10.08.2023 – Bäume fällen, Zimmer besetzen, im Atlantik baden und Seafood essen

Heute wird ein warmer Sommertag, auch wenn es morgens wegen Wind noch recht kühl ist und wir drinnen frühstücken. Danach das übliche Herumlungern mit Lesen, Bloggen, Sprachlern-Apps und Co. Als ich mich dann gerade aufraffen möchte, um ins Bad zu gehen und aus dem Schlafanzug herauszukommen, kommt stattdessen unser Holzfäller-Einsatz zum Zug. Wie berichtet, hatte ja ein Biber einen der Pfeiler der Wäscheleine gefällt. Meine Mama hatte nun den Plan, eine Fichte zu fällen und damit Raum für mehr Wäsche zu machen und bat den Liebsten um Unterstützung. Gemeinsam kamen sie dann darauf, aus der Fichte einfach noch einen weiteren Pfeiler zu machen und so gleich zwei weitere Leinen spannen zu können. Also bearbeitete der Liebste die Fichte mit Beil und zwei verschiedenen Sägen auf über-Kopf-Höhe und sägte später den gefallenen Stamm noch in drei handlichere Teile.

Mein Job war es, den Stamm mit der Astschere zu bearbeiten und die vielen Fichtenwedel dann an eine Stelle am Ufer zu tragen, wo sie als „Flutwall“ gegen zukünftig steigenden Meeresspiegel aufgeschichtet werden – alles in Schlafanzug und Gummistiefeln, wie so ein Stadtmensch. Der dicke Stamm wird zu Feuerholz für den nächsten Winter, aber erst, wenn es nicht mehr so heiß ist. Nach dem Arbeitseinsatz – die Sonne steht inzwischen wirklich hoch und es ist weitgehend windstill, gehen wir erst einmal duschen und uns fertig anziehen, während meine Mama mehr Wäsche wäscht und aufhängt.

Das Teilzeitkind hat in der Zwischenzeit sein Zimmer besetzt. Während des Frühstücks kam nämlich das Thema auf, ob es demnächst, wenn weiterer Besuch eintreffen wird, sein Zimmer mit dem Schlafsofa gegen ein anderes, das zwei Einzelbetten hat, eintauschen würde. Nun, ich denke die Antwort lautet nein. Vor seinem Zimmer jedenfalls steht nun ein Protest-Pappschild mit einer längeren Erklärung, die in „Ich bleibe hier“ und „Dies ist ein Antiterroranschlag des asozialen Netzwerks“ gipfelt. Außerdem hat es den Liebsten als Verbündeten rekrutiert und Flyer gebastelt, die er morgen für die gute Sache verteilen soll. Warten wir ab, wie sich die Situation entwickelt.

Nachdem wir uns von der Aufregung und der Baumfällerei erholt haben, brechen wir auf an den Strand – es ist der Wobamkek Beach, der unter seinem Colonizer-Namen als schönster Strand Nova Scotias bekannt ist – zu Recht! Unterwegs halten wir noch an drei Geocaches an, von denen wir aber nur einen finden. Einer ist von Biomasse überwuchert und gut von Insekten bewacht, ein anderer existiert nicht mehr, da das Haus, an dem er befestigt war, inzwischen verkauft und umgebaut wurde – die neuen Besitzer*innen sind sehr kanadisch freundlich, hilfsbereit und dann untröstlich. Sie erinnern sich sogar daran, dass da ein kleines schwarzes Ding war, dass inzwischen weg ist und vermuten, dass die Handwerker es entsorgt haben. Der dritte Cache klappt dann aber zum Glück.

Auf unserem Weg zum Strand müssen wir durch zwei Baustellen, an denen die vor wenigen Wochen von Überflutungen weggespülte Straße repariert wird. Wir warten jeweils vor einem Mensch mit Stop-Schild, dann kommt nach einigen Minuten ein Führungsfahrzeug und dahinter eine lange Schlange Autos aus der Gegenrichtung. Wenn die durch sind, dreht das Führungsfahrzeug um, der Mensch dreht das Schild auf „Slow“ herum und wir können dem Fahrzeug folgend die Baustelle passieren.

Am Strand angekommen, parken wir das Auto an einem Waldweg und laufen dann einen gut getarnten Pfand entlang nochmal einen halben Kilometer oder so über eine bewaldete Düne, bis wir den weißen Sand erreichen. Der Strand ist so gut wie leer und sehr lang – in den nächsten zwei Stunden sind insgesamt vielleicht zwanzig Menschen da, nicht gleichzeitig und die meisten auf einem anderen Teilstück.

Weil es so warm ist, ziehen wir uns schnell aus und laufen relativ selbstsicher ins Wasser. Zumindest die ersten Schritte. Sobald das Wasser die Knie erreicht, ist es so kalt, dass es wehtut und wir schnell wieder ins Flache müssen. 16 Grad hat das Wasser laut Internet. Wir vergnügen uns eine Weile im flachen Wasser, dann laufe ich noch ein wenig zum anderen Teilstück und stelle fest, dass es dort trotz mehr Wellengang etwas wärmer zu sein scheint. Jetzt gibt es kein Halten mehr – das Teilzeitkind und ich sind als erstes dran, schaffen es jeweils bis zum Hals hinein und machen ein paar Schwimmzüge. Das provoziert dann auch den Liebsten und er geht hinein und taucht unter lautem Kreischen einmal kurz bis zum Hals unter, bevor er schnell wieder rauskommt.

Danach liege ich im warmen Sand und lasse mich trocknen während die anderen beiden eine Sandburg bauen.

Irgendwann wird es Zeit, wieder aufzubrechen. Kurz nach der zweiten Baustelle liegt unsere Location für das Abendbrot – ein Seafood-Imbiss, wo bereits viele Leute anstehen. Eine bunte Mischung aus offenkundigen Locals, die ihr Essen zum Mitnehmen bestellen und mit Namen aufgerufen werden, und Tourist*innen, die vor Ort essen und deren Bestellungen Nummern bekommen. Zu letzteren gehören wir. Es gibt Fish & Chips für den Liebsten und das Teilzeitkind und Clams & Chips für mich. Dazu hausgemachtes Relish, „Tartar Sauce“ (Remoulade), Coleslaw und einen Alibi-Salat mit Ranch Dressing.

Nach all den Jahren sind es meine ersten Fried Clams – musste mich erst über diverse italienische frittiere Meeresfrüchte ranarbeiten. Sie sind sehr lecker, aber leider sind einige bittere dabei, die das Vergnügen dann deutlich einschränken. Und insgesamt ist natürlich alles nordamerikanisch viel zu viel. Trotzdem will das Teilzeitkind hinterher noch ein Eis und bekommt aus Versehen zwei, die wir dann zu dritt teilen.

Dann fahren wir nach Hause und ruhen uns erstmal kurz aus.

Später spielen wir noch zwei schnelle Partien „Halt mal kurz“. Heute bin ich nicht so gut darin, müde vom vielen Histamin in den Clams, von der Seeluft und von der Holzarbeit. Witzig ist aber, wie der Liebste und ich wirklich zeitgleich auf den Nazi draufhauen und dann beide eine Karte ziehen müssen. Nach der zweiten Runde gehe ich kurz nach 22 Uhr direkt ins Bett und schlafe ein.

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