02.10.2025 – Zeitreise

Gegen 5 streckt sich Noosa und kommt dabei aus Versehen mit der Kralle in mein Gesicht. Also, sagt sie. Ich drehe mich um und versuche weiterzuschlafen, aber irgendwie ist leider der Wurm drin und gegen 6 gebe ich endgültig auf. Ausführlicher morgendlicher Reboot im Bett.

Draußen wird es erst zu einer Zeit hell, zu der ich auch an normalen Tagen meistens schon wach bin, die Verdunkelung an der Balktontür kann also wieder weg. Außerdem sind es da noch nur 2 Grad, gab es nachts eventuell sogar Frost? Verrückt, wie schnell es jetzt mit großen Schritten durch den Herbst geht, vor zwölf Tagen war noch Sommer und 27 Grad.

Der frühe Start ermöglicht es mir, vor der Abreise noch ein paar Dinge zu erledigen, dann heißt es Frühstück (Müsli, Obst), Packen, Proviant vorbereiten (Stulle, Obst) und dann verlasse ich gegen halb 12 das Haus und fahre mit S-Bahn, RegionalExpress, RegionalExpress, Straßenbahn und Straßenbahn in mein Domizil für dieses Wochenende.

Die Menschen unterwegs sind heute wieder erstaunlich unkooperativ. Im ersten RegionalExpress, in dem fast alle Plätze besetzt sind, haben viele Menschen ihr Gepäck auf Sitzplätzen, die Gepäckablagen oben sind komplett frei. Ich finde trotzdem einen Platz, leider nicht am Fenster, denn da sitzt ein Rucksack, und verstaue mein Gepäck demonstrativ an dafür vorgesehenen Orten.

Im zweiten RegionalExpress ist es OK, aber schon am Bahnhof in Rostock stehen wieder Leute am Kopf der Treppe während sich hinter ihnen alles staut. Da ich diesmal wieder auf der anderen Warnowseite schlafe, habe ich nicht mein schönes Ankommensgefühl beim Heraustreten aus dem Bahnhof, sondern steige gleich drinnen in die Straßenbahn um, in der Leute sehr großartig in den Türen stehen können. In der zweiten Straßenbahn auch. Es ist ein Fest. Dann aber steige ich aus, laufe zum Haus meines Cousins, finde den Schlüssel und lasse mich rein und die Welt ist schön.

Ich koche mir Tee, setze mich aufs Sofa und lese. Nochmal einschlafen klappt leider nicht (im Zug hatte ich es auch schon probiert), aber eine gute Stunde später ist er auch schon zuhause. Wir setzen uns nochmal kurz raus in die Sonne, dann an den Küchentisch, während der den Ofen anheizt. Bald darauf kommen seine Freundin, das Kind und der Hund auch nach Hause und dann ist erstmal Trubel und viel Erzählens.

Zum Abendbrot gibt es Ofengemüse, Restepasta und frisch zubereitete Klopse aus selbst gewolltem Wild, dazu ein kleines Glas Wein. Sehr lecker, der Cousin ist ein Klopsspezialist und ich weiß, was ich für das nächste Cousins- und Cousinentreffen auf den Speiseplan setzen werde. Ihr habt es hier zuerst gelesen!

Gegen 20 Uhr dann ziehe ich mich kurz um und laufe dann wieder zur Straßenbahn. Ohne Umsteigen geht es in meine (ganz) alte Hood, aus der ich vor jetzt schon fast 20 Jahren weggezogen bin (so alt bin ich doch noch gar nicht!). Ich laufe im Stadthafen einmal an meiner Jugend vorbei – die Santa Barbara Anna liegt genau an der Bühne, auf der wir mit dem Chor immer aufgetreten sind, neben dem Club, in dem ich dann jahrelang immer war. Vor der Kneipe zum Club treffe ich auf diverse bekannte Gesichter, die sich hier anlässlich des Konzerts von Mumpel, Murks und die Herrscherin der Galaxis versammelt haben.

Auch hier gibt es erstmal wieder viel zu erzählen, dann betritt die Band kaum 20 Minuten nach offiziellem Konzertbeginn die Bühne und fährt ein Feuerwerk an starken Stücken ab.

Virtuose Instrumentalkunst an schrägen Arrangements und fantasievoller Darbietung samt sehr, sehr witzigen Ansagen und Publikumsinteraktion. Alle großen Hits werden gespielt (Katze! Autobahn! Elektrojunge! Allein auf dem Meer!) und es werden von einem großen Huhn mehrere Runden Feuerei (Eierlikör mit Mexikaner) verteilt, die ich aber dankend ablehne.

Hinterher nochmal ein bisschen Quatschen, dann breche ich vernünftig kurz nach 23 Uhr wieder auf. Da ich so weit weg schlafe, brauche ich für den Heimweg fast so lange wie sonst in Berlin – zu den sonst üblichen 15 Minuten Fußweg kommen noch fast 20 in der Straßenbahn plus Wartezeit an der Haltestelle. Ich schleiche mich gegen Dreiviertel 12 ins schon dunkle Haus, der Hund wedelt mit dem Schwanz, steht aber auch nicht nochmal auf. Ich krabbele husch husch ins Bettchen und lese noch rechtzeitig vor Mitternacht die letzten Seiten von Sigrid Undset – Kristin Lavranstochter – Der Kranz aus, dann ist die Ausleihfrist vorbei und der Tag auch.