22.09.2023 – Wärmflasche und Stammitaliener

Gestern war noch richtig Sommer, heute ist es plötzlich Herbst. Temperaturabfall, Regen und ich sitze mit Kuscheldecke am Schreibtisch, um die Katzen zu motivieren, auf meinem schmerzenden Bauch Platz zu nehmen und ihren Job als Wärmekatzen zu machen. Abgesehen davon ist es ein geschäftiger Freitag im Homeoffice, mit drei Meetings (einmal zwei Stunden, zweimal eine halbe Stunde), einer Übersetzungskorrektur und viel Fließbandarbeit im Backend.

Eigentlich wollte ich in der Mittagspause mein Leasing-Fahrrad zurückgeben – im Herbst und Winter fahre ich noch unwahrscheinlicher als im Frühling und Sommer – aber wegen Schmerzen und Regen verschiebe ich den Termin auf Montag. Stattdessen mache ich mir die Linguine von gestern warm und lege mich zum Essen auf die Couch – da liegen sofort beide Katzen bereitwillig auf mir.

Nach Feierabend packe ich meinen Rucksack fürs Wochenende (heute mit Wärmflasche), versorge die Katzen und fahre dann mit S- und U-Bahn nach Südberlin, wo außer dem Liebsten und dem Teilzeitkind auch die Liebstenmama auf mich wartet, die zwischen Wanderurlaub in Franken und Chorauftritt tief im Westen schnell für eine Nacht nach Berlin gekommen ist, um das Teilzeitkind zu besuchen und den Erstbesuch beim Neugeborenen ihrer Nichte zu machen. Mit über 80 hat man schließlich immer viel zu tun!

Gemeinsam haben wir einen schönen Abend beim Stammitaliener:

Zweierlei Bruschetta, Focaccia, Rindercarpaccio, Lachscarpaccio
Hauspizza, Schweinemedaillons mit Pilzen, Tagliatelle mit Lachs in Hummersauce, Gnocchetti sardi mit Salsiccia und Ragù
Nachtischvariation mit Panna cotta, Tiramisù, Mousse au chocolat und Vanilleeis

Vor dem Essen gibt es für mich wieder einen Sarti Spritz und zum Essen einen Montepulciano d‘Abbruzzo – passt von den offenen Rotweinen am besten zur Salsiccia und ich bereite mich gedanklich weiter auf den neuen Mitbewohner vor. Damals mit Il Professore gab es dann ja irgendwie auch nur noch Fiano und Aglianico, die beiden Hauptreben aus seiner Region.

Zum Abend hin werden die Schmerzen schlimmer – Endometriose suckt ganz ungemein – und ich liege während des Erzählens mit dem Liebsten und seiner Mama (das Teilzeitkind ist schon im Bett, die Mitbewohnerin in ihrem Zimmer) mit Wärmflasche auf der Couch. Als ich lese, dass Giorgio Napolitano gestorben ist, hören wir erstmal „Bandiera Rossa“.

Später erzählt die Mama von ihrer ersten Verabredung mit dem Liebstenpapa und wieviel Spaß sie am ironisierten Parlieren über die Tagebücher von Ernst Jünger (Ernst Bloch? kann auch ein anderer deutscher Schriftsteller dieser Zeit gewesen sein, der jedenfalls ähnlich wie Thomas Mann sehr ausführlich über seine Körperfunktionen schrieb) hatten und wie sehr der gemeinsame Humor sie jetzt schon seit über 50 Jahren zusammenhält (bald ist Goldene Hochzeit).

Der Liebste und ich blicken uns vielsagend an und denken an unser eigenes erstes Date vor vier Jahren (auf den Tag genau, fällt mir beim Aufschreiben ein) und dass einer der Schlüsselmomente ein ironisiertes Gespräch über ein popkulturelles Phänomen der 90er Jahre gewesen ist. Well, well, well…