Nach einer eher mühsamen Nacht empfängt mich mein Gastgeber um neun zum Frühstück. Wie bei solchen Gelegenheiten üblich, gibt es ein einzeln verpacktes süßes Cornetto, ein Trinkpäckchen (Pfirsich) und jede Menge Kaffee. Dazu läuft der Fernseher mit den Nachrichten und wir unterhalten uns kurz über die neue Regierung, das Wetter (präsentiert von einem Militär in Uniform) und meine Reisepläne. Dann laufe ich los, die Stadt zu erkunden. An einem Obststand lachen mich die Pfirsiche sehr an (es ist eine sehr pfirsichlastige Reise, merke ich) und ich suche mir einen schönen aus. Als ich ihn bezahlen will, winkt der Standbetreiber ab: “Den schenke ich Dir.” Das Kilo kostet 99 Cent, der einzelne Pfirsich also vermutlich nicht mehr als 10 Cent, das kann ich annehmen. Ich freue mich, überlege, ob ich demnächst vielleicht öfter immer genau dann, wenn ich Appetit auf etwas habe, das in der genau richtigen Menge kaufen sollte und damit möglicherweise umsonst an Essen komme, und genieße meinen reifen, aromatischen Pfirsich, während ich weiter Richtung Zentrum gehe.
Dort gibt es unter anderem zwei alte Festungen (man ist schließlich schon seit Jahrhunderten Hafenstadt), von denen eine von einem Festungsgraben umgeben ist und diverse kleine Kanäle. Besagter Stadtteil heißt dann auch Venezia Nuova, was allerdings schon ein bisschen übertrieben ist. Aber irgendwas muss man den ganzen Touristen ja bieten, die von hier nach Sardinien und Korsika übersetzen. Und die Kanäle sind zumindest historisch und nicht neu angelegt.
Gut und besser gelöst als in den Teilen von Genua und La Spezia, die ich gesehen habe, finde ich in Livorno, dass es deutlich mehr Grün gibt. Es stehen mehr Bäume herum, es gibt Parkanlagen… Zusammen mit der leichten Brise, die vom Meer weht, lässt sich damit die Wärme hier deutlich besser ertragen und selbst in der größten Mittagshitze habe ich noch nicht das Gefühl, mich komplett im Schatten verkriechen zu müssen. Natürlich hat Livorno auch einen neuen, modernen Teil mit den üblichen Geschäften und monumentalen Gebäuden faschistischer Architektur. Aus dieser Zeit stammt auch die Mascagni-Terrasse etwas außerhalb der Innenstadt, auf der man promenieren und aufs Meer schauen kann. Also, wenn man nicht vom Fußboden abgelenkt ist, was durchaus passieren kann.
Als ich ein Mittagshüngerchen bekomme, stehe ich zufällig genau vor der Gelateria, die der Reiseführer als die beste der Stadt bezeichnet. Ich gönne mir also eine große Waffel mit vier Sorten: Ricotta e fichi, Fondente, Pistacchio und Limone. Damit setze ich mich in einer Grünanlage auf eine Bank, bis ich die Schattenseiten des Schattens bemerke: Hier gibt es fiese mückenartige Tierchen, die mich aussaugen wollen. Dann also doch lieber weiterspazieren, es ist ja dank Wind gar nicht ganz so heiß. In der großen Markthalle werden die Waren gerade schon wieder weggeräumt. Das ist schade, denn ich hätte zwar nichts kaufen gewollt, aber über so einen Lebensmittelmarkt zu spazieren gehört auf jeden Fall zu den schönsten Zeitvertreiben im Süden. Stattdessen setze ich mich dann doch noch in den Schatten in einem anderen Park ohne Mückengetier, studiere den Reiseführer, plane meine nächsten Tage und lese weiter in der “Italienischen Reise”.
Dann laufe ich zurück zum AirBnB, hole mein Gepäck, verabschiede mich von meinem Gastgeber und breche zum Bahnhof auf. Mit dem Bummelzug geht es heute nur knapp anderthalb Stunden weiter, nach Populonia am Golf von Baratti. Der Ort hat knappe 250 Einwohner, ein Café, eine Mini-Pizzeria, 2-3 Läden für den täglichen Bedarf und nebendran eine große Ferienanlage. Ich schlafe allerdings nicht dort, sondern habe ein eher spartanisches AirBnB-Zimmer gebucht. Das beziehe ich, dann mache ich einen kleinen Spaziergang durch den Ort und beschließe, keines der Restaurants der Ferienanlage (es gibt da einen Pool und jede Menge deutsche Touristen) auszuprobieren. Stattdessen hole ich mir für einen kleinen Snack ein paar Tomaten im Supermarkt und ziehe mich nochmal auf mein Zimmer zurück. Auf dem Weg von der Ferienanlage zum Supermarkt komme ich übrigens an der Kirche vorbei:
Das Internet verrät mir, dass das Café ein Aperitivo-Buffet anbietet, also gehe ich als es Abend wird noch einmal hinaus, genehmige mir einen Aperol Spritz, kalte Pizza, Brot, Chips und Nüsschen zum Abendessen – die Pizzeria ist dann morgen Abend dran!