Reisetagebuch 21. September 2019 – Neapel, Bologna, München und Berlin #loosinterrail

Ich schlafe erstaunlich viel in dieser ruckeligen Nacht im Liegewagen, auch wenn ich zwischendurch immer mal wieder kurz wach werde. Endgültig erkläre ich die Nacht gegen halb sieben beendet, etwa eine halbe Stunde, bevor mein Wecker sowieso geklingelt hätte. Kurz vor halb acht sollen wir in Neapel ankommen, aber ein Abgleich von Google Maps und der Interrail App sagt mir, dass wir schon wieder mit einer halben Stunde Verspätung unterwegs sind – natürlich, das passt ja zum Beginn der Reise gestern. Ich “frühstücke” einen Cantuccino und ein Päckchen Pfirsichsaft, die alle nebst etwas was Wasser hingestellt bekommen haben, und benutze das ebenfalls zur Verfügung gestellte Erfrischungstuch, um mich halbwegs wach und wohlriechend zu machen. Über den kleinen Plastikkamm lachen meine Haare nur, aber die bändige ich erstmal mit einem Haargummi.

In Neapel habe ich aufgrund der Verspätung keine Zeit mehr für ein vernünftiges Bar-Frühstück, kann mir aber am Gleis noch einen Automaten-Cappuccino ziehen – vom Vollautomaten aus frisch gemahlenen Bohnen und für nur 80 Cent. Zero Waste ist auf dieser Zugreisende erstmal leider nicht mehr drin. Nachdem ich meinen Platz bezogen und die Fahrkarte vorgezeigt habe, verziehe ich mich für die Morgentoilette auf eben jene und sehe dann wieder halbwegs vorzeigbar aus, wenn auch müde und leicht zerknittert.

Das Bordfernsehen berichtet über den Klimastreik und das Klimapaket der GroKo. Na immerhin sind wir pünktlich losgefahren. Ich besorge mir zum zweiten Frühstück ein Sandwich mit Tofu und Gemüse und beschäftige mich dann vor allem mit Lesen, Dösen und Bloggen.

In Bologna wird es nochmal spannend, denn natürlich haben wir inzwischen wieder eine Verspätung aufgebaut, die dazu führt, dass ich statt sechzehn nur sechs Minuten habe, um vom einen Ende des Bahnhofs zum anderen zu sprinten und den Zug nach München zu erwischen. Klappt aber auf die Minute genau und ich lasse mich in die weichen Polster der Österreichischen Bundesbahn sinken. Mist, eigentlich hatte ich gehofft, ich könne noch ein letztes italienisches Festmahl im Speisewagen zu mir nehmen. Stattdessen gibt es dort ein österreichisches Herbstmenü. Mist, auf einmal ist der Urlaub vorbei und Herbst ist auch noch.

Draußen sieht es inzwischen auch viel weniger italienisch aus – die Alpen nahen. Damit ich nicht völlig im Urlaubsend- und Herbstblues versinke, bestelle ich mir halt was sehr österreichisch-herbstliches. Es gibt Erdäpfelsuppe mit Schwammerl, einen eher langweiligen Gemüsegulasch und köstlichen Mohnschmarrn mit Weichselkompott.

Wir erreichen München mit fast vernachlässigbarer Verspätung, geraten dort aber mitten in den Oktoberfesttrubel. Der ganze Bahnhof ist voller angetrunkener Gestalten in merkwürdigen Kostümen.

Ich kaufe mir noch eine Butterbreze und dann geht es in den ICE nach Berlin, der zwar pünktlich losfährt, aber schon das nächste Abenteuer bereit hält: Aufgrund von Böschungs- und Kabelbrand werden zwei Bahnhöfe nicht an- sondern umfahren, woraus sich eine Verspätung von ca. zwei Stunden ergibt und auch der Halt in Berlin-Gesundbrunnen entfällt. Eine Gruppe Oktoberfestbesucher*innen aus Erfurt unterhält den ganzen Wagen mit ihrem Frust, während diejenigen, die noch deutlich weiter zu fahren eher resigniert und still sind. Am Ende komme ich statt kurz vor Mitternacht erst gegen zwei Uhr morgens in Berlin an und muss dann statt fünf Minuten Ringbahn noch eine halbe Stunde fahren. Kurz vor drei liege ich mit beiden Katzen im Bett.

Reisetagebuch 20. September 2019 – Case Vecchie und Catania #loosinterrail

Der Tag beginnt recht faul. Der Großteil der Mannschaft ist ausgeflogen, um einen Schäfer zu besuchen und ihm beim Melken und der Zubereitung von Ricotta und Belegschaft zuzusehen. Ich frühstücke Pasta di mandorle und Obst und lausche Fabrizia und dem Freund der Gärtnerin, die ein trilinguales Gespräch über Gastronomie, Meditation und christliche Hippies führen.

Dann schnappe ich mir Fabrizias neues, autobiographisches Buch und verziehe mich damit an meinen Lieblingsplatz im Garten. Es ist auf Italienisch, so dass ich nur die Basics verstehe, aber nach 46 Seiten beschließe ich, es mir zu kaufen und demnächst noch einmal mit einem Wörterbuch bewaffnet genauer zu lesen, um die Feinheiten mitzubekommen.

Dann möchte ich eigentlich eine Runde in den Pool springen, aber der wird gerade noch gereinigt. Als er fertig ist, kommt gerade eine ganze Gruppe an Gäst*innen an, um zu baden und ich verschiebe das Schwimmen auf den Nachmittag.

Als nächstes steht eine Käseverkostung an, bei der sechs verschiedene Kuh- und Schafsmilchkäse aus Sizilien probiert werden und die verschiedenen Arten der Käsezubereitung und ihre Auswirkung auf Konsistenz und Geschmack diskutiert werden. Dazu gibt es einen Chardonnay.

Auf den Käse folgt dann nur ein leichtes Mittagessen – mit Parmesan überbackene Auberginen, blanchierter Mangold und gedünsteter Cavolo Nero, dazu einen Salat. Bis auf den Parmesan stammt natürlich alles aus dem Garten.

Nach Melone mit Minze zum Dessert kaufe ich mir noch ein paar Dinge aus dem Laden – Textilien mit einem von Fabrizia gemalten Design mit Zucchiniblüten (einen Schal und ein Topflappen-Set) sowie das berühmte Tomatenextrakt, das hier jeden August hergestellt wird. Dann hüpfe ich noch für ein paar Bahnen in den Pool, lasse mich von der Sonne trocknen und als es anfängt zu regnen, packe ich meine Sachen und werde zum Bahnhof gefahren.

Es beginnt eine lange Heimreise, zum Glück hatte mir Fabrizia geraten, schon einen früheren Zug zu nehmen, wer weiß, ob sonst alles gut gegangen wäre. Der erste Zug hat 18 Minuten Verspätung beim Losfahren und 41 Minuten bei der Ankunft – auf der Zugstrecke gibt es ein Problem mit der Stromleitung, deswegen muss langsam gefahren und immer wieder gehalten werden. Eigentlich hätte ich damit direkt meinen ersten Anschlusszug verpasst, aber der hat das gleiche Problem und somit ebenso Verspätung – als ich ankomme bereits 29 Minuten, abfahren tun wir dann mit über 80 Minuten Verspätung. In Catania habe ich dann aber trotzdem noch zweieinhalb Stunden Zeit. Diese nutze ich, um Bargeld zu besorgen – gar nicht so leicht im Bahnhofsviertel der zweitgrößten sizilianischen Stadt – mich ordentlich zu verlaufen und am Ende immerhin noch einen leckeren Arancino mit Spinat und Mozzarella zum Abendbrot zu verspeisen.

Dann geht es zurück zum Bahnhof, wo der Nachtzug nach Neapel ebenfalls Verspätung hat, aber nur so 15 Minuten oder so – geradezu lachhaft. Ich beziehe mein Liegewagenabteil, das ich mir mit zwei anderen Frauen teile, warte noch auf die Fahrkartenkontrolle und schlafe dann überraschend schnell ein, noch bevor wir Messina und die Fähre zum Festland erreichen.