Heute trat dann tatsächlich der Ernstfall ein: Mittags und abends wurden jeweils drei Gänge gegessen. Dafür haben wir das Frühstück ausfallen lassen und zwischendurch “nur noch” ein Eis gegessen. Ich fürchte, nach unserer Rückkehr leben wir ein paar Wochen erstmal nur von Wasser und Brot, sowohl aus biologischen, als auch aus pekuniären Gründen…
Heute morgen sah San Benedetto ohne den Regen schon deutlich einladender und idyllischer aus als gestern und ich war fast traurig, dass wir keine Zeit hatten, die Wanderung zum Wasserfall eben heute anzutreten. Das kommt davon, wenn man die Übernachtungen im Voraus bucht: Einerseits verzettelt man sich unangenehm, andererseits ist man eben ein wenig unflexibel, wenn das Wetter nicht mitspielt. Egal. Wir fuhren ohne Frühstück und auf verschlungenen Pfaden (das Navi ist manchmal etwas kreativ in der Auslegung von “Straßen” erst die Berge hinunter und dann wieder hinauf – nach San Marino nämlich, die älteste Republik der Welt und unser “neues Land” für dieses Jahr. Auch diesen Grenzübergang bemerkte man kaum, nur hatten auf einmal die Autos andere Kennzeichen und die Damen und Herren von der Polizei hießen anders und trugen andere Uniformen.
Hoch oben in San Marino Città gab es für uns nicht nur wundervolle Ausblicke – immerhin Unesco Weltkulturerbe – sondern auch großartiges Essen. An der Piazza della Libertà hat Sternekoch Luigi Sartini sein Restaurant im ersten Stock – und dankenswerterweise auch eine preiswertere Osteria mit lokalen Spezialitäten für den schmalen Geldbeutel im Erdgeschoss. In dieser nahmen wir Platz und ließen uns – laut Lonely Planet – sanmarinesische Küche schmecken. Als Antipasto teilten wir uns verschiedene Cassoncini, frittierte Teigtaschen mit Käse, Feldkräutern, Squaquerone und Anchovi, Zwiebel und Salsiccia bzw. sautiertem Mangold. Beim Hauptgang entschied sich der Hase für die Passatelli mit Thymian und Pilzen und ich mich für den schwarzen Reis mit Kichererbsen, Pilzen, gratiniertem Gemüse und noch mehr Mangold. Beim Nachtisch streikte der Hase dann, ich hingegen genehmigte mir Vanilleeis mit Pfirsichen in Rotwein und Pistazien-Waffel. Den Kaffee nahmen wir hingegen beide dankend an, es hatte ja schließlich kein Frühstück und damit auch keinen Kaffee gegeben.
Nach dem Essen spazierten wir noch ein wenig durch San Marino und amüsierten uns über die Vorliebe der Einheimischen für Frauenstatuen mit nackten Brüsten. Dann stiegen wir wieder ins Auto und fuhren den Berg hinab – und später wieder hinauf – nach Urbino. Damit haben wir nun die Region Marche erreicht, auch für mich zum ersten Mal. Morgen verlassen wir sie zwar schon wieder, aber wir kommen im Laufe der Reise nochmal ausführlich zurück. Urbino ist vor allem als die Stadt der Renaissance bekannt. Im 15. Jahrhundert holte der damalige Herzog Federico da Montefeltro Künstler und Wissenschaftler in die Stadt und umgab sich so mit herausragender Kunst und Kultur und einer bedeutenden Universität. Außerdem ist Raffaello hier geboren, also weder die Praline noch der Turtle, sondern der Maler, nachdem beide heißen. Mir war Urbino vor allem als der Ort bekannt, an dem Luisa die Sommer ihrer Kindheit verbrachte und von dem ich von ihr schon viel gehört und gelesen habe. Ich weiß nicht mehr, ob sie die Gelateria empfohlen hatte, oder ob sie über den Reiseführer auf meiner To-Do-List gelandet war, aber jedenfalls holten wir uns bei unserer Passegiata durch Urbino ein köstlich-cremiges Eis.
In Urbino war dieses Wochenende ein großes Fest zu Ehren des Bio-Lebensstils und von ganzheitlicher Wellness. Ist also auch in Italien ein Trend. Wir freuten uns dabei besonders über den kleinen Markt, über den wir schlenderten, aber auf dem wir weder kosteten noch kauften. Außerdem interessant: Ein Laden für Cannabis-light-Produkte. Die sind in Italien gerade voll der Renner. Dank einer Lücke im Gesetz ist der Verkauf von Cannabis bis 0,2% THC erlaubt. Der Konsum hingegen nicht. Trotzdem boomt das Geschäft und auch Urbino hat einen Laden mit einer großen Auswahl direkt im Schaufenster.
Kurz nach Ablauf unserer Parkuhr, aber bevor dies jemand bemerkte, verließen wir dann Urbino in Richtung unseres heutigen Agriturismo, der weitab der Straße und inmitten von Natur liegt. Auf dem Weg dorthin sahen wir, wie Polizisten ein Auto angehalten hatten. Dessen Fahrer entpuppte sich später als Mitarbeiter des Agriturismo und unser Kellner für den heutigen Abend. Außer uns und einer weiteren Gästegruppe ist heute vor allem eine große Familienfeier hier vor Ort, die das komplette Restaurant einnahm. Wir und die anderen Gäste bekamen daher Tische direkt im Treppenhaus, ruhig aber rustikal. Dafür war die Speisekarte dann aber so überzeugend, dass wir entgegen unseres Vorsatzes, nur etwas leichtes zu essen, doch wieder schwach wurden und ein zweites Mal heute zum Menü griffen.
Als Vorspeise hatte ich einen hervorragenden Rindertartar mit Granatapfelsauce, gerösteten Haselnüssen und wildem Fenchel, während sich der Hase durch verschiedene Aufschnitt- und Käsesorten probierte. Dann gab es für ihn ein Perlhuhn nach Jägerart – das bedeutet hier: mit Pilzen, Rotweinsauce und Oliven – und diesmal für mich die Passatelli, mit Kichererbsen und Speck. Zum Nachtisch entschied ich mich für ein raffiniertes Tiramisù mit Pistaziencreme und der Hase schlemmte eine göttliche gekühlte Panna Cotta mit heißer Brombeersauce. Wir hätten trotz voller Mägen definitiv nochmal die doppelte Menge des Desserts essen können, so großartig war das. Und das ist dann eben wieder der Vorteil von langfristiger Planung: Man hat Zeit, zu vergleichen und sich das absolut Beste vom Besten auszusuchen…
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