08.03.2024 – Frauenstreiktag

Um 8:30 hätte der Wecker geklingelt, ich bin seit kurz nach 7 wach – habe aber trotzdem ausreichend geschlafen, drum soll mich das nicht grämen. Das Teilzeitkind rödelt dann auch schon irgendwann herum, frühstückt und packt seine Sachen für einen Wochenendausflug und gegen 8 wacht auch der Liebste auf und macht Kaffee. Wir trinken ihn wie immer gemütlich im Bett und checken dann, wie der Streikfahrplan für heute aussieht – nicht so gut. Meine ursprünglich anvisierte Verbindung klappt nicht, drei Stunden später könnte ich aber wohl los – da ich nicht so weit fahre wohl kein Problem. Der Liebste entscheidet sich angesichts der Gesamtsituation, seine Reise nach Westen abzublasen und das nun zugbindungsfreie Ticket lieber in drei Wochen zu Ostern zu nutzen.

Kurz nach 9 werden das Teilzeitkind und das Nachbarskind von der Teilzeitkindmama samt Anhang und Geschwistern abgeholt und der Liebste und ich legen uns dann nochmal kurz hin. Die neue Ausgangslage schafft ganz neue Möglichkeiten – eigentlich hätte er jetzt bald losgemusst, so aber können wir schön zusammen frühstücken gehen und Frauentag feiern. Dazu gehen wir in unser Stammfrühstückslokal Südberlin und gönnen uns zum italienischen Frühstück (für ihn) und schwedischen Frühstück (für mich) je ein schönes Glas Rieslingsekt.

So richtig Date-Atmosphäre hatten wir ja auch schon eine Weile nicht mehr – gute Sache das. Der Liebste bezahlt dann auch und stottert so einen Teil der jahrtausendelang aufgebauten Kollektivschuld als Mann ab. Finde ich OK. Apropos Geld – für die Spannungsbogenenthusiast*innen: Gestern kam dann endlich das Geld von der Versicherung an und war sogar mehr, als ich in Erinnerung hatte. Finde ich mehr als OK. Nächster Programmpunkt war ein Einkauf im schwedischen Kaffeehaus – Zimt- und Kardamomschnecken als Mitbringsel und frisch gemahlenen Espresso für den Liebsten. Dann ist noch etwas Zeit, bis meine S-Bahn fahren soll und weil wir es können gehen wir einfach noch zum Eisladen.

Dann spaziert der Liebste nach Hause und ich zur S-Bahn, stelle aber dort angekommen fest, dass die S-Bahnen doch noch nicht fahren. Kann ich also nicht entspannt mit Blick auf den Wannsee auf meinen Zug warten, sondern nehme die U-Bahn zum Zoo.

Die Aussicht ist anders, aber die Sonne scheint und mit Musik auf den Ohren komme ich jetzt in Ruhe dazu, den gestrigen Tag zu verbloggen, bis der Zug kommen soll. Mit Betonung auf „soll“. 14:20 soll er nach Plan kommen, also über eine Stunde nach Streikende. Daraus wird dann 14:47 laut App, 14:45 laut Ansage. Gegen 15 Uhr werde ich unruhig. Bald darauf kommen Ansagen, dass der Nachfolgezug um 15:20 verspätet ist, dann aber auch welche, dass der 14:20 mit 60 Minuten Verspätung abfahren soll – und das tut er dann auch. An der Stelle bin ich dann schon ganz durchgefroren. Ich ergattere einen Sitzplatz am Fenster, mit Steckdose, und freue mich lesend über mein Glück – bis angesagt wird, dass der Zug in Bad Belzig endet und nach Berlin zurückfährt. Der Folgezug soll ja aber kurz danach kommen.

Auf dem Bahnsteig in Bad Belzig drängt sich eine komplette Zugladung Menschen und viele versuchen, in dem kleinen sonnenbeschienenen Streifen zu stehen. Da stehe ich auch bis ein paar Minuten bevor der Folgezug kommen soll – aus Angst, nicht mitzukommen, wenn gleich zwei Zugladungen voll Menschen in einen Zug passen sollen. Natürlich kommt der Folgezug nicht pünktlich. Mit ordentlich Verspätung kommt dann ein Zug, der aber auch nach Berlin zurückfährt. Ein kalter Wind weht über den Bahnsteig. Eine Zugbegleiterin wartet mit uns, die mit dem gleichen Zug weiter will und auch nicht mehr Informationen hat – bis sie mit dem Lokführer des nächsten Zugs telefoniert, der uns dann wirklich mitnehmen wird – nochmal deutlich später.

Bis dahin beantwortet sie so gut es geht Fragen, klärt über die Gründe für den Streik auf, die schlechten Arbeitsbedingungen, die unverschämten Vorstände, den unfähigen Verkehrsminister, die Fehler der Privatisierung… Sie hält die Leute bei Laune und schafft es, dass sich der Zorn der Menschen gegen den Konzern richtet und nicht gegen die GDL. Ich unterstütze sie mit passenden Nachfragen dabei nach Kräften. Eine Gruppe Damen mit Piccolöchen auf Frauentagsausflug sorgt mit lautem Gesang auf Stimmung.

Es ist inzwischen furchtbar kalt, die Sonne ist weg, der Wind weht immer noch. Der Zug ist dann überraschend leer und ich bekomme unproblematisch einen Sitzplatz in der (freigegebenen) ersten Klasse. Leider ist die Fahrt nicht so lang, denn in Roßlau heißt es dann nochmal umsteigen nach Leipzig. Dieser Zug ist dann auf die Minute pünktlich, aber so voll, dass ich 50 Minuten dicht gedrängt stehen muss. Ab der um zwei Stunden verspäteten Ankunft in Leipzig Hauptbahnhof wird es dann einfach.

Die Straßenbahn kommt und eine Viertelstunde später sitze ich im Wohnzimmer meines Cousins, seine Kinder toben um uns herum. Er serviert den Wein, seine Freundin die Pasta al limone und dann wird das ein sehr guter Abend, bis ich kurz nach Mitternacht völlig knülle ins Bett falle.