07.03.2025 – Balkonien

Entspanntes, ausgeschlafenes Aufwachen gegen 8, kurz das Internet leer lesen, mit dem Liebsten telefonieren und dann ist 9:15 schon ein Webinar, bei dem es um passende Alternativen für X in der Kommunikationsstrategie von wissenschaftlichen Institutionen geht. Gar nicht so trivial, denn obwohl die Reichweite von X in Deutschland z. B. nie sehr groß war, hing doch die gesamte Wissenschafts- und Medienbubble dran, und das weltweit. Ähnlich, wie man z. B. in der kanadischen Arktis (und anderswo) kaum ohne Facebook auskommt, weil das die die gesamte digitale Infrastruktur ist, die viele Menschen dort haben.

Für die Institutionen in Deutschland jedenfalls werden neben den üblichen Verdächtigen Mastodon, Bluesky und Threads auch YouTube und LinkedIn diskutiert (je nach Ziel und -gruppe) und teilweise auch Reddit und – „ganz neu“ – Substack. Ich fremdele mit letzterem ja ein bisschen, seit dort nicht mehr nur mir persönlich bekannte schreibende Menschen ihren Content parken, sondern plötzlich auch Journalist*innen, Politiker*innen und sonstige Personen des öffentlichen Lebens und es neben Text auch Video und Co. gibt. Alles etwas unübersichtlich, aber ja, vielleicht muss ich mir das nochmal genauer angucken. LinkedIn ist übrigens dezidiert apolitisch und der CEO hat sich grad bei Colbert recht deutlich gegen Trump und die Tech-Broligarchie ausgesprochen. Man wundert sich manchmal (positiv).

Nach dem Webinar die übliche morgendliche Churchillei im Bett. Bloggen und Sprachen lernen. Mein Duolingo-Score für Französisch wächst und wächst und wächst, ich habe schon die Hälfte von A2 durch (nachdem ich im September beim Urschleim angefangen habe). Im Italienischen immer direkt hinterher sehr ähnliche Themen, das macht es etwas kompliziert, die Vokabeln im Kopf zu sortieren. Als ich mit allem fertig bin, merke ich, dass draußen der Frühling ausgebrochen ist (nur echt mit diesem Ohrwurm – und diesem). Ich stelle die Heizungen ab und reiße die Balkontüren auf. Die Katzen chillen schon mal in der Sonne (und weihen die Saison des Draußenklos ein) und ich mache mir schnell noch das erste Balkonfrühstück.

Dieser vegane Schinken (auf Erbsenbasis) bedeutet, dass ich nie wieder gekochten Schweineschinken kaufen muss, nur ggf dicker belegen, da dünner geschnitten)

Ich sitze barfuß und im T-Shirt in der Sonne und friere nicht. Dazu läuft Immergut-Musik und gedanklich bin ich schon in der schönsten Jahreszeit, die bekanntlich mit der Erdbeersaison, diversen Feiertagen und Geburtstagen korreliert. Aber jetzt kommt ja erstmal noch Bärlauch, Rhabarber, Waldmeister und Holunderblüten. (Wobei anderswo ja gerade noch Blutorange und Artischocke ist, apropos, ich muss mir nächste Woche dann mal Artischocken kaufen, man kommt ja zu nix.) Instantan jedenfalls gute Laune und der ganze Mief von Winter und Weltpolitik ist aus dem Kopf verbannt.

Gegen 14 Uhr ist die Sonne um die Hausecke verschwunden, ich ziehe mir was über und bleibe trotzdem draußen. Erst packe ich den neuen Katzenbrunnen aus (ein schwieriges Unterfangen, weil der quasi von Styropor umschlossen ist, dem ich mit Schere, Messer und Gewalt zu Leibe rücken muss), baue ihn auf und beobachte die interessierte, aber ängstliche Reaktion der Katzen. Der stromsparende Bewegungsmelder macht, dass er für die Miezen unberechenbarer ist als der Vorgänger – und er sprudelt höher und lauter. Erst spät am Abend traut sich Noosa, daraus zu trinken. Nimbin bleibt skeptisch.

Nach dem Brunnen erste Arbeiten am Balkon als zweitem Wohnzimmer – alte Pflanzen und Pflanzenreste entsorgen, mehrjährigen Pflanzen Luft und Wasser geben und sie ggf. beschneiden, Getränkekästen von der warmen Hauswand wieder an die Brüstung stellen, weil sie da weniger Sonne abbekommen… Mit neuen Pflanzen und den Liegestühlen warte ich noch, bis das Wetter stabiler wird. Bis dahin bleibt auch der Zitrusbaum noch drinnen. Trotzdem hat es schon was heimeliges, verheißungsvolles.

Ich setze mich dann nochmal mit einer Mate raus und genieße die Rückkehr des zweiten Wohnzimmers, da ruft die beste Freundin an, die grad eine halbe Stunde zu vertrödeln hat und ebenfalls draußen ist und sich darüber freut und wundert, wie gut gelaunt plötzlich alles ist. Wir sparen die Weltpolitik aus und reden über Alltagsdinge, anstehende Augaben und Urlaubspläne. Demnächst werden wir zusammen essen gehen, das ist doch ein Plan!

Dieser ganze plötzliches Jahreszeitenwechsel hat meinen eigentlichen Plan für heute ganz schön durcheinandergewirbelt, daher beschließe ich, die eigentlich geplante Abendveranstaltung sausen zu lassen. Dann habe ich jetzt auch noch ein bisschen Zeit und mache mir Pellkartoffeln mit Leinölquark und „Schluppen“. Normalerweise wären das Frühlingszwiebeln (wie passend), aber die letzte Crowdfarming-Zwiebel treibt ausführlich aus, also schneide ich von der einen Trieb ab.

Die Kartoffeln selbst sind auch von Crowdfarming und sehr hell – ähnlich wie die, die man in kanadischen Supermärkten gemeinhin bekommt und schmecken ganz anders. Sind dann aber jetzt auch alle, demnächst dann wieder die Standardvariante (vermutlich Linda?)

Zum Essen gibt es das nächste Webinar, über ganzheitliche Ansätze, die Weltsituation zu verbessern. Achtsamkeit für sich selbst, die Menschen drumherum und die Umwelt insgesamt als Basis für Resilienz, Verständigung und konstruktives Handeln zum Klimaschutz und generell einer nachhaltigen Entwicklung in allen Lebensbereichen (Politik, Arbeit, Frieden usw.). Klingt alles bisschen abstrakt und esoterisch, aber wird von angesehenen wissenschaftlichen Institutionen gefördert. Die Basics klingen jedenfalls gut.

Hintendran schaue ich mir noch einen Vortrag von Angela Merkel von heute bei der WTO an, inklusive Diskussion danach. Es geht um den Frauentag, weibliche Führungspositionen in der Weltpolitik und -wirtschaft und immer wieder um die aktuelle Tagespolitik. Ich lerne, dass die aktuelle Chefin der WTO aus Nigeria kommt (und überhaupt eine Frau ist), finde den Moderator anstrengend und habe Mühe, den Ausführungen von Merkel zu folgen, da sie auf Deutsch spricht, aber mehr schlecht als recht simultan übersetzt wird und der Originalton komplett ausgeblendet wird.

Hinterher ist es Zeit für Buch und Badewanne – ich lese Thomas Kings „Indians on Vacation“ zu Ende. Im Bett dann noch kompletter Eskapismus mit Meghan Markle, Duchess of Sussex (Mountbatten-Windsor?) ihrseiner neuen Netflix-Show. Lifestyle, Deko, Essen, Trinken in unheimlich schön und wholesome und wäre sie nicht sie wäre es wahrscheinlich total langweilig, aber so ist es ein bisschen faszinierend – und macht schläfrig.

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