Es ist soweit, ab heute arbeite ich wieder. Nachdem ich mir Ende der letzten Woche noch gar nicht so sicher war, ob das schon wieder geht, freue ich mich jetzt direkt ein wenig darauf. Weniger auf die Fremdbestimmtheit meiner Zeit, mehr auf spannende Aufgaben und liebe Kolleg*innen – vor allem, nachdem mir die letzten gut drei Wochen unverhofft ein bisschen Abstand zum Stress der Wochen davor gebracht haben und ich hoffe, mit etwas mehr Gelassenheit an die Sache gehen zu können.
Ich wache nach gut durchschlafener Nacht früh auf und habe genug Zeit für das Morgenprogramm aus Internet leer lesen, Sprachlern-Apps und Liebstentelefonat, bevor ich aufstehe, mich schreibtischfein mache, die Katzen füttere und mir Kaffee (Tasse), Tee (Kanne) und Müsli zubereite. Überpünktlich sitze ich um 8:58 am Schreibtisch und während der Laptop startet entdecke ich unten auf dem Rasen ein Eichhörnchen – die sind grad wieder vermehrt im Kiez unterwegs.
Als erste Amtshandlung muss ich mein Passwort ändern, das während meiner Abwesenheit abgelaufen ist – irgendwie ist der Rhythmus so, dass das fast immer passiert, wenn ich krank oder im Urlaub bin. Es klappt aber diesmal erstaunlich gut und direkt über alle Teile des Systems hinweg. Dann verbringe ich eine gute Stunde damit, mich durch ca. 250 E-Mail-Threads zu wühlen, zu löschen, vorzusortieren und To Do‘s aufzuschreiben. Nebenbei melde ich mich per Chat in den verschiedenen Arbeitsgruppen zurück, mit denen ich tagtäglich zu tun habe.
Als nächstes beantworte ich noch ein paar E-Mails, die schon sehr lange herumlagen und um 11 Uhr wird es Zeit für das erste Meeting des Tages, das direkt anderthalb Stunden dauert. Gegen Ende davon merke ich, dass ich jetzt schon dreieinhalb Stunden ohne Pause am Laptop sitze und beschließe, die Mittagspause vorzuziehen. Draußen bricht gerade der Wolkenhimmel auf und die Frühlingssonne lockt. Ich schnappe mir also den Biomüll, bringe ihn runter und drehe danach noch eine kleine Spazierrunde um die umliegenden Gärten, durch die Straße, in der ich die ersten Wochen meines Lebens gewohnt habe und durch die Straße mit den Sternmagnolien, die gerade in voller Blüte stehen.

Ich bin etwa eine Dreiviertelstunde unterwegs und merke dann auch an der Anzahl der Schritte, dass ich noch deutlich langsamer bin als vor drei Wochen. Meine Füße und Beine kribbeln, die Muskeln und Gelenke sind steif und schwer. Je häufiger ich mich bewege, desto besser wird das wieder werden, aber noch bin ich nicht fit genug für Exzesse und auch vor drei Wochen, ein Jahr nach Covid-Infektion Nummer 1, war das alles noch nicht wieder richtig gut.
Als ich wieder oben bin, mache ich mir noch zwei Sandwiches und setze mich damit wieder an den Schreibtisch. Ich wühle mich durch die aufgelaufenen Aufgaben und versuche, Kleinigkeiten schnell zu erledigen und mir für Großigkeiten einen Plan zu machen. Außerdem braucht der Laptop einen Neustart, weil nach drei Wochen auch diverse Updates installiert wurden. Um 14:30 Uhr folgt das nächste Meeting, das noch kürzer dauert als die angesetzten 30 Minuten und keine zusätzlichen To Do‘s bringt, wohl aber einen Präsenztermin nächste Woche im Büro. Diese Woche bleibe ich noch komplett im Homeoffice, habe ich entschieden. Ab nächster Woche schaue ich, wie ich im Büro mit viel zusätzlicher Bewegung klarkomme. Irgendwann werde ich wieder 1-2 mal die Woche dort sein, denke ich.
Ich nutze die längere Pause vor dem nächsten Meeting, um mir die Aufzeichnung eines Townhalls von letzter Woche nochmal in Ruhe anzusehen, das ich nur in ganz klein auf dem Handy verfolgt hatte. Jetzt kann ich auch die Folien mitlesen und fokussierter zuhören als mit dem Liebsten und dem Teilzeitkind um mich herum. Danach folgt das Highlight-Meeting des Tages, das große Veränderungen ankündigt und das Team fröhlich und enthusiastisch zurücklässt. Wir überziehen gerne ein paar Minuten, einfach um noch beisammen zu sein.
Dann ist es wieder Zeit für ein paar Schritte und Frischluft – ich trinke daher den Rest der Kanne Tee auf dem Balkon aus, denn gleich steht noch das letzte kurze Meeting des Tages an. Und plötzlich ist es dann 18 Uhr, offiziell Feierabend. Inoffiziell geht das Hin- und Hergeschreibe mit den Teamkolleg*innen auf privaten Kanälen dann noch eine Weile weiter und ich sehe noch bis kurz vor 22 Uhr E-Mails eintrudeln – das Problem bei einem frisch enthusiasmiertem Team, das über vier Zeitzonen verteilt ist. Ich muss dringend lernen, da abends nicht mehr draufzugucken, aber heute fühlt es sich noch OK an.
Ich teile die frohe Kunde noch mit dem Liebsten und dem Mitbewohner, dann stelle ich zur Feier des Tages meinen unsteten Bauch auf die Probe und bestelle mir aus meinem Lieblingsimbiss in der Umgebung einen Arancino mit Ragù, ein großes Stück Mailänder Pizza mit Stracciatella, Mortadella und Pistazien und einen riesigen Cannolo. Dazu gibt es ein alkoholfreies Radler, ich will’s ja nicht gleich übertreiben.

Das Essen nehme ich dann wieder im Bett ein, wo ich es vor allem gegen Noosa mit aller Kraft verteidigen muss. Dazu gibt es ein paar Folgen „Mad Men“ und dann geht kurz nach 22 Uhr das Licht aus – die letzte Nachricht einer Kollegin in Frankreich kommt allerdings erst kurz vor 23 Uhr und da ich sie noch wach sehe, bekommt sie auch noch eine Antwort. Es ist immerhin nichts mit Arbeit, sondern eine Doku-Empfehlung zu antiqueerer Gewalt auf Arte.