Heute nun also der Tag des nächsten Arzttermins, der ist aber erst nachmittags und bis dahin läuft alles ähnlich wie an allen Tagen. Mit dem Unterschied, dass es mich gleich morgens nach Masala Chai gelüstet und ich also in aller Herrgottsfrühe (oder kurz nach 8) in die Küche gehe und mir einen mache. Mit Ingwer, Kurkuma, Zimt, Steranis, Fenchelsamen, Nelken und Kumin. Tee, Zucker, Erbsenmilch, einmal unfreiwillig überkochen lassen, wie es die Tradition will, und dann zurück ins Bett, Chai schlürfen und der Morgenroutine nachgehen.
Irgendwann später stehe ich dann so richtig auf, mit Anziehen und allem Schnickschnack, mache mir Käsebrote und Gemüse zum Frühstück und setze mich damit und einer Mate raus auf den Balkon, auf den schon wieder ordentlich die Sonne brezelt.

Ich mache ein bisschen Kram auf dem Laptop und habe dann um 12 ein Webinar. Die Katzen erfreuen sich derweil der neuen Pflanzen, Nimbin guckt, Noosa latscht mitten durch.

Dann wird es Zeit für meinen ersten Ausflug ins Draußen seit neun Tagen. Ich bin ganz aufgeregt! Rucksack packen, Jacke anziehen, Müll mitnehmen und dann die Treppe runtergehen! Die Treppe! Schön langsam natürlich. Draußen dann erstmal überwältigendes Freiheitsgefühl, wie nach dem echten Lockdown. Und langsames durch die Welt schleichen, wie nach Covid-Infektion. Nach wenigen Schritten denke ich, dass ich den Fußweg zum Orthopäden wagen kann, alternativ hätte ich ein Taxi gerufen. Ich sehe noch ein paar Reste von der Kirschblüte, aber im Prinzip ist die vorbei. 40 Minuten brauche ich statt der normalen 20 und dann bin ich sehr froh, als ich im Wartezimmer sitzen kann. Der Fuß ist direkt ein bisschen mehr angeschwollen als heute morgen, aber sichtbar auf einem guten Weg. Hämatom nur noch an Zehen und Fessel, bewegen geht gut. Ich soll die Schmerzmittel weiter reduzieren, mich weiter schonen und keine Alpenüberquerung planen, kann mir aber wieder ein bisschen mehr erlauben.
Das mache ich dann auch direkt, verrückt, wie sehr die Psyche beiträgt. Schneller und runder als vorher mache ich mich auf den Rückweg – bis mich der Fuß dann doch wieder bremst und ich mein Tempo reduziere. Trotzdem, jetzt gehe ich halt doch noch schnell eben einkaufen: Verbrauchssachen auffüllen im Drogeriemarkt und im Bio-Supermarkt, wo mir auch noch ein Topf Liebstöckel und ein Piccolöchen für die Mitbewohnerin in den Korb springen. Und neben dem Biomarkt wird grad der Wochenmarkt abgebaut und ich wollte ja endlich Rhabarber essen und da liegt noch ein letztes Bündel aus dem Spreewald. Jetzt aber wirklich heim – ich könnte den schnellsten Weg nehmen oder einen kleinen Umweg machen und noch durch die Straße mit den Psychologial-Support-Magnolien laufen. Dann habe ich sie wenigstens einmal gesehen in diesem Frühling.

Langsam merke ich deutlich, dass es jetzt reicht mit der Lauferei, aber bis nach Hause muss ich noch, das lohnt nicht mehr fürs Taxi. Immerhin gibt es noch mehr Frühlingsblüten auf dem Weg und direkt ein Verslein in den Kopf.

Wieder zuhause räume ich Einkäufe aus, stelle das Liebstöckel zu den anderen Balkonkräutern, übergebe der Mitbewohnerin gratulierend einen Geburtstagspiccolo und koche mir ein schnelles Rhabarberkompott, während ich mit dem Liebsten telefoniere. Dazu gibt es dann Vanilleis und gegessen wird wieder auf dem Bett. Noosa ist so froh, dass ich wieder da bin, dass sie sich vor lauter Freude auf mir aalt dabei völlig selbstvergessen mit dem Hinterkopf im Rhabarber-Vanilleeisgemisch landet. Ich putze das notdürftig mit einem Taschentuch ab, aber um das Finetuning wird sie ihren Bruder bitten müssen, ich werde sie nicht ablecken.

Dann ist erstmal ganz schön tilt. Ich gucke The White Lotus zu Ende und nicke dabei einmal kurz weg. Dann ist es Zeit fürs Abendbrot. Es gibt einen Salat aus Rest-Pellkartoffel, Postelein und Apfel mit Grüner Sauce als Dressing und vegetarischen Wiener Würstchen dazu. Der Rest Grüne Sauce (für eine weitere Mahlzeit irgendwann) wird eingefroren.

Das Spätabendprogramm wird dann von den ersten Folgen North of North bestritten, die seit heute endlich auf Netflix sind. Inuit-Alltag in Nunavut im 21. Jahrhundert, in witzig und authentisch, mit Kehlkopfgesang, kleinen Mädchen, die Caribous schießen, Einflechtung des Residential-School-Themas und all den typischen Klischees von Promiskuität, jungen Eltern, white saviors und schamanischen Visionen – wie bei Netflix üblich natürlich von und mit Inuit kreiert. Unbedingt angucken!