Sonntagsschnipsel: Long lost cousins & Eigen- vs. Fremdwahrnehmung

Long Lost Cousins

Was ich ja bei den London-Bemerknissen gestern noch völlig vergessen habe, ist die absurde Begegnung am Flughafen. Leider war ich am Montag noch ziemlich durch den Wind von den Ereignissen des Wochenendes, daher habe ich nicht ganz so reagiert, wie ich es mir im Nachhinein gewünscht hätte, als die Beamtin bei der Einreise völlig ungläubig auf meinen Perso schaute und es dann aus ihr herausplatzte: “I have the same surname! I can’t believe it, that has never happened to me, ever!” Zunächst dachte mein Kopf nur: Ja, mir auch nicht, witziger Zufall. Dann: Oh, sie hat den gleichen Nachnamen wie ICH! Und sie wohnt in England! Ich brachte also ebenso meine Verwunderung und erfreute Überraschung zum Ausdruck. Dann wurde es aber noch cooler: Sie erzählte mir, wie vor vier Generationen einer ihrer Vorfahren von Frankfurt nach Parma ausgewandert sei und den Nachnamen dann immer weiter vererbt hatte. Dabei zählte sie die Namen ihres italienischen Vaters, Großvaters, Urgroßvaters und Urgroßvaters auf. Familie ist ja in Italien sehr wichtig und ich kann mir gut vorstellen, wie diese Geschichte seit Jahr und Tag herumgereicht wird, wenn jemand eines der Familienmitglieder auf den ungewöhnlichen Nachnamen anspricht (Wie, ein Name ohne Vokal am Ende? Und dann ist der Konsonant nichtmal ein N?!).

Ich stellte dann also (müde und ein bisschen dumm) fest, dass sie ja gar keine Engländerin, sondern Italienerin sei. Sie bestand auf 15/16 Italienerin und 1/16 Deutsche und fragte mich dann, ob wir denn entfernte Cousinen sein könnten und ob wir mit dem Autohersteller verwandt seien. Ich bestätigte, dass meine Vorfahren vor diversen Generationen ungefähr aus dieser Ecke des Landes kämen und die vom Autohersteller auch. Dann meinte sie noch einmal, dass sie völlig überwältigt sei und wie schade es sei, dass sie mich nie mehr wiedersehen würde. Sie nannte mir noch ihren Vornamen (typisch italienisch und leider habe ich ihn nicht einmal genau gemerkt, denn er klang so ähnlich wie der meiner italienischen Ex-Schwiegermutter, so dass ich nicht nochmal nachfragte, um mich rückzuversichern) und gab mir meinen Perso zurück. Ich habe seitdem versucht, sie zu googlen, bin aber leider erfolglos geblieben. Wenn also jemanden meines Nachnamens in London (oder Parma oder sonst irgendwo in Italien) kennt: Lasst es mich wissen, ich hätte große Lust, das weiter zu verfolgen (und hoffe ein bisschen, dass sie mich vielleicht googlet, meine Daten hat sie ja).

 

Eigen- und Fremdwahrnehmung

In den letzten Tagen habe ich in den verschiedensten Zusammenhängen immer wieder viel über Eigen- und Fremdwahrnehmung nachgedacht, speziell im zwischenmenschlichen Bereich. Besonders augenfällig wurde das natürlich, wenn ich oder der Hase anderen von den neuesten Entwicklungen berichteten und uns dann hinterher die jeweiligen Reaktionen aus dem Umfeld erzählten. Diese reichten von Aussagen à la “Hmm, das war ja abzusehen.” bis “WAS?!!?? Wieso DAS DENN?!?”, ich glaube wir beide liegen mit unserer eigenen Wahrnehmung von innen irgendwo zwischen den beiden Extremen, wenn auch deutlich näher am Abzusehen-Rand. Aber das ist nicht das einzige Thema, in dem dieses Spannungsfeld eine Rolle spielte.

Neulich beim Karaoke zum Beispiel. Es war ein grandioser Abend, von dem ich heute immer noch zehre und ich freue mich schon unglaublich auf die angedachte Wiederholung in zwei Wochen. Nun war dieser Abend aber auch nicht komplett nur joy-sparking und neben dem Wundervollen war auch einiges anderes mit im Raum. Je nachdem, wie viel die Beteiligten im Vorhinein wussten, wurden von ihnen ganz unterschiedliche Stimmungen und Schwingungen im Bezug auf verschiedene Situationen wahrgenommen. So bekam ich im Laufe des Abends und auch im Nachgang zum Beispiel sehr viel Mitgefühl wegen einer Sache ausgesprochen, von der meine lieben Freund*innen dachten, sie würde mir sehr zu Herzen gehen und mir den Abend versauen. In Wirklichkeit war mir diese spezielle Sache hingegen total Banane. Meine Grundstimmung war halt nicht ganz wolkenfrei und es gab stattdessen auch noch etwas völlig anderes, das mich immer mal wieder ein wenig herunterzog, aber abgesehen davon war mein Abend – wie schon gesagt – grandios.

In noch einer dritten Angelegenheit tauchte das Thema auch wieder auf: eine Situation, die von außen relativ eindeutig nach einer bestimmten Deutung aussieht, sich von innen und für die direkt Beteiligten aber völlig anders anfühlt. Nicht immer einfach und auch nicht unbedingt eindeutig, aber doch deutlich anders, als vom Umfeld immer wieder unterstellt. Trotzdem scheint es, als müsse man sich auch mit der Fremdwahrnehmung auseinandersetzen, wobei ich persönlich die Leute ja gerne einfach reden lassen würde.

Meine eigene Wahrnehmung von mir selbst ist übrigens, dass ich eher zu den Oversharern gehöre, ziemlich frei heraus jedem ungefähr alles von mir erzähle und mich den Leuten eher zu viel als zu wenig öffne. Ich bekam jetzt aber von mehreren Seiten das Feedback, dass ich ja eher still und verschlossen sei und die Dinge eher mit mir selbst ausmache. Darüber möchte ich mal ausführlicher nachdenken, deswegen schreibe ich das auch mit auf.

Und schlussendlich erfuhr ich noch von noch einer weiteren Sache, in der eine völlig harmlose Begebenheit von Menschen mit einem völlig anderen Mindset und Erfahrungshorizont zu einem riesigen Problem aufgebauscht wurde, das dann wiederum Auswirkungen auf den Umgang miteinander hatte, die völlig unnötig gewesen wären. Spätestens in diesem letzten Punkt finde ich es dann nicht mehr ganz so egal, was die Leute reden und denken.