14.05.2025 – Ordnung, Fuß und Blind Date

Die Katzen werden sehr früh wach, ich muss endlich die Balkontür im Schlafzimmer verdunkeln (Spoiler: Werde ich heute nicht). Abgesehen davon aber ein ruhiger Morgen mit gemütlicher Bettroutine. Zwischen Bloggen und Sprachen lernen stehe ich auf und mache mir zum Frühstück Grießbrei mit Erdbeeren und Matcha Latte.

Nach den Sprachen endgültiges tagfein machen und dann ist auch schon Zeit für anderthalb Stunden Webinar, wieder viel gelernt. Hinterher telefoniere ich mit dem Liebsten und esse zwischendurch zwei schnelle Käsebrote mit Pflaumenchutney. Wir feuern uns gegenseitig zu ungeliebten Aufgaben an. Meine ist, meinen Schreibtisch aufzuräumen, Ablage zu machen und neue Aktivierungsbriefe für die photoTAN-Apps auf dem neuen Telefon zu bestellen. Geht zum Glück einfach per Klick im Online-Banking. Während all dieser Dinge läuft im Hintergrund die Regierungserklärung live aus dem Bundestag.

Und zwar in einem Stream mit Live-Chat, auf den ich ab und an einen Blick werfe. Hui, zehn Deutsche sind wirklich dümmer als ein Deutscher (und das kommt gar nicht auf die Nationalität an, wurde aber damals von Heiner Müller so formuliert). Rechnet man ein paar offensichtliche Trolle und Bots ab, gibt es immer noch eine erschreckende Menge von Menschen, die wenn Merz über die Ukraine spricht schreiben: „Über Gaza darf er nicht reden.“ oder überhaupt eine Regierungserklärung mit: „Immer nur Reden, der soll mal was tun.“ kommentieren – eine Woche nach dem der Mann ins Amt gestartet ist. Und scheinbar glauben viele, der Kanzler würde die Kommentare live oder später nachlesen, es wird sich viel an ihn direkt gewendet, mit Handlungsaufforderungen. Faszinierend. Immerhin wird dann bei Weidels Erwiderung ordentlich empört kommentiert, scheinbar wird der Chat gut moderiert oder die AfD-Anhänger*innen gucken keinen Stream der ARD.

Anyway, irgendwann ist alles aufgeräumt und sortiert (also soweit, wie es nötig ist, Pareto-Prinzip und so) und ich erledige einige Telefonate und Planungen. Dann habe ich noch etwas Zeit und lese ein wenig in meinem Buch weiter. Und dann ist auch schon Aufbruch, denn ich habe heute noch etwas Spannendes vor. Ich ziehe mich ausgehfein an, wechsle von den einzulaufenden Docs in die eingelaufenen Sneakers, bringe eine Menge Papiermüll weg und mache mich auf den Weg. Leider fallen mir schnell zwei Probleme auf: Der Fuß, der in den Docs super zurecht kommt, hat in den Sneakern direkt wieder Schmerzen. Ich nehme also für eine Station die S-Bahn und bin auch ansonsten sehr humpelig unterwegs. Und mein Datenvolumen für diesen Monat ist alle, ich habe wohl in Ostfriesland und in den vielen Zügen doch mehr verbraucht, als sonst. Zähneknirschend kaufe ich für teures Geld ein GB nach und hoffe, damit die nächsten drei Tage im Draußen zu überstehen, bis es wieder frisches Volumen gibt. Das ist mir so zuletzt im Urlaub passiert und passt gar nicht mehr in mein aktuelles Erleben von WLAN zu WLAN. Verrückt.

Dann aber das Abenteuer. Die Freundin in Madrid hat mir bei unserem letzten Telefonat eine „neue“ App empfohlen. Man meldet sich an, bezahlt für einen gewissen Zeitraum eine Gebühr und kann dann wöchentlich an bis zu zwei Abendessen teilnehmen. Am Abend vorher erfährt man, in welchem Restaurant sie stattfinden und wie die Zusammensetzung der Gruppe nach Nationalitäten und Beschäftigungen ist. Man gibt vorher Präferenzen für Essen, Kosten und Bezirke ab und füllt einen Fragebogen über sich aus, nachdem die Leute gematcht werden, etwa zu Alter, Interessen, Sprachkenntnisse und Intro- oder Extrovertiertheit. Danach stellt die App (vermutlich ein Algorithmus) passende Gruppen zusammen. Pro Woche gibt es einen Termin nur für Frauen und einen für alle Geschlechter. Die Freundin in Madrid war begeistert von ihren Erfahrungen und jetzt probiere ich das auch aus.

Sehr gefreut habe ich mich gestern Abend über die Bekanntgabe des nepalesischen Restaurants, das ich noch nicht kenne und das gar nicht so weit weg liegt. Die Gruppenzusammensetzung sagte: Mexiko, Ukraine, Türkei, Puerto Rico und Deutschland, Dinnersprache Englisch. Drei Menschen aus dem Tech-Bereich, zwei aktuell nicht arbeitend. Typisch Berlin also. Im Laufe des heutigen Tages kam noch eine zweite deutsche Person aus dem Service-Bereich dazu – heute war keine deutschsprachige Gruppe zusammengekommen, sie wurde dann gefragt, ob Englisch auch OK wäre und wurde zu uns gematcht. Dafür tauchte die türkische Person am Ende nicht auf – schade.

Spannende Erfahrung, mit Leuten zusammengeworfen zu werden, die man nicht kennt und über die man nichts weiß. Aber eigentlich auch wie bei vielen Veranstaltungen, von daher werfe ich mich voll hinein. Zuerst werden die Gesichter mit Namen versehen und den Nationalitäten zugeordnet – man geht von dem aus, was man weiß und arbeitet sich dann vor. Die von der App vorgeschlagenen Gesprächsprompts ignorieren wir. Wir bestellen erstmal und starten dann in eine Vorstellungsrunde, wo jede*r etwas über sich erzählt – wie lange in Deutschland/Berlin, Lebenssituation, Arbeit… Alle so, wie sie Lust haben. Ich bin mal wieder die einzige in Berlin geborene, die andere deutsche Person ist aus Süddeutschland zugezogen, ja aus Baden-Württemberg. Alle wohnen im Prenzlauer Berg, alle sind mindestens mein Alter.

Papadams mit Achar, Sojabohnensalat
Mungbohnen-Raja, vier Sorten Momos (Gemüse, Hühnchen, Lamm und Wasserbüffel)

Schnell finden sich Anknüpfungspunkte – das Wetter in Berlin, Architektur, in London verbrachte Zeiten, öffentlicher Nahverkehr, Pandemieerfahrungen… Eine Person hat ein Projekt in einer Stadt gehabt aus der eine andere kommt, eine dritte war dort mal touristisch unterwegs… Es ist erstaunlich, wie schnell man etwas findet, auch mit völlig Fremden. Das Essen gerät dabei leider etwas in den Hintergrund. Es schmeckt gut, aber ich habe schon besser Nepalesisch gegessen, gerade neulich in Hamburg, zum Beispiel. Die Essen in Madrid, bei denen meine Freundin war, waren anders – spanisch lebhaft, mit Alkohol und hinterher Nummern austauschen. Bei uns geht es ruhiger zu. Kein Alkohol, wir bestellen alle nur jeweils einen Gang und als es am Ende darum geht, in die in der App bekannt gegebene Bar zu wechseln, in der sich alle Gruppen in der Umgebung treffen können, winken bis auf einen alle ab. Man muss zurück zu Kindern oder morgen früh raus und bei mir mahnt mein Fuß, zusätzliche Wege zu vermeiden. Außerdem ist die Bar am Rosenthaler Platz, das ist mir zu hektisch und ungemütlich.

Also höfliche Verabschiedung und Heimweg, kurz nach 9 bin ich schon wieder zuhause. In der App kann ich dann Feedback geben, zum Lokal und zu den Teilnehmenden – geben sich zwei positives Feedback, können sie über die App Kontakt aufnehmen. Die Gruppe war gut zusammengesetzt, wir waren drei Frauen und zwei Männer, das Verhältnis zwischen still und laut war gut austariert, so dass schnell ein Gespräch ins Laufen kam. Mit etwas mehr Zeit hätten sich die Gespräche bestimmt vertieft und vielleicht gibt es ja nochmal Kontaktaufnahmen über die App. Genau so cool wie bei der Freundin in Madrid war es leider nicht, aber ich habe noch drei Monate lang Gelegenheit, es weiter auszuprobieren, wenn Zeit und Kontostand es erlauben.