Reisetagebuch 10. September 2019 – Bari #loosinterrail

Nachdem ich ja gestern Abend blöderweise im Arbeitstunnel gelandet war und dann ewig nicht einschlafen konnte, wache ich nach unruhiger Nacht auch noch viel zu früh wieder auf. Im Halbschlaf schaue ich mir meinen Reiseplan für den heutigen Tag an und stelle fest, dass meine ausgesuchte Verbindung ja gar nicht mit dem Zug, sondern mit dem Bus stattfindet und außerdem ganz schön spät losgeht und ich noch jede Menge Zeit zu vertrödeln hätte. Also vergleiche ich nochmal mit Verbindungen mit Reservierungen und finde einen Zug, der zwei Stunden früher fährt und der den Vorteil hat, dass ich damit dann auch zwei Stunden früher in Bari bin. Da heute Waschtag ist und ich ja trotzdem noch etwas von der Stadt sehen möchte, ist das auf jeden Fall günstig. Ich buche also die Reservierung (gar nicht so einfach, die Usability der entsprechenden Webseite ist der Horror und über die App klappt es gleich noch viel weniger) und beschließe dann gegen halb sieben, dass die Nacht jetzt wirklich beendet ist und verblogge den gestrigen Tag.

Dann stehe ich tatsächlich auf. Mit Musik, einer Dusche und Kaffee komme ich gut in einen erträglichen Wachmodus. Ich frühstücke Cornetto mit Aprikosenmarmelade und weiteren Süßkram, den der Host bereitgestellt hat und trinke neben dem Kaffee noch sowohl Birnen- als auch Pfirsichsaft. Dann packe ich ganz entspannt meine sieben Sachen zusammen und komme langsam wieder zurück in das Urlaubsgefühl, das mich durch die Tunnelsache und die unruhige Nacht irgendwie verlassen hatte. Ich laufe zum Bahnhof und besteige zunächst den InterCity nach Taranto. Durch meine sehr späte Reservierung habe ich leider keinen Fensterplatz bekommen und da alle Rollos unten sind, sehe ich kaum etwas von der Landschaft des Cilento und von den Appeninen, durch die wir fahren (Kampanien, dann kurz Basilicata, dann Apulien). Stattdessen beschäftige ich mich mit Lesen und immer mal wieder Wegdösen. Irgendwann bekomme ich Hunger und halte es auch nicht mehr bis Taranto aus. Also futtere ich das Tütchen spanisches Studentenfutter mit Meersalz aus Ibiza auf, dass mir meine neue Chefin geschenkt hatte und dass ich mir schon für den ersten Zugtag als Reiseproviant eingesteckt hatte. Zum Glück, denn der Bahnhof in Taranto ist gastronomisch eher unterwältigend.

Dort steige ich dann aber wieder in einen Bummelzug um, der mich in knappen anderthalb Stunden nach Bari bringt. Vor dem Zugfenster ziehen Olivenhaine und Obstwiesen vorbei und es sieht alles schon wieder ganz schön schön aus, dieses Apulien. In Bari geht es dann zunächst einmal ins Hostel, das in einer klassischen italienischen Altbauwohnung in einem Palazzo eröffnet wurde. Es gibt drei Dorms mit jeweils sechs Betten, eine Küche, ein Bad mit Wanne, einen Aufenthaltsraum, ein Büro und vor jedem Zimmer einen Balkon. Der Mitarbeiter, der mich empfängt, ist Holländer und erzählt, dass er zur Crew eines Schiffes gehört, dass Geflüchtete im Mittelmeer rettet. Als er zuletzt nach Italien einreiste, wurde er am Flughafen erst einmal für fünf Tage in einer engen Zelle festgesetzt, bevor er dann doch hineingelassen wurde. Jetzt verbringt er eine Weile hier in Bari und ab Oktober geht es für die nächste Tour aufs Schiff. Außer ihm gibt es noch die italienische Inhaberin des Hostels mit ihren zwei kleinen Hunden, die mir und anderen Gästinnen erst einmal etwas von ihrer Hackfleischpastete abgibt und allen Kaffee serviert.

Wir müssen nämlich noch warten, das Buchungssystem erlaubt Check-ins erst ab 17 Uhr. Zeit, im Internet herumzuklicken, mit den anderen zu quatschen und Wäsche zu waschen. Die Waschmaschine steht, wie in Süditalien anscheinend häufiger, auf einem der Balkons. Ich ziehe mich schnell noch um und werfe dann alles, was ich in den letzten 10 Tagen anhatte hinein. Das Programm dauert nur eine halbe Stunde. Danach kann ich die Wäsche auf dem Balkon meines Dorms aufhängen und dann auch schon offiziell einchecken. Und dann geht es hinaus in die Stadt. Über den Corso Cavour (italienische Straßen heißen ja alle gleich – überall gibt es eine Via Roma und Straßen oder Plätze, die nach Garibaldi, Cavour, Mazzini oder Vittorio Emanuele benannt sind) laufe ich hinunter zum Wasser. Hallo Adria, da bin ich wieder!

Ich liebe ja Städte, in denen man einfach am Ufer entlang laufen kann, sei es nun an einem Fluss, am See oder am Meer. Bari ist nun eine derer, in denen die komplette Altstadt auf einer Art vorgelagerten Halbinsel liegt – ähnlich wie zum Beispiel Siracusa auf Sizilien oder Cádiz in Andalusien. Ich laufe also zunächst einmal schön am Wasser entlang und fast um die ganze Altstadt herum, bevor ich mich in das Gassengewirr weiter drinnen stürze, dass mich mit seinen hellen Steinen und dem labyrinthischen Gewirr irgendwie auch an Eivissa, den Hauptort auf Ibiza erinnert.

Der Reiseführer und mein Appetit sagen, dass ich bei Maria einkehren und Sgagliozze essen soll – also in Sonnenblumenöl frittierte Polenta-Stückchen mit Salz. Aber als ich vor dem Laden ankomme – eigentlich ist es ein klassisches “Hole-in-the-wall”, sitzen Maria und ihre Kumpan*innen noch gemütlich davor auf einer Bank – aufgemacht wird hier erst um 18 Uhr. Also spaziere ich noch ein wenig weiter durch die Gassen und setze mich dann an die Basilica St. Nicola, um etwas über die Geschichte der Stadt zu lesen. Dabei erfahre ich, dass hier tatsächlich die Gebeine vom Nikolaus bestattet sind, irgendwie passend, dass er auf dem Stiefel liegt, oder?

Als die Glocken dann 18 Uhr läuten, laufe ich zurück zu Maria, wo inzwischen das Öl erhitzt wird und erste Sgagliozze darin baden. Bis die fertig sind, dauert es aber noch eine ganze Weile. Hinter mir bildet sich schnell eine Schlange, die dann zu einem Menschenauflauf wird und irgendwann taucht auch noch ein Fernsehteam von Rai 1 auf, dass scheinbar eine Doku über Bari dreht und Maria unbedingt dabei haben will. Evtl. kann man mich jetzt am 28. September gegen Mittag im italienischen Fernsehen sehen.

Ich bin dann jedenfalls die erste, die ihre sechs heißen, fetttriefenden und salzigen Sgagliozze für einen Euro in einer Papiertüte überreicht bekommt. Ich setze mich damit auf ein Mäuerchen an der Basilika, auf dem sich bald noch mehr von Marias Kund*innen zu mir gesellen.

Was soll ich sagen, die Dinger sehen gut aus – goldgelb und ein bisschen wie SpongeBob, wie ein Freund auf Facebook kommentiert. Da, wo sie richtig schön knusprig sind, schmecken sie lecker – halt knusprig, fettig und salzig. Wo es weniger knusprig ist, ist es halt herzhafter Grießbrei mit Sonnenblumenöl. Kann man machen, muss man aber nicht. Aber dafür bin ich jetzt für einen Euro schon wieder ziemlich satt. Ich beschließe, mir für den Abend kein Restaurant zu suchen, sondern einfach noch eine Rispe Kirschtomaten und zwei Handvoll Trauben zu kaufen (macht zusammen ebenfalls nochmal einen Euro) und mich damit ans Wasser zu setzen.

Auf dem Weg dorthin komme ich an einem weiteren, etwas improvisierteren und weniger berühmten Sgagliozze-Stand vorbei und sehe, wie die Polenta-Stückchen entstehen.

Dann setze ich mich auf die Hafenmauer, beobachte einen Angler, gucke aufs Wasser und wasche meine Tomaten, die ganz erdig sind, mit dem Wasser aus meiner Wasserflasche. Bis zum Sonnenuntergang habe ich mein Mahl beendet – die zweite Handvoll Trauben lasse ich mir fürs morgige Frühstück.

Da ich an der Ostküste bin, findet der Sonnenuntergang natürlich nicht über dem Meer statt, aber das habe ich auf dieser Reise hoffentlich noch ein- bis zweimal. So sieht zumindest der Himmel schön aus. Ich laufe zurück zum Hostel und setze mich dort mit dem Laptop nochmal eine Weile in den Gemeinschaftsraum. Aber irgendwie bin ich zu müde (kein Wunder, nach vier Stunden Schlaf) und lege mich schnell ins Bett. Meine Wäsche ist übrigens nach knappen drei Stunden an der Luft schon so gut wie trocken, aber da es nachts nicht regnen soll, beschließe ich, sie noch hängen zu lassen und erst morgen abzunehmen. Noch ein halber Film auf Netflix und dann wird geschlafen.