10.05.2023 – The longest day

Gestern erzählte ich den Freundinnen auf dem Weg zur S-Bahn noch, dass die Katzen mich jede Nacht mindestens einmal wecken, weil ihnen langweilig ist und dass ich froh bin, wenn was vor 5 Uhr passiert, weil ich dann nochmal einschlafen kann, ansonsten bleibe ich oft wach. Prompt wecken mich die Katzen heute kurz vor 5 und ich kann nicht wieder einschlafen. Möglicherweise bin ich aufgeregt vor dem langen Tag, vielleicht auch, weil mein Laptop im Büro ist und ich damit komme was wolle ins Büro muss und das alles schon wieder so viel logistischer Aufwand ist, der durch meinen Kopf wabert.

Jedenfalls gebe ich irgendwann das wieder Einschlafen auf und beginne mein übliches Morgenprogramm. Beim Anziehen denke ich, ich müsste heute etwas seriöser aussehen als das Indiemädchen, das ich gestern war, schließlich habe ich heute einen wichtigen Außentermin. Ich ziehe an, was mir dazu und zum Wetter passend erscheint und muss dann doch lachen, weil ich in Sneakers, Leggings, Flatterkleid, Ringelshirt und Trainingsjacke vor dem Spiegel stehe. Ringelshirt und Trainingsjacke, mehr Indiemädchen geht gar nicht. Aber ist egal, für den Außentermin geht das so. Dafür nehme ich eine Handtasche mit statt des Turnbeutels von gestern Abend, das muss an Seriosität reichen.

Das Müsli muss heute in einem Glas mit, denn auch mein Müslibecher ist ja noch im Büro. Außerdem habe ich meine Sporttasche für den Abend dabei, eine Mate für den Weg und Papier- und Restmüll für den Müllplatz, als ich die Wohnung verlasse. Muss insgesamt ein interessanter Anblick sein. Nachdem ich den Müll losgeworden bin, telefoniere ich auf dem Weg zur Tram mit dem Liebsten. In der Tram recherchiere ich etwas für ihn und schicke ihm zwei Links, dann ist das schonmal erledigt.

Kurz vor 9 bin ich dann im Büro, wo es heute voller wird als gestern, dafür aber nur ein Meeting ansteht. Ich komme also erstmal wieder ganz in Ruhe dazu, meine eingeschlossenen Sachen von gestern hervorzuholen, meinen Arbeitsplatz einzurichten, mein Müsli zuzubereiten, meine Wasserflasche aufzufüllen und an der Kaffeemaschine einen ausführlichen Plausch mit Kolleg*innen zu halten – über Stadtnatur, koreanische Fernsehserien und andere wichtige Dinge.

Dann lese ich Müsli löffelnd und Cappuccino trinkend meine E-Mails, arbeite am Großprojekt weiter, stimme mich dazu mit Leuten vor Ort ab, schicke eine Rundmail zu Gesundheitsangeboten, beantworte Fragen von Kolleg*innen, die auf dem Weg zum Klo alle an mir vorbei müssen, beantworte Fragen von Kolleg*innen über Chat, schreibe eine E-Mail an ein globales Team… Um 13:30 Uhr starte ich in meine Mittagspause und da keine*r der Kolleg*innen vor Ort zeitgleich Zeit und Hunger hat, nutze ich die Gelegenheit mal für etwas Abwechslung und fahre direkt mit der U-Bahn in Richtung meines Außentermins. Im Foodcourt der Mall am Leipziger Platz hole ich mir eine Pokébowl mit Lachs, die ich dann am Potsdamer Platz draußen sitzend verspeise. Idyllisch ist anders, aber wenigstens bewegt sich hier die Luft, anders als in der Mall.

Als ich fertig bin, spaziere ich rüber zum Termin und habe dort noch eine gute Viertelstunde, um auf einer Bank zu sitzen und in mein nicht-Diensthandy zu schauen. Dann trudeln nach und nach die anderen Teilnehmer*innen ein, einige kenne ich, andere noch nicht. Wir smalltalken und gehen dann nach drinnen in einen Seminarraum, wo die nächsten gut anderthalb Stunden eine Präsentation mit Q+A-Session stattfindet. Einer der Präsentierenden spricht sehr langsam, das ist in Kombination mit meinem verdauenden Magen und dem Umstand, dass ich zu diesem Zeitpunkt nach weniger als 5 Stunden Schlaf schon mehr als 10 Stunden wach bin etwas unglücklich, ich werde sehr müde, und muss meine ganze Kraft aufbringen, das nicht zu zeigen und trotzdem konzentriert zuzuhören. Zum Glück sind die anderen Präsentierenden und die Fragen der Zuhörenden lebhafter, so komme ich insgesamt gut durch.

Als der Termin vorbei ist, muss ich mich sputen, zurück ins Büro zu kommen, für das einzige Meeting des heutigen Tages. In der U-Bahn telefoniere ich mit dem Liebsten, ansonsten marschiere ich flinken Fußes und komme nur 4 Minuten zu spät zum Meeting mit einem Teil meines Teams. Dieser Teil hat heute sozusagen Großkampftag und es gilt, letzte Dinge abzusprechen und den Zeitplan zu koordinieren. Zum Glück habe ich meine Aufgaben dazu schon gestern abgeschlossen und kann mich da heute weitestgehend rausnehmen. Als das Meeting vorbei ist, ist es 18 Uhr und ich bin die letzte im Büro. Ich beantworte, was während meines Außentermins aufgelaufen ist, schreibe eine Zusammenfassung meiner Erkenntnisse des Termins für mein Team und packe dann alles zusammen, was ich in den letzten beiden Tagen ins Büro getragen habe und verteile es sinnig auf Laptoprucksack und Sporttasche.

Ich verlasse das Büro voll bepackt gegen 20 vor 7 und fahre mit der S-Bahn ins Fitnessstudio. Auf dem Weg esse ich den Schokoriegel, den ich gestern in der Mittagspause gekauft und dann vergessen hatte und telefoniere mit meinen Eltern. Es gibt halbgute Nachrichten aus dem Gesundheitsbereich und das ist ja immerhin schon mal besser als schlechte. Im Fitnessstudio angekommen habe ich Mühe, all meine Habseligkeiten im Spind unterzubekommen, aber irgendwie geht es und ich bin pünktlich 5 Minuten vor Kursbeginn im Wasser. Die Musikauswahl des heutigen AquaFitness-Kurses ist extrem gut, nur habe ich Mühe, meine diversen Gliedmaßen und die verschiedenen Bewegungsabläufe zu koordinieren und gleichzeitig korrekt mitzusingen. Irgendwas ist ja immer. Der Kurs ist gut und genau richtig anstrengend.

Nach den 45 Minuten lasse ich mich noch kurz im Wasser treiben und schüttele mich aus, dann geht es direkt weiter in die Sauna. Ich liege erst über die volle Sanduhrzeit von 15 Minuten in der weniger heißen Sauna, die ich über einen großen Teil sogar für mich alleine habe. Einmal kommt ein Mann rein und geht direkt wieder, als er mich alleine da sieht. Ich unterstelle in diesem speziellen Fall mal ein anderes Schamgefühl wegen Migrationshintergrund. Später kommt dann eine Gruppe von Männern dazu und bleibt. Immer wieder interessante Sozialstudien da.

Nach dem Saunagang brause ich mich kalt ab und ruhe mich kurz in einem Liegestuhl aus, dann geht es noch einmal in die ganz heiße Sauna, die heute auch leerer ist als sonst, was mir erlaubt, eine Stufe höher zu sitzen als sonst. Nach 5 Minuten ist mein Puls bei 140 und da es gerade wieder voller wird, nutze ich die offene Tür, um rauszugehen. Irgendwie traue ich mich noch nicht richtig, da aufs Ganze zu gehen. Ich brause mich kalt ab und gehe dann direkt in die Damenumkleide, wo ich dusche, mich anziehe, die Badesachen durch die Trockenschleuder jage und mir die Haare föhne.

Kurz nach 9 mache ich mich zu Fuß und mit der S-Bahn auf den Heimweg. Zuhause angekommen bekommen erstmal die Katzen ihr Abendessen, dann hänge ich die nassen Sachen auf und packe meinen Rucksack aus. Zum Abendbrot mache ich mir eine Frittata mit Mozzarella, die ich in Bärlauchbutter brate und dazu gibt es Tomatensalat und eine Orange-Vanille-„Feierabendlimo“.

Um 22 Uhr gibt es Essen und ein weiteres Telefonat mit dem Liebsten. Danach hänge ich auf dem Sofa rum und schaue mit Nimbin und Noosa Katzenvideos auf TikTok, bis um 23 Uhr der Call anfängt, für den mein Team in den letzten Tagen so viel vorbereitet hat. Im Vorfeld bekomme ich ständige Benachrichtigungen, weil To Do‘s fällig werden, die sind aber alle für andere Kolleg*innen, ich bin nur mit auf dem Verteiler. Der Call geht bis kurz nach halb, dann klappe ich den Laptop endgültig zu, trinke noch meine Limo aus und mache mich bettfertig. Kurz vor Mitternacht heißt es Augen zu, nach mehr als 19 Stunden Aktivität.