Immer gut

Als ich gestern um 18 Uhr das Büro verließ, traf ich draußen auf einen blauen Himmel mit ein paar Wolken, schönsten Sonnenschein und eine leichte Brise. Das ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil es viele Monate im Jahr gibt, in denen es einfach mal dunkel oder zumindest dämmrig ist, wenn ich Feierabend habe. Diese Zeit jetzt – von dem Tag an dem die Erdbeerhäuschen aufmachen bis zu dem, an dem man merkt, dass der Herbst den Sommer endgültig abgelöst hat, irgendwann Anfang/Mitte September, ist einfach die allerbeste, tollste, schönste und wichtigste Zeit des Jahres!

Das andere, was bemerkenswert war, dass ich sofort dachte: Es ist Immergut-Wetter! Ich sah mich sofort irgendwo zwischen den Kiefern und Birken auf der Mecklenburgischen Wiese stehen, mich über das Grün und all die normalen Menschen freuen und der Musik lauschen. Was total passend ist, denn heute fahre ich endlich los zum 20. Immergut, das dieses Jahr sogar drei komplette Tage geht. Letztes Jahr war ich zum ersten mal seit 6 Jahren wieder dabei. Von 2006 bis 2011 war das Immergut ein Pflichttermin in meinem Jahren, egal ob von Rostock oder von Berlin aus und egal, wer sich gerade als Begleitung anbot. 2012 hatte ich dann genau zu dieser Zeit leider ganz andere Sachen im Kopf und um die Ohren und damit riss der Running Streak ab.

Irgendwas zog mich dann aber letztes Jahr wieder hin, ein Teil der vielen Veränderungen, die sich zugetragen haben oder ihre Schatten vorauswarfen und mich zu dem Leben brachten, das ich jetzt führe. Letztes Jahr fuhr ich ganz alleine – ich wusste, ich würde dort auf bekannte Gesichter treffen, hatte aber auch einfach Lust darauf, für mich zu sein und einfach zu tun, wozu ich gerade Lust hatte – eine Band sehen oder nicht, zum Zelt zurückgehen oder nicht, essen und trinken wann und was ich mag und auf niemanden warten oder Rücksicht nehmen müssen. Ganz bei mir selbst sein, also. Und es war großartig. Allerschönstes Immergut-Wetter, mit tagsüber in der Sonne schwitzen und nachts im Zelt ein bisschen frieren und keinen oder kaum Regentropfen. Wundervolle neue Musik, nostalgische Momente mit alter Musik und jede Menge Erinnerungen.

Natürlich bin ich dieses Jahr wieder dabei und wieder fahre ich alleine hin und schaue vor Ort, ob ich lieber für mich bleibe oder Anschluss bei den bekannten Gesichtern suche (diesmal ist zum Beispiel auch noch eine Kollegin vor Ort, außerdem die üblichen Verdächtigen mit Rostocker (Migrations-)Hintergrund). Und all die nostalgischen Momente werden natürlich auch wieder hochkommen.

Wie ich 2006 bei Tomtes “Warum Ich Hier Stehe” unter dem einen großen Baum (der nicht mehr da ist) saß und bitterlich weinte und in der Nacht dann einen geliehenen Hoodie fest umklammert hielt. Wie ich 2007 auf einem Matratzenlager in einem überhitzten Bauwagen die direkt nach ihrem Auftritt verschwitzten, halbnackten und betrunkenen Friska Viljor interviewte. Wie es 2008 so heiß war, dass wir die Vormittage an und im See verbrachten und noch Tage nach dem Ende des Festivals schwarzer Schnodder von den zu Staub verbrannten Wiesen aus meiner Nase kam. Wie 2009 beim 10. Immergut Kemper sich für seinen Abschied einfach alle seine Lieblingsbands buchte und das Festival noch mehr als sonst zum Klassentreffen wurde. Wie 2010 mit Talking To Turtles zum ersten Mal “welche von uns” auf dem Immergut spielten – vor auf der Wiese sitzenden Publikum im neu eröffneten Birkenhain und nur einer stand mitten drin und tanzte. Wie 2011 Kuttners Videoschnipselvortrag zum Immergut kam und für mich zwei Welten kollidierten und sich die ganze Wiese in die Volksbühne verwandelte und mit Cindy und Bert den Hund von Baskerville sang. Und wie ich letztes Jahr beim Fußball zwischen den kommentierenden Fiete und Schiete Schutz vor der Sonne suchte und mich freute, dass ich auch mitten in der Pampa in Neustrelitz ein kleines Zuhause habe – zumindest einmal im Jahr.