15.09.2023 – Endlich Freitag, WG-Dings und viel Wein

Nach unruhiger Nacht vom Weckerklingeln geweckt worden und einigermaßen munter die Morgenroutine absolviert – nur die Sprach-Apps mussten verschoben werden, zum Glück gibt es später noch rechtzeitig eine Erinnerung und mein Duolingo-Streak überlebt auch diesen Tag, an dem ich mir neben der Arbeit auch viele Gedanken mache – über die Qual der Wahl nach dem WG-Casting. Details hierzu erst, wenn ein Untermietvertrag in Sack und Tüten ist und alle Beteiligten informiert sind. Ich überlege jedenfalls viel hin und her und hole viele Meinungen ein.

Arbeitstechnisch ist aber auch noch so einiges los, ich habe insgesamt sechs halbstündige Meetings, die alle recht intensiv sind, komme in Projekten voran, habe eine wahrscheinlich sehr gute Idee (die meine Chefin zum nächstwöchigen Treffen der C-Suite mitnehmen wird), haue vor einer relativ großen Gruppe von Menschen in einem E-Mail-Verlauf einmal kräftig mit der Faust auf den Tisch – mit Erfolg – und bespreche mit meiner Chefin die Neuaufteilung der Aufgaben in unserem Team und einen fancy Namen für das was ich zukünftig also tun soll – mal gucken, ob das auch eine Titeländerung mit sich bringen, oder nur für den internen Gebrauch genutzt werden wird.)

Am Nachmittag seit langem mal wieder ein gemeinsamer Chai mit dem Noch-Mitbewohner, samt Besprechung seiner Aus- und Umzugslogistik. Nach der Arbeit gehe ich dann eine längere Runde spazieren und tausche mich dabei mit meiner Freundin in Frankreich aus, bevor ich den Liebsten an der S-Bahn treffe und wir gemeinsam das Geschenk einlösen, das meine Cousinen mir zum 40. gemacht haben – eine Weinprobe zu seltenen italienischen Rebsorten. Die findet in einem der Foodie-Mekkas im Prenzlauer Berg statt, wo es gute Lebensmittel, jede Menge Kochbücher und eben auch Kochkurse etc. gibt. In einer hinteren Ecke des Ladens versammeln sich 14 Teilnehmende und ein Sommelier – ich habe nicht nachgezählt, sondern komme jetzt durch Logik darauf – wenn es von jedem Wein 0,1 l gibt, kommt man bei 15 Personen mit genau zwei Flaschen hin.

Das Publikum ist ein wenig so, wie man sich das in einem teuren Lebensmittelladen im Prenzlauer Berg so vorstellt – mit viel zur Schau getragenem Vor- und Halbwissen. Der Sommelier selbst ist hingegen sehr sympathisch, kennt sich aus und moderiert gut gelaunt durch den Abend. Am Anfang fremdeln wir noch ein wenig mit dem Gesamt-Set-up, aber der Wein hilft und beim zweiten Glas – dem Favoriten des Abends, bei allen, ist auch der Liebste aufgetaut und hat Spaß. Wir beginnen mit einem perlenden Naturwein aus dem Veneto – von den Rebsorten her eine Mischung aus Corvina, Molinara, Rondinelle und Sangiovese.

Darauf folgt der bereits erwähnte Favorit des Abends – ein Nascetta aus dem Piemont, der in der gleichen Gegend wie Barolo wächst und von den gleichen Vorzügen des Terroirs profitiert, aber nur in sehr sehr kleinen Mengen angebaut wird. Wir alle sind hin und weg.

Der dritte Wein kommt dann aus Abruzzen, ist ebenfalls weiß und heißt Pecorino, weil die Schafe der Gegend diese Trauben so gern fressen. Das ist vermutlich die bekannteste der Rebsorten, die heute Abend im Glas landen.

Mit dem Rosé geht es dann nach Sizilien, an den Ätna, die Rebe ist Nerello Mascalese und ich bin ziemlich sicher, dass ich bei einem meiner Sizilienbesuche (oder damals in der Enoteca in der Lombardei, als ich hinterher im Bett von Garibaldi schlief?) schonmal Nerello getrunken habe. Sehr gut jedenfalls! Dann geht es mit dem ersten Roten zurück in den Piemont, nach Novara und irgendwie habe ich diesmal kein Foto vom Glas gemacht, nur von der Flasche – lag vielleicht am gestiegenen Alkoholanteil in meinem Blut – Uva rara jedenfalls.

Hier wechseln wir dann auch vom leichten Pecorino (dem Käse, nicht dem Wein) zum kräftigen alten Kuhkäse (Gouda in dem Fall) als Begleitung, das passt besser. Brot und Wasser gibt es natürlich auch die ganze Zeit über. Der letzte Wein kommt dann wieder aus dem Süden, aus Kalabrien. Mit Wein aus der Gaglioppo-Rebe wurden schon die Sieger bei der antiken Olympiade bewirtet.

Außerdem gelernt:

  • Zinfandel ist nur ein anderer Name für Primitivo, allerdings kommt diese Rebe nicht ursprünglich aus Apulien, sondern aus Kroatien
  • Um 1870 herum wurde die Nordamerika nach Europa eingeschleppte Reblaus fast allen europäischen Weinstöcken zum Verhängnis, deshalb gibt es fast keine mehr, die älter sind. Danach wurden südamerikanische Weinstöcke, die immun gegen die Reblaus sind, nach Europa eingeführt und die alten europäischen Rebsorten darauf aufgepropft
  • Der Klimawandel macht schon jetzt vielen italienischen Rebsorten zu schaffen, besonders in den flacheren Anbaugebieten des Südens
  • Mal nach dem Sassicaia-Wein aus der Gegend um Bolgheri gucken, Empfehlung des Sommeliers zum Thema „Supertuscan“
  • Pauline Bonaparte, die Lieblingsschwester Napoleons, heiratete in die Toscana ein und war verantwortlich dafür, dass viele französische Reben seitdem dort angebaut werden

Wichtig ist dann natürlich noch der Hinweis, nachdem alle schon ordentlich angeheitert sind, dass es für die Teilnehmenden nur heute 10 % Rabatt im Laden gibt. Wir haben eh schon beschlossen, noch ein wenig einzukaufen und während die anderen noch den letzten Schluck trinken, steht der Liebste schon am Weinregal. Wir sichern uns schnell das Wenige, das vom Nascetta noch drinsteht – für die anderen Teilnehmenden wird noch eine Kiste von hinten geholt, aber dann muss man erst nachbestellen. Mit Wein und Käse versorgt machen wir uns vergnügt auf den Heimweg und lassen den Abend dann noch bei einem gutem toskanischen Grappa auf dem Balkon ausklingen.

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