Die Nacht ist länger als die letzte, das ist schonmal sehr super. Leider wache ich mit Schulterschmerzen auf, das ist viel weniger super. Ich knalle mir eine Ibu rein, um Schonhaltungen zu vermeiden und komme so eigentlich ganz gut durch den Tag. Nach dem morgendlichen Reboot steht erstmal ein typisch deutsches Frühstück auf dem Balkon auf dem Plan. Brötchen, Frühstücksei, man kennt das. Für den französischen Besuch hingegen ist das schon das erste touristische Erlebnis heute. Ergänzt wird das typisch Deutsche um südafrikanischen Rooibos-Cappuccino, Brunost und Moltebeerenmarmelade aus Norwegen und Blutorangenmarmelade aus Italien.

Nach dem Essen machen wir uns tagfein – heute ist wieder richtig Sommer – und laufen dann mit einer Wegmate für das richtige Berlin-Feeling los durch den Prenzlauer Berg. In der bayerischen Bäckerei gibt es zwei Brezn für später, dann geht es durch den Mauerpark und mitten ins Gewühl des Zug der Liebe, der heute stattfindet. Wir sind pünktlich zum offiziellen Startpunkt da, aber natürlich dauert es noch anderthalb Stunden, bis sich der Zug in Bewegung setzt. Bis dahin schauen wir uns ein bisschen die verschiedenen Wagen und das Publikum an, kaufen vielleicht letzte Beeren am Erdbeerhäuschen und bekommen Nachricht von indischen Freund*innen des Besuchs aus Dublin, die zufällig auch gerade in Berlin sind. Wir abreden uns für später.

Der Schöpfer und Organisator des Zug der Liebe ist ein ehemaliger Kollege (und Vorgesetzter) von mir. Kurz vor Beginn laufen wir uns über den Weg und quatschen kurz, aber er ist natürlich schwer beschäftigt und koordiniert nebenbei mit Polizei, Sanitätern und den verschiedenen Wagenfahrer*innen. Dann setzt sich der Zug langsam in Bewegung und wir uns mit ihm. Elektronische Musik ist ja nicht so meins, aber es ist ja für diverse gute Zwecke, außerdem unterstütze ich einen Freund und kann dem Besuch ein bisschen von der Berliner Clubkultur zeigen.




Wir laufen/tanzen hinter drei verschiedenen Wagen die Danziger Straße hinunter, aber dann drängt langsam die Zeit und wir biegen in den vergleichsweise sehr ruhigen Kollwitzkiez ab. Der Markt am Kollwitzkiez ist am Nachmittag viel entspannter als am Vormittag, ich bin ganz überrascht. Wir können ganz gemütlich an den Ständen entlangschlendern und der Besuch kauft sich an einem Stand eine Auswahl veganer Lakritzsorten. Dann geht es weiter zum Wasserturm, wo wir eine kleine Rast im Park einlegen, unsere Füße ins Gras halten und Lakritze (sie) bzw. Brezn naschen.

Dann melden sich die Freund*innen aus Dublin wieder, ihre Sightseeing-Tour hat am Checkpoint Charlie geendet, und ich lotse sie in ein Eiskaffee am Gendarmenmarkt, wohin wir jetzt mit der U-Bahn aufbrechen. Wir kommen zeitgleich dort an und auch gleichzeitig mit ein paar unangekündigten Regentropfen. Wir essen Eis (Walnuss-Feige/Ananas) und erzählen. Danach geht es zu viert weiter, durch die historische Mitte, über den Schlossplatz, zum Hackeschen Markt und ins Scheunenviertel.



Gegen 7 liefern wir die Beiden an einem deutschen Restaurant ab und fahren weiter zu unserem nächsten Programmpunkt. Lange Nacht der Museen ist heute nämlich auch. Mit zwei S-Bahnen geht’s zum Potsdamer Platz. Hier snacken wir an einem der Marktstände ein paar Arepas und wollen dann den Bus nehmen. Der fährt aber einfach an der Haltestelle vorbei, also laufen wir eben zu Fuß weiter nach Schöneberg.

Dort gehen wir zunächst ins Schwule Museum und lernen einiges über LGBTQIA+-Geschichte in Deutschland, unter anderem über die Zeit des Nationalsozialismus und über lesbische Hausbesetzerinnen im Berlin der 70er und 80er Jahre. Es gibt auch eine Sonderausstellung zur Geschichte in der Ukraine von früher bis heute. Sehr interessant.
Als Nächstes sind wir mit dem Liebsten zum Abendbrot verabredet – in einem deutschen Restaurant in der Nähe. Was wir vorher nicht wussten: Aktuell findet in Berlin auch die Folsom Europe statt. Die Straßen und auch das Restaurant selbst sind voll von überwiegend Männern in Lack-, Leder-, Bondage- oder Furry-Aufmachung. Das ist noch ein bisschen mehr Schöneberg, als ich dem Besuch vorausgesagt hatte. Für 21 Uhr haben wir erst einen Tisch bekommen, jetzt wissen wir auch, wieso. Es ist immer noch warm genug, um draußen zu sitzen. Der Liebste ist kurz nach uns da, trifft den Besuch zum ersten Mal und dann erzählen wir und genießen Pfifferlingscremesuppe und Wiener Schnitzel bzw. Königsberger Klopse, Wein(-schorle) und Bier während um uns herum die Luzie abgeht. Perfektes Timing.


Gegen 11 legt man uns die Rechnung auf den Tisch – der Außenbereich muss jetzt schließen. Wir sind aber eh satt und zufrieden. Der Liebste fährt zurück nach Südberlin (wir sehen uns morgen wieder) und wir laufen weiter zum Nollendorfplatz und dort zum Urban Art Museum. Hier gibt es jede Menge Street und Wall Art, Graffiti, Stencils, Pastings, Sticker etc. und in den oberen Stockwerken kann man heute exklusiv noch einiges an Konzeptkunst sehen und die Künstler*innen kennenlernen.






Wir verbringen etwa eine Stunde im Museum, dann ist die Luft endgültig raus und wir fahren mit zwei U-Bahnen und Tram zurück nach Hause. Gegen halb 2 fallen wir in unsere Betten, nach über 20 Kilometern und über 28.000 Schritten.











































