Passend zum Reisen wieder eine unruhige Nacht, die schon damit beginnt, dass das Teilzeitkind zum Einschlafen einen Harry-Potter-Band anmacht, in dem Dobby vorkommt. Kenner*innen wissen, dass niemand schlafen kann, wenn Rufus Beck Dobby spricht. Also niemand außer dem Liebsten und dem Teilzeitkind, die übermenschliche Fähigkeiten haben. Bei mir dringt Dobby sogar durch meine eigenen neuen Schlafkopfhörer durch, über die ich versuche, Lars Klingbeil dagegen antreten zu lassen. Erst als der Timer Dobby gnädig ein Ende bereitet, kann auch ich einschlafen. Unruhig bleibt es trotzdem und mittendrin liege ich nochmal ordentlich wach. Kurz nach 7 stellt der Liebste mir Kaffee hin und dann bin ich endgültig munter. Halb 8 klingelt der Wecker, gegen 8 sind alle beim Frühstück.
Reste verputzen oder verpacken, uns reisefertig machen, Gepäck packen und sinnig auf die vier zu erreichenden Haushalte verteilen, Müll entsorgen… Wir sind mit allem vor der Zeit fertig, sitzen noch einen Moment beisammen und gehen dann unserer Wege. Die Liebsteneltern gehen auschecken, der Liebste bringt das Teilzeitkind und mich zur Bushaltestelle und holt dann mit dem Auto seine Eltern ab und fährt sie nach Hause. Ich kaufe dem Teilzeitkind für 3,50 € einen halben Liter Wasser, weil es nicht daran gedacht hat, seine mehr als einen Liter fassende Wasserflasche einfach am Hahn aufzufüllen, und bald darauf kommt der Bus. Der Koffer des Teilzeitkinds wandert in den Bauch des Busses, unsere Rucksäcke und die Provianttasche kommen mit uns. Mein Koffer ist wieder im Auto beim Liebsten.
Eine knappe Stunde geht es über Land, Deich, Siel und Priel Richtung Südwesten, in eine Stadt die Norden heißt. Ich gucke raus, das Kind macht Sudoku. Dann schnappen wir uns den Koffer und gehen zum Gleis, wo eine knappe halbe Stunde später der Zug fährt, der uns in zwei Stunden in eine Stadt ganz im Westen bringt. Dort nochmal umsteigen, warten und in den Zug nach Berlin. Nochmal drei Stunden. Das Kindelein verbringt die Zeit mit Seriengucken, ich lese weiter in meinem neuen Buch, Below Deck von Sophie Hardcastle. Ein Wahnsinnsbuch, der erste Teil gehört zu dem schönsten, was ich je gelesen habe, der zweite Teil zum Schrecklichsten, der dritte Teil ist irgendwo dazwischen und wiegt mich in Sicherheit, der vierte liegt noch vor mir.

Währenddessen hat der Liebste seine Eltern samt Auto abgeliefert und ist mit seinem und meinem Koffer jetzt ebenfalls im Zug nach Berlin, allerdings auf einer anderen Route. Das ist meine erste größere Alleinreise mit dem Kind, aber es ist so mit Seriengucken beschäftigt, dass es kaum auffällt. Regelmäßige Snack- und Stromzufuhr, dann läuft es ganz von alleine. Ich muss nur die Route im Blick haben und rechtzeitig vor den Bahnhöfen das Einpacken anmahnen, aber das muss ich ja wegen meiner aktuellen Fußsituation sowieso, um genügend Zeit für alles zu haben. Selbst seinen Koffer trägt das Kind alleine Treppen rauf und runter, ich muss ihn nur ins Gepäcknetz heben, dafür ist das Kind zu kurz. Ansonsten verläuft die Bahnfahrt unauffällig, zwischen Zug 1 und 2 gibt es knappe fünf Minuten Verspätung, die von der großzügigen Umsteigezeit gnadenvoll geschluckt werden, in Berlin kommen wir etwas zu früh an, so dass der Bahnsteig noch nicht frei ist. Dann aber geht es vom Bahn-Chaos ins S-Bahn-Chaos von Berlin.
Auf der Stadtbahn kommen die Bahnen nur alle 10 Minuten, fahren aber immerhin dort, wo wir sie brauchen. So verbrauchen wir nochmal ordentlich Zeit, um zu der Station zu kommen, an der unsere gemeinsame Reise endet. Auch hier müssen wir aber nochmal eine Viertelstunde warten, bis die Bahn kommt, die das Kindelein heim zu Mama bringt. Es plaudert gelassen über eine Influencerin und schreibt mit einem Klassenkameraden, aber kurz vor Schluss wird es dann doch aufgeregt und emotional und muss nochmal kuscheln und sagen, wie schön der Urlaub war, bevor es zum ersten Mal ganz alleine in eine S-Bahn steigt und nochmal eine knappe Stunde fährt. Es ist auch schon ganz alleine im ICE quer durch Deutschland gefahren, aber Berliner S-Bahn ist dann doch nochmal ein anderer Schnack, findet es. Immerhin ist die Stellwerkstörung von früher am Tag behoben, so dass keine außerplanmäßigen Komplikationen zu erwarten sind. Nur halt die ganzen fremden Menschen, die eine Großstadt zu bieten hat. Es geht aber alles gut.
Weil das jetzt alles so lange gedauert hat, ist die nächste S-Bahn, die ankommt, die, in der der Liebste schon sitzt. Wir herzen und küssen uns nochmal, ich bekomme meinen Koffer direkt (alternativ hätte er ihn mir am Dienstag bringen können) und dann steigt er in die Bahn nach Südberlin (um kurz darauf zu einer sozialen Verpflichtung in Kreuzberg aufzubrechen) und ich in die Stadtbahn zum Alex. Dort noch in die Tram aussteigen und dann bin ich auch bald zuhause – als letzte aus der ganzen Urlaubsmannschaft, nach über neun Stunden. Ich bringe erst Rucksack und Provianttasche nach oben, dann den Koffer, und dann bin ich ganz froh, dass die Lauferei für heute ein Ende hat.

Die Katzen zeigen sich höchst erfreut, mich wieder zu haben, die Wohnung sieht bewohnt und gepflegt aus, ein Vorteil der neuen Mitbewohnerinnensituation. Meine Abwesenheit wurde auch genutzt, um den Avocadopflanzen der Mitbewohnerin mehr Licht im Wohnzimmer zu gönnen – sehr dekorativ.

Ich fülle einen Wassernapf auf, gieße den Basilikum und füttere die Katzen, dann ist schon alles Dringende erledigt. Schnell Sushi bestellen, Provianttasche und Rucksack auspacken (der Koffer ist morgen dran), Tee kochen und die neue Tasse einweihen, Sushi entgegennehmen. Durchatmen.


Zur Abendunterhaltung gibt es die ersten drei Folgen von Étoile, der neuen Serie von Amy Sherman-Palladino. Leichte Anlaufschwierigkeiten bei mir, aber Luke Kirby, Charlotte Gainsbourg und vor allem die Figur der Cheyenne Toussaint werden es wohl rausreißen. Plus die anderen Gaststars aus dem Palladino-Universe – Alfie, Michel, Emily und Headmaster Charleston habe ich schon entdeckt.
Unbändige Müdigkeit zwingt mich gegen halb 11 ins Bett, eng bekuschelt von zwei flauschigen Miezen, aber mit viel Platz ansonsten und ganz ohne Dobby.