Ich liege nachts wieder zwei Stündchen wach, diesmal wohl vor Aufregung. Der Wecker klingelt früh, weil ich mit normaler Morgenroutine geplant habe. Dafür fehlt mir dann aber die Ruhe, ich stehe schon nach einer halben Stunde auf, mache mich reisefertig, bastle Reiseproviant, versorge die Katzen und packe meinen Rucksack. Dann sitze ich noch kurz, trinke die letzte Mate, telefoniere mit dem Liebsten und dem Teilzeitkind, die auch gerade packen, und dann will ich nichts Neues mehr anfangen, sondern gehe einfach los, da ist es halb 9 oder so.
Ich laufe – langsam – zur Tram, fahre zur S-Bahn, die wegen Baustelle seltener fährt, fahre zum Hauptbahnhof. Hier habe ich noch eine ganze Menge Zeit und da der betreffende Bahnsteig sehr voll und ohne Sitzgelegenheiten ist, setze ich mich stattdessen in den Food Court und tue Dinge auf dem Telefon, bis es Zeit ist, wieder zum Gleis zu gehen. Dabei achte ich darauf, vor Costa zu sitzen statt vor Starbucks, amerikanische Läden boykottieren und so. Konsumieren tue ich aber nichts, ich hab ja Proviant dabei.
Der Zug kommt fast pünktlich und fährt fast pünktlich los, mein Sitzplatz ist ganz bequem, nur dass ich den Fuß nicht richtig ausstrecken kann. Direkt vorm Einsteigen kam die Eilmeldung vom Papst (bzw. über ihn) und jetzt setze ich den Tröt ab, der mir dazu spontan einfällt. Dann die erste InterCity-Fahrt seit langem, wenn auch auf recht bekannter Strecke. Ich kümmere mich um die Bloggerei, Französisch, Italienisch, Rätsel, Handyspiel und dann nehme ich mir tatsächlich ein Buch und lese. Trotz Verzögerungen wegen eines Brandes verfliegt die Zeit und die Verspätung ist mir egal, denn beim Umsteigen tief im Westen kann ich auf dem gleichen Bahnsteig bleiben und habe ausreichend Zeit.
Ich setze mich also, esse den Großteil vom Proviant (Bagel mit Kräuterquark und Veganer Schinkenspicker, Gurke, Tomaten), kaufe Pfirsichringe am Automaten und kein Getränk, da ich zu wenig Münzgeld habe und außerdem fast nur amerikanische Marken in Angebot sind. Die Pfirsichringe kommen aus Deutschland – ich hätte auch andere Länder genommen, aber scheinbar sind wir „führend“ in der Fruchtgummiwelt. Und dann ist auch schon der nächste InterCity da, der nach Norden fährt.
Ab jetzt wird die Landschaft für mich spektakulärer. Viel flaches Land, weiter Rapsfelder aber auch viel Weideland mit Kühen und Schafen, immer mehr Windräder und Windmühlen und Gräben und Priele. Nochmal zwei Stunden später ist wieder Aussteigen, wieder mit Verspätung und diesmal muss ich mich sputen, erreiche aber noch den Bus, der extra gewartet hat und recht leer ist. Jetzt kann ich endlich den Fuß hochlegen und Apfelstücke knabbern, während ich draußen kontrolliere, dass die Schafe auf den Deichen noch Locken haben.

Am zweiten Siel steige ich aus und laufe die letzten Meter, da kommen mir auch schon der Liebste und das Teilzeitkind entgegen. Wir beteten die Ferienwohnung, die direkt am Hafen liegt gegen 17:30 und ich begrüße Liebstenmama und Liebstenpapa, werde aufs Sofa beordert und bekomme ein Getränk in die Hand. Baltic Lager, nur weil man an der Nordsee ist, kann man ja trotzdem ordentliches Ostseebier trinken, dachte sich der Liebste wohl beim Kauf. Kurz Durchatmen und erzählen, dann gibt es auch schon Abendbrot – Reste vom Osterlamm mit Bratkartoffeln und grünen Bohnen.

Danach verteilen wir uns auf die verschiedenen Sitz- und Liegegelegenheiten, kämpfen mit dem WLAN und halten Siesta. Ich esse meine ersten Fruchtgummis seit dem Zahnvorfall (vorsichtig auf der anderen Seite kauend) und bin sehr erleichtert, wie gut das geht.
Um 20:15 gibt es Campari Orange und den Krimi im Fernsehen, danach das Heute Journal (die Papst-Sprüche werden im Laufe des Tages nicht pietätvoller) und dann liegt gegen halb 11 die Generation U80 vollzählig im Bett und die U12 schläft sogar schon.