08.05.2025 – Weltgeschichte, Zeitgeschichte, Pasta

Um 7 scheint jetzt die Zeit zu sein, wo die Katzen spätestens schauen, ob ich wach bin, meist mit Tatze ins Gesicht. Habe die Verdunkelung immer noch nicht angebracht, aber vielleicht ist es ja auch ganz OK, nicht den ganzen Tag zu verschlafen. Noch ein bisschen zu Podcast dösen, dann beginnt der Tag mit den üblichen Verrichtungen und schon recht früh bin ich bereit fürs Frühstück. Es ist Feiertag, ich investiere also ein bisschen mehr Zeit und pochiere mir zwei Eier. Dann sitze ich auf dem Balkon und denke nach übers Essen und die Geschichte.

Die Eier sind auf Bagels, dazwischen Crowdfarming-Avocado aus Spanien, regionale Tomaten aus Brandenburg. Dazu gibt es Matcha Latte aus Japan und Crowdfarming-Orange aus Spanien. Mein erster Impuls ist, ha, Bagels und ausländisches Zeug zum Tag der Befreiung, da schlage ich den blöden Nazis ein Schnippchen! Hätte es die nicht gegeben, hätten wir hier in Berlin überall und bessere Bagels! Dann aber auch: Ohne Antisemitismus gäbe es gar keine Bagels, denn sie sind entstanden, weil Juden nicht so backen durften, wie Christen. Bezüglich des Matcha und des Obst fällt mir ein, dass die Nazis wahrscheinlich wenig gegen Obst aus ausgerechnet Japan und Spanien gehabt hätten, aus Gründen. Hmm. Dann überlege ich, wie unsere Berliner Esskultur wohl aussähe, hätte es die Nazis und den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Vermutlich mehr Bagels, ja. Aber vermutlich auch weniger Döner und wenige vietnamesische Restaurants, denn ohne den Krieg hätten „wir“ die Gast- und Vertragsarbeiter gar nicht gebraucht. International wäre die Küche wohl trotzdem gewesen, denn schon bei Volker Kutscher essen sie im chinesischen Restaurant Kiwis. Worüber man so nachdenkt beim Essen am Tag der Befreiung.

Dann schaue ich mir sehr ausführlich die Gedenkveranstaltung zu Gerd Poppe in der Heinrich-Böll-Stiftung gestern Abend an und lerne schon wieder viel über einen anderen Teil deutscher Geschichte, der aber natürlich mit dem davor zusammenhängt. Hier gibt es viel Wissen anzulegen aus den verschiedensten Bereichen und viele Referenzen auf Menschen, die ich aus anderen Zusammenhängen kenne. Am überraschendsten dabei ist, dass Gerd Poppes Sohn Musiker ist und ich ihn schon live gesehen habe, als er 2007 beim Populario mit Kissogram aufgetreten ist. Der Indiejunge und ich hatten noch wochenlang einen Ohrwurm von „I am the Night before“.

Dann aber zum eigentlich Gedenken des Tages, im Bundestag findet die offizielle Gedenkstunde zum Tag der Befreiung statt und ich bin mit etwas Verspätung im Livestream dabei. Überraschend gute Rede von Julia Klöckner, andere gute Beiträge, wirklich gute Rede von Steinmeier. Am Ende werden die deutsche und die europäische Hymne gespielt. Natürlich regen sich in den sozialen Netzwerken wieder Leute auf, dass nicht alle mitsingen. Bis vor wenigen Jahren war das total normal! Ich hingegen versuche, bei der europäischen Hymne mitzusingen, die ist mir näher. Leider hänge ich immer an der gleichen Zeile und schreibe sie jetzt hier auch nochmal hin, damit das irgendwann anders wird: „Deine Zauber binden wieder“. Den Rest kann ich und habe dabei immer meinen Bruder vor Augen, der das nämlich im Musikunterricht singen musste und stolz wie Bolle den Text deklamiert hat. Immer wieder.

Am späten Nachmittag fahre ich rüber nach Schöneberg und treffe mich mit einer Freundin zu einem frühen Abendessen. Wir haben gute zwei Stunden, um uns auf den neusten Stand zu bringen (und es ist viel passiert, auf beiden Seiten) und essen dazu sehr gut.

Antipasti: Lachstartar, Thunfischtartar, Oktopussalat, Caprese, Carpaccio, Parmigiana, Vitello tonnato
Hausgemachte Tagliolini aus dem Parmesanlaib mit Trüffeln
Pastiera

Die Pastiera bekommen wir gratis, weil wir ehrlich geantwortet haben, dass die Taglioni etwas zu salzig waren. Endlich wieder Pastiera!!! Zum Glück war meine Freundin da schon sehr satt und ich bekam ihr Stück auch noch. Ich liebe Pastiera. Als wir gerade beim Bezahlen sind, erzählen sich die Anwesenden Italiener*innen: „Habemus papam!“ Schon? Wer denn? Wissen wir noch nicht. Ich übersetze für die Freundin, aber dann muss sie los zu ihrer nächsten Verabredung und ich mache mich auf den langen Heimweg mit zwei U-Bahnen und Tram. Unterwegs kommt dann die nächste Eilmeldung mit dem Namen vom Papst und ich verbringe die Rückfahrt mit den sozialen Netzwerken.

Schon um 20 Uhr bin ich wieder daheim und kann dann nochmal alle möglichen Dinge nachgucken – Brantner bei Lanz gestern (spannend, besonders wie Lanz sich plötzlich auf die Seite der Grünen gegen die CSU schlägt, na huch?), Banaszak und Bas bei Maischberger gestern. Und natürlich die Antrittsansprache vom Papst und den Rauch- äh Brennpunkt zu seiner Wahl. Dann geht es müde ins Bett, aber ein paar Seiten lesen schaffe ich noch, bis um Mitternacht das Licht ausgeht.