Irgendwie haben mich heute Namen durch den Tag begleitet. Das fing in der Mittagspause an (ich weiß gar nicht mehr wie), als wir über Nachnamen und ihre Praktikabilität sprachen. Meiner wird sehr oft falsch verstanden (oder nicht geglaubt) und dann mit lustig gemeinten Sprüchen versehen. Andere Leute haben einen Nachnamen, den nicht mal ihnen nahestehende Menschen zuverlässig richtig schreiben. Und wieder andere Leute sind sich nicht einmal selbst sicher, ob ihr Name offiziell mit oder ohne Umlaut geschrieben wird und müssen erst auf ihrem Ausweisdokument nachschauen.
Auf der Heimfahrt las ich dann in meinem aktuellen Unterwegs-Buch: Rostock, mein Arkadien (Hrsg.: Matthias Dettmann). Keine Werbung, ich habe in dem Verlag zwar vor nun schon fast 13 Jahren ein Praktikum gemacht, dieses Buch aber selbst gekauft und bezahlt. Darin stehen jedenfalls Ausschnitte aus allerlei Literatur, die in Rostock spielt. Ich las also einen Teil eines historischen Romans, der im 16. Jahrhundert angesiedelt ist. Und beim Lesen sprangen mir dann natürlich diverse Straßen- und Ortsnamen ins Auge, die ich aus dem Rostocker Stadtbild kenne. Bramow und Marienehe sind heute zwei S-Bahnhöfe zwischen Innenstadt und Warnemünde. An beiden bin ich noch nie ausgestiegen, aber immer, wenn ich die Namen lese, höre ich vor meinem geistigen Auge Ohr meinen ehemaligen Dozenten für Phonetik und Phonologie, der sagt: “Next Stop: Rostock-Bramow”/”Next Stop: Rostock-Marienehe”). Eine ganze Zeit lang wurden die Stationen nämlich – ich glaube für die IGA 2003 damals, zweisprachig angesagt und unter uns Studierenden kursierte die Auffassung, dass er derjenige gewesen sei, der die englische Fassung eingesprochen habe. Verifizieren konnte ich das nie, aber die Stimme klang schon sehr genau nach ihm.
Anyway, Bramow und Marienehe sind in besagtem Romanausschnitt jedenfalls Dörfer außerhalb von Rostock und werden in einem Atemzug mit Kröpelin und Doberan genannt, die auch heute noch eigenständig sind. Das und die im Text auftretenden Begriffe Kabutzen und Reepschläger – heute in Straßennamen immer noch präsent, auch wenn man auf den ersten Blick nicht weiß, was sie bedeuten – ließ mich darüber nachdenken, wie viel wir aus den Namen darüber lernen könn(t)en, wie Orte und das Leben dort früher so aussahen. Also, wenn wir uns dafür interessierten und nachschlügen jedenfalls. Das brachte mich dann gedanklich zu einem Buch aus Kindertagen, indem für diverse Straßennamen die namensgebenden Personen vorgestellt werden. Ein Stadtspaziergang wird dann ganz schnell zum Bildungsausflug.
Darüber sinnierend spazierte ich dann durch mein eigenes Wohnviertel, das allerdings schon sehr lange Teil meiner Stadt ist (der damalige Stadtteil Prenzlauer Tor gehörte schon vor der Vereinigung zu Groß-Berlin 1920 zum Stadtgebiet, im Gegensatz zu Pankow und Weißensee, die hier gerade einmal zwei Straßen weiter liegen. Gebaut wurden die heutigen Häuser aber erst 1929-1931. Die Straßen erhielten dann Namen von sozialdemokratischen Gewerkschaftern, bevor die Nazis sich im Stadtbild austobten. 1952 wurden sie dann nach hingerichteten oder ermordeten kommunistischen Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus benannt und da wohnt man dann doch gerne… (Stichwort #nazisraus).
Edit: Der angeblich größte Angelshop Europas, von dem der Hase gestern einen Katalog bekam, nennt sich übrigens Askari. Stichwort Namen, Macht und Dekolonialisierung…