Es ist mal wieder der 5. und wie jeden Monat fragt Frau Brüllen wieder: WMDEDGT? Ich habe heute auf Ibiza Hippie-Watching betrieben…
Nach einer sonnenbrandbedingt etwas unruhigen Nacht wachen die Twencousine und ich so gegen 8 Uhr in unserem AirBnB-Zimmer in Eivissa auf. Etwa eine Stunde später sind wir beide abmarschbereit, das dauert vor allem deshalb so lange, weil mit uns noch eine wechselnde Anzahl anderer AirBnB-Gäste plus ab und zu auch der Gastgeber in diesem (wunderschönen und toll gelegegen!) Apartment haust, es aber nur ein Bad gibt. Kurz nach 9 sitzen wir dann jedenfalls in einem Café an der Flaniermeile Vara de Rey und ich bestelle mir das perfekte Frühstück: Churros mit heißer Schokolade und einen großen frisch gepressten Orangensaft.
Während ich in diesen Köstlichkeiten schwelge, starrt die Twencousine fasziniert auf einen süßen Welpen am Nachbartisch (sie ist eine Hundenärrin). Als dessen Besitzerin mal kurz verschwinden muss, bekommt sie die ehrenvolle Aufgabe, den Hund namens Cor zu beaufsichtigen und löst diese mit Bravour – Streicheleinheiten gegen freundliche Knabbereien an den Cousinenfingern.
Als Cors Frauchen zurück ist, nehmen wir dann den Bus nach Es Canar, einem kleinen Badeörtchen etwas die Küste hinauf, das für seinen jeden Mittwoch stattfindenden “Hippie-Markt” bekannt ist. Ibiza war ja schon weit vor der aktuellen Elektro-Party-Szene eine Hochburg der Subkulturen und besonders der Norden ist auch heute noch von den Hippies geprägt, die seit den 60ern ihr Lager hier aufschlugen.
Allerdings hat der Hippie-Markt, oder wie hier geschrieben “Hippy Market” (sic) nicht mehr viel von authentischer Hippie-Kultur. Die Subkultur wird zum Tourist:innen-Ereignis und alle paar Meter hört man Leute im breitesten süddeutschen Dialekt miteinander reden. Das reißt uns dann auch regelmäßig aus der entspannten Urlaubsstimmung heraus. Ich frage mich auch, wie viele der Tourist:innen, die hier im knalligen Ganzkörper-Batik-Outfit herumlaufen, zuhause auch so herumlaufen und wie viele von ihnen sich zuhause wieder in massentauglichere Alltagsklamotten schmeißen, die BILD lesen und AfD wählen… (Ja, der Satz “Isch guck mal, ob isch ne BILD-Zeitung finde.” fiel vor ein paar Tagen in unserer Hörweite.) Angesichts der Mehrzahl des Publikums ist dieses Foto leider sehr treffend:
Es ist aber nicht alles schlecht und neben allerlei Tand und Tinnef gibt es dann doch auch einige Stände mit schönen Waren und authentisch wirkenden Verkäufer:innen und Kund:innen. An solchen kaufe ich mir dann einen mangogelben Pareo mit türkisfarbenen Eidechsen drauf, die Cousine schlägt bei Schmuck und Hunde-Equipment (natürlich!) zu und als wir einen Stand mit handgemachten peruanischen Schuhen aus Baumwolle mit traditionellen Mustern und Sohlen aus recycletem PVC vorbeikommen, werden wir sogar beide fündig.
Voll bepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen besteigen wir einen Bus nach Santa Eulalia des Rio, wo wir in einen weiteren nach San Carles umsteigen. Dort befindet sich die Bar Anita, die sich als zentrale Anlaufstelle für alle Hippies bewährt hat, die im Norden von Ibiza relativ abgeschieden leben und die Bar als ihre Postadresse benutzen – der eine oder andere von ihnen bezahlt seine Rechnung gerne in Kunstwerken, so dass die Wände des gemütlichen Lokals voll hängen.
Hier gibt es laut der Twencousine das beste Allioli (katalanische Schreibweise) der Welt, was natürlich sofort überprüft werden muss. Und wirklich, es ist verdammt lecker! Die Oliven auch, was mich sehr freut, denn da die Cousine diese nicht mag, hab ich sie ganz für mich allein.
Zum Hauptgang gibt es dann ausnahmsweise mal nichts Spanisches, sondern kubanischen Reis mit Ei, Bacon, Bananen und Tomatensauce. Ist ganz OK, aber ich bin dann doch traurig, dass ich mich nicht an die lokalen Gerichte getraut habe. Das auf Foursquare hochgelobte Gericht mit rotem Reis, Pute und gegrillten grünen Tomaten fand ich nicht auf der Karte und bei den Fisch- und Fleischgerichten steht jeweils nur die Hauptkomponente da, die mich weniger interessiert als die eventuellen Beilagen. So habe ich gekniffen und schaue dann nur neidisch auf die Teller an den Nebentischen, die durchaus appetitlich aussehen. Bis wir am Sonnabend wieder abfliegen, muss ich auf jeden Fall nochmal authentische ibizenkische Küche ausprobieren (was in einem Touristenort wie Eivissa nicht ganz trivial ist: Überall gibt es italienische Restaurants, Burger, Sandwiches, Sushi und Tapas, aber die Restaurants mit lokaler Küche sind rar gesät und sehr sehr klein – als wir am ersten Abend zu einem wollten, stand schon zehn Minuten bevor es um 20:30 Uhr aufmachte eine lange Schlange davor.
Wenigstens zum Nachtisch wird es dann doch noch ibizenkisch – zum Kaffee gibt es Flao, einen Käsekuchen mit Minze und Thymian und hinterher Hierbas, den hiesigen Kräuterlikör, von dem ich auch unbedingt noch ein Fläschchen kaufen muss.
Kugelrund und leicht angetüdert (die Cousine mag keinen Alkohol, so dass ich den Großteil ihres Glases mit austrinken muss) verlassen wir nach über zwei Stunden die Bar und sehen uns draußen noch die Kirche von San Carles an. Vor ihr steht ein riesiger alter Johannisbrotbaum, an dem 1936, während des spanischen Bürgerkriegs, die Republikaner den Pfarrer und seinen Vater aufhängten, die sie zuvor vom Glockenturm aus beschossen hatten.
Im Schatten des Baumes warten wir dann auf den Bus zurück nach Eivissa, der uns in etwa einer Stunde wieder zurück bringt. Wir laufen mit einem kleinen Umweg über den Rolex-Laden (die Cousine lernt Uhrmacherin und kann sich stundenlang Uhren ansehen) zurück zum Apartment. Hier packen wir unsere Einkäufe aus und ich mache ein Foto von meiner Beute für den Hasen und das Internet. Dann wird gebloggt und gleich schauen wir noch, was Netflix uns für den Rest des Abends zu bieten hat, wenn wir schon ausnahmsweise mal früh “zuhause” sind.
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