27.08.2025 – Kreuzberger Nacht

Aufwachen im Liebstenbett kurz vor dem Liebstenwecker. Kurz nach dem Liebstenwecker habe ich einen Kaffee in der Hand und dann scrollen wir gemeinschaftlich durch die Timelines. Eine halbe Stunde später stehe ich auf, mache mich fertig, trinke einen O-Saft und esse ein Schokomüsli. Nochmal eine halbe Stunde später drücke ich dem aufstehenden und an die Arbeit gehenden Liebsten einen Kuss auf den Mund und gehe los zum Fitti.

Nochmal eine halbe Stunde später gleite ich pünktlich um 9 ins Poolwasser und treibe 50 Minuten intensiv Sport. Am Anfang noch extra motiviert, weil beim Aufwärmen die Handvoll U60-jährigen naturgemäß im Becken deutlich agiler und fitter wirken als der Rest. Dann aber geht es ans Krafttraining und Balanceübungen und da sehe ich dann genauso alt aus, wie der Rest. Tut trotzdem gut und der limitierende Faktor ist nur noch die Schulter, nicht der Fuß. Hinterher wechsle ich nahtlos für eine Viertelstunde ins Dampfbad und atme einfach. Dann Ruheraum.

Hier blogge ich und erledige ein wenig Korrespondenz – der Tag ist noch so frisch, ich brauche noch keine meditative Erholung. Danach nochmal kurz in die sehr heiße Sauna auf deren riesiger Fernseher Aufnahmen an Stränden in Island angespielt werden, was zumindest innerlich vor Überhitzung schützt. Äußerlich schwitze ich sehr schnell und da ich heute noch viel vor habe, mache ich die Viertelstunde nicht voll, sondern gehe kalt duschen und dann noch mal kurz ruhen. Dann aber richtig duschen, anziehen und raus in die Welt, die inzwischen richtig warm geworden ist. Mit U- und S-Bahn geht es nach Hause in den Pberg. Auf dem Weg die täglichen Rätsel und schon in Neukölln wähle ich mich dann in ein Webinar ein. Interessanterweise heute mit der Vorsitzenden der Partei, für die ich Mitgliedsbeiträge zahle. Die „kenne“ ich bisher nur aus Zoom Calls mit hunderten Menschen, heute sind wir weniger als 40 und es ist nicht im Parteikontext. Gleich ganz andere Atmosphäre. Da ich unterwegs bin, höre ich trotzdem nur zu und beteilige mich nicht an der Diskussion. Beim Zuhören laufe ich von der S-Bahn nach Hause, mache mir dann einen großen Mittagessenteller und verspeise den Inhalt auf dem Balkon.

Woker Käse und veganes Hähnchen!

Nach dem Webinar ist es Zeit für die täglichen Französisch- und Italienisch-Lektionen. Danach hole ich mir den Laptop auf den Balkon (muss ihn erst unter Tech-Influencerin Noosa hervorziehen) und tue Arbeitsdinge bei Sonnenschein.

Später geht es nochmal eine Runde in den Supermarkt, ein paar Zutaten für kulinarische Vorhaben der nächsten Tage kaufen, vorsorglich jetzt, weil gerade Zeit ist. Um 16:30 gibt es ein präventives Ramen-Süppchen, da ich um 18 Uhr in einer Bar in Kreuzberg verabredet bin und es dort nichts zu essen gibt. Um 17 Uhr muss ich auch schon wieder los – die gegenwärtigen Bauarbeiten allüberall erfordern Umwege. Ich bin dann allerdings doch etwas früher vor Ort als erwartet vor Ort, gönne mir zur Sicherheit noch ein Eis – Pistazie/Bitterorange und streite mich mit mehreren Wespen, wer mehr kriegt – ich gewinne.

Um 18 Uhr dann zur Bar. Meine Bekannte (vom vorletzten Timeleft-Dinner) fragt, ob wir nicht doch was essen wollen und so laufen wir dann einmal um die Ecke in ihre Straße (die auch die ehemalige Straße des Liebsten ist, aus Zeiten vor dem Teilzeitkind) und setzen uns vor ein griechisches Bistro zwei Häuser neben das, in dem der Liebste gewohnt hat. Es gibt Meze und alkoholfreies (italienisches) Bier.

Seit wir in die Straße eingebogen sind, trifft die Bekannte auf Schritt und Tritt Nachbar*innen und wird in Gespräche verwickelt. Nachdem wir sitzen bleiben regelmäßig Passant*innen stehen auf einen Schwatz. Der Besitzer des Bistros scheint der Nukleus der sozialen Verknüpfungen im Kiez zu sein. Hier kommen alle vorbei, hier kennen und duzen sich alle. Man weiß, wer wo wohnt, wer wo arbeitet, wessen Auto wo steht und wer gerade mit wem oder eben nicht mehr. Sehr gemütlich und doch ein bisschen sehr anders als in meinem Kiez. Wobei wir auch einen Nukleus haben, ich muss wohl öfter ins Stammcafé. Der Unterschied ist vermutlich, dass das 19 Uhr zu macht und es dort auch keinen Alkohol gibt. Und hier in Kreuzberg ist alles voller Läden, Gastro, Spätis… Bei mir wird vornehmlich gewohnt.

Wir wechseln vom alkoholfreien Bier zum griechischen Wein und bekommen Oregano-Chips hingestellt und dann setzt sich eine Nachbarin zu uns mit der sich sofort lauter Gemeinsamkeiten auftun – zack, sind wir für den Rest des Abends zu dritt. Später setzt sich auch der Bistrobesitzer zu uns, jemand anders schenkt uns leckere Birnen aus dem Garten, wir plaudern und flachsen… Ich lerne, dass ich als keltischer Baum eine Birke wäre [Edit: Nein, ein Feigenbaum!] und muss mir irgendwann einen Hoodie überziehen, aber dann ist es noch bis spät abends sehr gemütlich.

Gegen halb 11 breche ich dann ganz beseelt auf, der Rückweg ist ja noch lang. Ich laufe die Straße ganz herunter, vorbei an dem Haus, in dem ich mir vor 17 Jahren mal eine Wohnung angesehen habe – mein Leben wäre ja völlig anders verlaufen! Dann spaziere ich hinüber nach Friedrichshain, fahre mit der Partytram zurück in den Pberg und laufe dort das letzte Stück nach Hause, was exakt so lange dauert, wie wenn ich auf die Anschlusstram gewartet hätte. Um Mitternacht falle ich nach über 18.000 Schritten zufrieden ins Bett.