14.11.2023 – Umnebelter Tag

Ich sagte ja bereits, dass die Nacht furchtbar war – kurz, mit schweren Träumen und vielen Unterbrechungen. Morgens also neben sehr traurig und aufgewühlt auch sehr müde. Ich raffe mich aber trotzdem zum vollständig Anziehen und an den Schreibtisch setzen auf, weil abends ja noch Yoga geplant ist und ich also irgendwann aus dem Haus muss.

Inzwischen hat auch der Rest der Welt die Ankündigung des Kollegen gelesen und ich bekomme Nachrichten dazu aus aller Welt. Die im Nachhinein wichtigste ist die der Kollegin aus Paris, die sagt, wir sollen es heute langsam angehen lassen. Vor mir liegen sechs Meetings. Im Laufe des Tages werden zum Glück drei davon von der Gegenseite verschoben, das verschafft mir etwas Luft. Um 10 geht es los mit einem Call mit Warschau und Paris, um 11 dann länger und mit vielem Reden über den Kollegen und was man für ihn tun kann, mit verschiedenen Leuten in Berlin. Ich informiere nun auch offiziell den Rest der Belegschaft, gebe den Hinweis auf Unterstützungsprogramme der Firma und die Möglichkeit, sich Zeit zum Verarbeiten zu nehmen weiter und gehe in die Pause.

Nebenbei unterschwellige Aufregung weil mein Bruder heute wieder operiert wird. Die Mittagspause verbringe ich mit Rest-Salat von gestern und Handyspielen auf der Couch. Zwischendurch gucke ich immer wieder auf den Post des Kollegen, unter dem sich die Kommentare sammeln – von aktuellen und ehemaligen Kolleg*innen, Geschäftspartner*innen und Wegbegleiter*innen von noch früher (wir arbeiteten seit mehr als 13 Jahren zusammen, alles davor ist tiefstes Früher).

14 Uhr zurück an den Schreibtisch. Austausch mit Kolleg*innen, Vor- und Nachbereiten von Meetings, immer wieder der Blick auf die Uhr und die Frage, wann mein Bruder sich wohl wieder melden wird. 15:30 dann ein produktiver Call mit Madrid und Chicago, der zunächst nur mit Madrid anfängt, so dass wir natürlich über den Kollegen sprechen. Als die Kollegin aus Chicago dazukommt, vertagen wir das Thema auf später und machen uns an die Arbeit.

Die letzten Stunden des Arbeitstages werde ich langsam unruhig, weil sich mein Bruder noch nicht gemeldet hat. Ich telefoniere mit dem Liebsten, schreibe mit der Freundin des Bruders, klicke mich durchs Netz und versuche mich abzulenken. Es ist alles zu viel auf einmal. Ich mache um 17:30 einen frühen Feierabend und gehe zurück aufs Sofa. Kurz danach meldet sich die Freundin meines Bruders und sagt, dass er auf dem Weg vom Aufwachraum auf die Station ist. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Wenigstens die eine Last ist erstmal genommen. Dann telefoniere ich mit der Kollegin in Madrid, wir gleichen unser Erleben der Situation ab, tauschen uns aus, weinen fast und lachen viel. Auch das tut gut, ebenso wie die Sprachnachricht eines anderen Kollegen.

Jetzt, wo ich weiß, dass mein Bruder okay ist, kann ich auch zum Yoga aufbrechen – zwischenzeitlich habe ich das im Geist schon abgesagt, weil ich dort nicht erreichbar bin. So aber breche ich auf und laufe mit einem Podcast (Trevor Noah bei Dax Shepard) auf den Ohren durch den Pberg. Es ist erstaunlich warm. Das Yoga tut gut, auch wenn mein Körper schmerzt und ich gedanklich nicht von den Themen des Tages wegkomme. Beim Shavasana döse ich mehrfach weg. Auf dem Rückweg dann Nachrichten von meinem Bruder. Endlich.

Wieder zuhause schmiere ich mir schnell Stullen (Hiddenseer Wildschweinleberpastete, Bockshornkleegouda) und esse sie mit Cornichons und danach zwei Satsumas. Eigentlich wollte ich noch ein-zwei Folgen „The West Wing“ gucken, bin aber zu aufgewühlt und spiele stattdessen und schaue TikTok. Gegen 23 Uhr mache ich mich bettfertig und nach zwei Seiten im Buch schlafe ich völlig erschöpft ein.

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