Die Nacht war kalt und laut und von wenig echtem Schlaf gekennzeichnet und dann wird es dafür aber schon wieder gegen halb 8 relativ warm im Zelt und geräuschvoll auf dem Zeltplatz. Ich gebe das Schlafen vorerst auf und versuche mich an meiner Morgenroutine. Der Empfang ist schlecht, ich kann nur mit Mühe das Internet leer lesen und bloggen. Der Liebste und ich kommunizieren ausnahmsweise mit SMS. Die Sprach-Apps gehen gar nicht – zum Glück habe ich einen Streak Freeze, so dass meine über 500 Tage nicht gestört werden.
Als es im Zelt dann wirklich zu heiß wird, setze ich mich auf meiner Picknickdecke nach draußen und frühstücke. Es gibt Beerenporridge mit H-Milch und einen Apfel. Dann gehe ich Zähne putzen und mich waschen und ziehe mich für den Tag an. Rund ums Zelt ist es jetzt knalleheiß – ich suche mir jetzt ein schattigeres Plätzchen, das ich auf dem Marktplatz an der Bühne finde. Hier moderieren der wunderbare Sam Vance-Law und eine Frau, deren Namen mir nicht einfällt, eine sehr lustige Frühstücksrunde und interviewen verschiedene Immergut-Mitarbeiter*innen und die Band AZE von gestern. Ich hole mir einen Rooibos-Eistee mit Passionsfrucht in meinen Becher und habe viel Spaß.

Nach der Frühstücksrunde breite ich meine Picknickdecke im Halbschatten abseits der Bühne aus und lege mich hin. Auf der Bühne diskutieren Menschen über den Nutzen von Social Media für Musiker*innen. Ist ja fast wie ein Podcast! Da kann ich mich gut nochmal auf die Seite drehen und einschlafen. Als ich wieder wach werde, hat sich der Platz ganz schön gefüllt und ich bin immer noch müde. Ich hole mir einen Spritzring vom Bäckerstand und kehre nochmal zum Zelt zurück. Das ist inzwischen nicht mehr komplett in der Sonne und nur noch angenehm warm. Ich lege mich rein und lese und schlafe nochmal ein.
Gegen 15 Uhr macht das Festivalgelände wieder auf. Ich wechsle von Flip Flops auf Socken und Sneakers, packe meine warmen Sachen in den Beutel und stürze mich ins Geschehen. Als erstes hole ich mir ein veganes Gyros im Brot und setze mich dann damit vor den Birkenhain, wo Carla Kaspari aus ihrem Buch „Freizeit“ vorliest. Danach spielt auf der gleichen Bühne Philine Sonny entspannten Gitarrenpop, zu dem ich gemütlich weiter lesen kann. Mir fällt auf, dass dieses Festival ein sehr ausgewogenes Geschlechterverhältnis hat – zumindest für mein Gefühl, gezählt habe ich nicht.
Als nächstes liest El Hotzo aus seinem Roman „Mindset“, was erwartbar lustig ist. Ich hole mir dazu einen Cold Brew, um wieder richtig wach zu werden für den Rest des Tages. Dann wird die Main Stage endlich eröffnet und von Uche Yara aus Österreich gerockt. Macht viel Spaß und das liegt nicht an der Weißweinschorle, die ich mir eben geholt habe. Im Publikum entdecke ich einen Bekannten samt Freundin, Sohn und Schwester und mir fällt siedendheiß ein, dass ich ein T-Shirt seiner Band trage, die schon seit Jahren aufgelöst ist. Auf Mastodon sagen die Leute, das wäre doch super, ich finde es eher ein bisschen peinlich – zumal ich auch nicht weiß, wie die verschiedenen Mitglieder inzwischen zueinander und zur Band stehen (den Gitarristen begrüße ich etwas später auch noch, da ist es aber schon etwas kälter und ich habe eine Jacke drüber).
Am Birkenhain spielt dann Ron Gallo – kann man gut hören und dabei weiter lesen. Ich komme heute ordentlich mit meinem Buch weiter und finde das in Kombination mit der Musik und der Stimmung einen ganz fantastischen Zeitvertreib. Bei Zimmer 90 auf der Mainstage treffe ich dann besagten Gitarristen und einen weiteren Bekannten, den Co-Geschäftsführer von meinem Lieblingsnachbarn. Dann wird die Zeltbühne von Bulgarian Cartrader eröffnet, der aber seinen großen Hit relativ am Anfang spielt und danach nicht mehr ganz so spannend ist. Ich hole mir einen Crêpes mit Apfelmus und treffe direkt danach auf das Geburtstagskind, das ich ja gestern schon gesehen hatte und gratuliere natürlich.

Dann geht es zu Dilla auf die Mainstage, wo ich insgesamt drei weitere Bekannte treffe. Hinterher spielen John Moods im Zelt und das ist jetzt der erste Act, der mir so gar nicht zusagt. Der Vibe erinnert mich an eine 80er-Jahre-Softrock-Band, die auf Hochzeiten spielt, aber dabei aussieht wie eine 70er-Jahre-Hippie-Rockband. Einige Songs fangen vielversprechend an, versanden dann aber zu Brei, bevor sie richtig loslegen. Das Zelt ist dementsprechend relativ leer und uninspiriert, aber draußen ist es inzwischen dunkel und kalt und so bleibe ich trotzdem drinnen.
Dann geht es aber wieder nach draußen, wo alles auf den Main Act Casper wartet. Ich laufe direkt einem ehemaligen Kollegen in die Arme, der mit seinen beiden größeren Kindern (10 und 12) da ist, die jetzt, kurz vor Mitternacht, immer noch total steil gehen und Party machen. In guter alter Tradition schaue ich mir den ersten Teil des Sets an und verschwinde dann Richtung Zelt. Amüsiert stelle ich fest, dass die Nachtigall sich nicht abhalten lässt, gegen die Lautstärke-Übermacht von Casper anzusingen.
Diesmal bereite ich mich besser vor: Ich lasse den Wollpulli an, verteile die Fleece-Decke sorgfältig im Schlafsack, lege die Picknickdecke oben drüber und als Casper fertig ist, dengele ich mir die Oropax tief in den Gehörgang und kuschele mich gemütlich ein. Funktioniert, diese Nacht schlafe ich sehr viel besser und friere kaum!