01.05.2024 – Tag ohne Feiern

Ich erwache um 6, als der Mitbewohner samt Besuch nach Hause kommt, wahrscheinlich von einer Feierlichkeit, nehme ich an. Diese jungen Leute (er ist ein halbes Jahr älter als ich). Es ist natürlich schon taghell, die Vögel zwitschern und es dauert eine ganze Weile, bis sich alles in der Wohnung wieder beruhigt (Wer viel feiert, muss danach viel schlafen), also bin und bleibe ich wach. Ich fühle in mich hinein und halte mich für weniger krank als gestern – vielleicht kann ich ja heute doch mal rausgehen und evtl. sogar den Liebsten mal wieder sehen? Der hat heute volles Programm mit zwei verschiedenen Freund*innenterminen, für den zweiten wäre ich eigentlich mit eingeplant gewesen. Ich mache mir einen „Energietee“ mit Ingwer und Holunderblüte, lese das Internet leer, blogge und überlege weiter vor mich hin.

Das Internet bringt mich auf eine Doku über Musiker*innen in der DDR, hauptsächlich Mucker*innen, es sind aber auch Dirk Michaelis und Die Art dabei. Ganz interessant. Zwischendrin telefoniere ich mit dem Liebsten und wir verabreden, dass ich bis er zum ersten Termin aufbricht mal schaue, wie sich mein Zustand entwickelt. Als die Doku vorbei ist, mache ich mir eine Playlist mit (guten) Ostsongs an und stehe auf. Inzwischen ist es fast 11, da bin ich ohne schlechtes Gewissen laut. Ich ziehe mich an und kümmere mich erstmal um den Haushalt – Balkon gießen, Katzen füttern, Geschirrspüler aus- und einräumen, Müll runterbringen. Beim Treppe wieder hochsteigen muss ich mir eingestehen, dass es mit meiner Genesung noch nicht so weit her ist. Das frühmorgendliche High hat sich verzogen, die Atemwege sind wieder zu. Als der Liebste wieder anruft, muss ich ihm schweren Herzens absagen – bis zum Wochenende muss ich aber wieder gesund werden, wir haben doch Pläne!

Ich mache mir Wasser mit Zitrone und Müsli mit Apfel und setze mich zum Frühstücken auf den Balkon – heute gut eingecremt und mit Sonnenhut. Statt der Ostsongs höre ich jetzt Arbeiterlieder, wo ich schon den 1. Mai verpasse. Nach dem Essen werde ich wieder müde und gehe zurück ins Bett. Hier läuft mir im Internet die nächste Filmempfehlung über den Weg, die ich so weitergeben kann. Das Leuchten der Rentiere ist eine Netflix-Produktion von, mit und über Samen, in dem es um die Konflikte zwischen indigener Bevölkerung und Mehrheitsgesellschaft geht. Spielt in Schweden aber könnte ähnlich auch in vielen anderen Gegenden erzählt werden. Drauf gekommen bin ich über eine norwegische Sami-Aktivistin, der ich auf TikTok folge. Leider muss ich inzwischen viele ihrer Videos überspringen, in der sie sich zu Gaza äußert und dort die Palästinenser*innen als indigen und die Israelis als Kolonialist*innen bezeichnet. Äpfel, Birnen.

Der Film ist gut, aber zwischendurch schlafe ich ein – Mittagsschlaf zwischen Frühstück und Mittagessen. Am Ende des Films gucke ich das mir fehlende Stück (etwa 20 Minuten) nochmal nach. Danach habe ich wirklich Mittagshunger und während ein großer Teil meiner Familie sich zu einer Feier in einem sorbischen Restaurant trifft, mache ich mir passend Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl und sauren Gurken.

Kartoffeln sind heute quasi verpflichtend, denn „früher“ am 1. Mai standen wir Kinder immer ganz früh am Morgen auf, holten Kartoffeln aus dem Keller und „rösteten“ sie in der noch heißen Asche des Hexenfeuers vom Vorabend. Ich habe sofort alles wieder im Sinn, wenn ich daran denke: Das erst noch taufrische Gras, wie sich die gelbe Siebschüssel in den Fingern anfühlt, in der ich die Kartoffeln zum (Ex-)Feuer trage, wie die Heugabel in der Hand liegt, mit der wir die Asche nach Glut durchsuchen und wie die Asche dabei klingt, das Knacken und Duften des kleinen Feuers, das wir oftmals anzündeten, um noch restliche Zweige zu verbrennen, und wie wir dann schließlich die heißen, verkohlten Kartoffeln aus der Asche klauben, uns beim Abschälen die Finger verbrennen, ein bisschen Butter und Salz auf die Kartoffeln tun und sie direkt aus der Hand (oder von der Heugabel) essen – bester Kartoffelgeschmack, leicht aschig im Abgang. Am nächsten kommt man dem Geschmack übrigens nicht mit Ofenkartoffeln, sondern mit Pellkartoffeln aus dem Schnellkochtopf. Meine bleiben aber heute klassisch.

Dazu und danach gibt es das nächste Film-Dings. Eine Freundin schrieb mir gestern von „Hack your Health“ auf Netflix, Doku aus der „Darm mit Charme“-Ecke. Die gucke ich mir jetzt auch mal an. Quintessenz am Ende: Das Mikrobiom ist wichtig und bei jedem individuell, es lässt sich durch Essen und Lebensweise beeinflussen und der Zustand unseres Darms hat Einfluss nicht nur auf unsere körperliche, sondern auch auf unsere seelische Gesundheit. Wichtigste Tipps: Viele, viele Ballaststoffe und möglichst abwechslungsreich essen, damit eine schöne bunte Population an Bakterien da ist, die auf alles bestmöglich reagieren kann. Als Anhaltspunkt soll man schauen, dass man 20-30 verschiedene Obst- und Gemüsesorten pro Woche isst. Die Freundin hat vor ein paar Tagen zu dokumentieren angefangen und ich mache das jetzt spaßheitshalber auch mal.

Von der Doku wechsle ich wieder zu The West Wing, gucke die sechste Staffel zu Ende und fange die 7. an. Zwischendurch überlege ich, was es zum Abendbrot geben soll. Am Ende entscheide ich mich für veganes Sushi (Ingwer gegen die Erkältung, Wasabi für die Atemwege, Algen und den Rest für die Obst- und Gemüseliste). Ich bestelle ungefähr als der Liebste berichtet, wie er mit einem Dönerteller auf dem Weg nach Hause ist. Als Abendunterhaltung schaue ich „Morning Glory“, den mir Netflix schon den ganzen Tag unter die Nase hält. Kein guter Film, aber ich sehe Diane Keaton sehr gerne und Rachel McAdams auch und ich glaube Diane Keaton und Harrison Ford hatten bestimmt viel Spaß beim Drehen ihrer gemeinsamen Szenen. Mittendrin kommt das Sushi an, ist aber das Falsche (Bestellung verwechselt) Zwanzig Minuten später kommt dann das Richtige und ich kann meiner Liste neben Ingwer und Algen auch noch Romasalat, Rettich, Paprika, Spinat, Shiitake, Avocado und Mango hinzufügen. Macht heute alleine schon 15. Gestern dachte ich noch 20-30 sei sportlich, aber mit solchen Aktionen geht es wohl doch recht easy (Muss man sich natürlich auch leisten können, so spontan Sushi zu bestellen).

Kurz nach 10 ist der Film vorbei und ich verschwinde mit dem „Zauberberg“ wieder im Bett, nach einer halben Stunde sind die Augen zu…

30.04.2024 – Sonnenbrand statt Hexenbrennen

Dass der 30. April und damit nicht nur „Hitler-ist-tot-Tag“ sondern außerdem auch Hexenbrennen ist (zumindest da, wo ich herkomme), fällt mir erst im Laufe des Tages ein und auf. Vorher wurde ich mit einem blöden Traum sehr früh aus dem Schlaf gerissen und habe dann Mühe, wieder einzuschlafen, aber dann geht es bis zum Weckerklingeln weiter. Kurzer Gesundheitsscan: Immer noch verrotzt. Es war also richtig, das Yoga abzusagen und ich werde dann heute also auch nicht ins Büro gehen, sondern wieder im Liegen arbeiten. Ob des plötzlichen Sommereinbruchs aber wenigstens auf dem Balkon und nicht im Bett, auf dass frische Luft und Sonne den Bazillen den Marsch blasen.

Ich frühstücke Kräutertee mit Zitrone und Honig, Müsli und Apfel und arbeite mich durch die E-Mails der Nacht. Neben zwei langen Meetings heute ist die Hauptaufgabe vom Monatswechsel bestimmt und da komme ich dann darauf, dass heute Abend in der Lausitz die Feuer brennen und ich nicht dabei sein werde. Im Norden am Meer wird in den Mai getanzt und da bin ich in meinem Zustand schon gar nicht dabei. Hier melancholisches Seufzen einfügen. Dass ich an der Berliner Tradition zum ersten Mai teilnehmen kann – Daydrinking in Kreuzberg und dann rechtzeitig heim, bevor es ungemütlich wird – ist auch nicht sehr wahrscheinlich, die Erkältung geht wirklich sehr langsam (obwohl sie heute regelgemäß den ersten Tag „gehen“ müsste). Es ist alles sehr unerquicklich.

Wenigstens bereite ich für den Mai einen Achtsamkeitskalender vor, mit 31 kleinen Anregungen für mehr Präsenz im Hier und Jetzt. Mai ist nämlich „Mental Health Awareness Month“ und schon das Lesen der Anregungen beim Kopieren in den Kalender bringt mich ein wenig runter. Muss es eben später im Jahr Feuer und Tanz und Waldmeisterbowle geben, ich lasse mir von einem kaputten Immunsystem nicht vorschreiben, wann ich zu feiern habe!

Um 17 Uhr dann wieder früher Feierabend – die selbst notierten Überstunden von letzter Woche sind eh noch nicht aufgebraucht – und dann geht es auch vom Balkon zurück ins Bett. Hätte ich mich heute morgen mal eingecremt, mein Gesicht ist feuerrot. Passt ja aber auch zum allgemeinen Unwohlsein, seufz. Den Abend verbringe ich mit Ablenkungsmanövern – nicht zu viel nachdenken über die Arbeit, die Welt, das Befinden lieber Menschen. Daher zwischen diversen Telefonaten mit dem Liebsten und einem mit Mama viel TikTok mit Essens-, Sprach-, Katzen- und Reiseinhalten. Die Essensinhalte helfen dann beim Kreieren des Abendbrots.

Restereis mit Kichererbsen, Gurke, Rosinen, Olivenöl, Zitronensaft, Schnittlauch, Minze, Petersilie, Salz und Pfeffer zu Salat verarbeitet

Dazu gibt es zwei Folgen „The West Wing“, dann ist es schon wieder nach 10 und ich mache mich schlaffertig. Erkältung wegschlafen ist das Motto!