil eben Hexenbrennen oder Tanz in den Mai angesagt war. Nachdem ich aber nun gestern den Abend mit lauter Ossis verbracht habe, die mit dem 1. Mai eher andere Demonstrationen etc. verbinden, bin ich heute nun unter Wessis, die aus dem Westen nach Kreuzberg gezogen sind und für die der 1. Mai Kultstatus hat. Ich finde es recht klischeehaft, als jemand mit dem Fahrrad vorbeifährt und aus seinen Lautsprechern „Keine Macht für Niemand“ dröhnen lässt, für die anderen gehört es genau so.
Neben uns fängt eine Musikduo an zu spielen – mit Congas und Drums zu Musik vom Band. Wir sitztanzen zu „In da Club“, „Freestyler“ und Punjabi MC und amüsieren uns gut. Nach dreieinhalb Stunden Menschengewimmel bricht der Liebste auf an den heimischen Rechner und ich fahre zurück nach Hause. Bereits unterwegs beginne ich die Überlegungen zum Abendessen, aber irgendwie ist der Wurm drin und ich entscheide mich erst bei einer „Feierabend“-Limo (Wostock Dattel-Granatapfel) auf dem Balkon für Wareniki mit Sauerkraut und Sirniki, die ich mir dann liefern lasse.
Ein Kollege hat meine Instastory von der Band gesehen und schreibt mir, dass er auch am Mariannenplatz war. Zum Beweis schickt er ein Foto, auf dem ich mich und meine Begleitung entdecke. Ist aber Zufall, gesehen hat er mich nicht. Wir amüsieren uns über die Dorfigkeit Berlins.
Ich verbringe den Abend mit Essen, Katzen kuscheln und „Workin‘ Moms“ gucken, dann geht es in die Badewanne und gegen halb 11 ist Schlafen angesagt.