Obwohl ich auf der re:publica hauptsächlich Sessions besuche und esse, also eher wenige der 1000 Dinge ausprobiere, die man noch so tun könnte und auch sehr wenig Gespräche führe (bisher nur mit Menschen, die ich schon vorher kannte und auch das nur sehr wenig ausschweifend) bin ich doch von all dem Input überfordert und kann keine vernünftige Zusammenfassung geben.
Aber ich habe gemerkt, dass dieses Motto etwas mit mir macht, es macht mir nämlich ein bisschen Bauchschmerzen. Denn auch ich gehöre zu den Leuten, die oft genug Texte nicht komplett oder gar nicht lesen, weil sie zu lang sind. Gilt auch für andere Medienformate, wo ich dann meist schnell zum 2nd Screen (Smartphone) greife. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist in den letzten Jahren immer kürzer und kürzer geworden. Und während es auf der re:publica normal ist, nebenbei irgendwie immer auch auf Twitter zu sein, ist es da draußen unter den weniger netzaffinen Menschen doch mitunter eher ein Nachteil, wenn man sowas tut.
Nun stört mich persönlich der 2nd Screen eigentlich so gut wie nie – weder an anderen noch an mir – aber mein mangelndes Longread-Vermögen, das nervt mich schon. Ich lese zwar den ganzen Tag Nachrichten, Tweets, kürzere Texte, Überschriften, Listen usw., aber sobald man scrollen muss, passiert es schnell, dass ich nur noch überfliege. Das tue ich nicht, wenn mich ein Text packt oder er mir aufgrund von speziellem Inhalt oder Autor*in besonders am Herzen liegt. Aber wie viele tiefsinnige gesellschaftspolitische Analysen oder einordnenden Beiträge zum Klimawandel sind schon packend und/oder von mir näherstehenden Menschen geschrieben?
Die wirklich wahren Longreads, die hebe ich mir auf – für lange Bahn- oder Busfahrten, auf denen ich erwartungsgemäß wenig Empfang habe, oder für den Sonntag. Denn so ein kleines bisschen stecken diese Sonntage von früher noch in mir drin: Als meine Eltern dann nicht nur beim Frühstück die Tageszeitung lasen, sondern eben auch hinterher und über den Tag verteilt auch noch den Freitag, die Zeit und den Spiegel. Sonntage waren – wenn sonst keine Verpflichtungen waren – Lesetage und ganz manchmal schaffe ich es, sie auch wieder dazu zu machen. Also vorausgesetzt die Serienfolgen der Woche sind bereits abgearbeitet und es stehen auch sonst keine Termine an.
Mit dem Bücher lesen ist es fast noch schwieriger geworden. Ich lese seit Wochen an meinem 9. Buch in diesem Jahr, während ich anderswo mitbekomme, wie mehrere Bücher pro Woche verschlungen werden. Allerdings bin ich auch seit 2-3 Monaten seelisch und gedanklich mit anderen Dingen beschäftigt – die meisten der 8 Bücher las ich vorher -, möglicherweise wird auch das also wieder besser. Und ich lese gerade ein Sachbuch, da muss ich mich meist besonders motivieren. Immerhin ist es ein biographisches und hat demnach sowas wie einen Plot.
Ohne Plot geht bei mir sowieso nur sehr wenig – egal ob in Büchern oder Filmen. Aber auch das würde ich mir gerne ein bisschen abgewöhnen, denn mit der nötigen Muße und Ruhe gelingt es mir auch, mich an schönen Beschreibungen und Formulierungen zu erfreuen, Dinge wirken und nachklingen zu lassen und komplexeren Zusammenhängen zu folgen. Und das ist ja eigentlich das, was wir im Moment alle brauchen – nicht tl;dr, sondern l;ra. Long – read anyway!