Der Wecker klingelt halb 7 und ich bin not amused. Hilft aber nix, so kann ich noch bloggen und meine Streaks in Duolingo und Babbel retten, bevor ich aufstehen muss. Schnelles Frühstück mit Banane und Mandarine und dann geht es mit einem Kaffee zum Gehen aus dem Haus. Auf dem Weg zur S-Bahn telefoniere ich mit dem Liebsten und klage mein Frühes-Aufstehen-Leid. Die Bahn ist um diese Zeit Rush-Hour-voll und wie unwürdig ist das bitte, da morgens gequetscht zwischen so vielen Menschen zu stehen? Das hatte ich zuletzt regelmäßig vor der Pandemie.
Anyway, ich komme rechtzeitig an der Botschaft an, um mich wieder durch den Sicherheitscheck zu begeben – inkl. Rucksacksdurchsuchung – und suche mir schnurstracks ein Plätzchen für den Eröffnungsvortrag. Die Tagung hat allgemein den kanadischen Norden zum Thema, in der Keynote geht es um die Ausbeutung von Rohstoffen und die dazugehörigen Folgen und Rechtsverletzungen für die verschiedenen indigenen Völker im Norden, auch vor dem Hintergrund, dass da jetzt mit kritischen Mineralien ein neuer Boom ansteht. Ich mag, wie der Vortragende sich als „settler scientist“ vorstellt, also direkt von Anfang an dazu sagt, dass er als Weißer zu den Kolonialisten gehört.

In der folgenden Kaffeepause ergänze ich mein spartanisches Frühstück um ein wenig Gebäck und schaue mich dann in der Bücher- und Posterausstellung um. Ein Buch über die Zusammenhänge zwischen Gender und Region nehme ich mit, in dem Romane von weiblichen Autorinnen untersucht werden, die in den Maritimes, den Atlantikprovinzen Kanadas spielen.
Als nächste folgt eine Doppel-Session mit einem polnischen Wissenschaftler, der über die Inuitpolitik Kanadas referiert und einer deutschen Wissenschaftlerin, die über die Zusammenhänge zwischen Sicherheitspolitik und Klimawandel forscht. Witzig ist dabei u. A., das auf den Folien des ersten Vortrags fast ohne Ausnahme immer der Cousin der Bekannten auftaucht, die uns im September in Nova Scotia besucht hat – er ist Präsident der NGO, die die Inuit repräsentiert.
Mittags gehe ich in den Foodcourt der Mall nebenan und esse Quesadillas, Tacos und Limonade, mit u. a. einem sehr leckereren Ananas-Chili-Dip. In diesem Foodcourt war ich früher recht regelmäßig mit ehemaligen Kolleg*innen, ich bin kurz versucht, ihnen ein Foto zu schicken.

Nach der Pause (und Sicherheitskontrolle) geht es mit einer Doppel-Session weiter, die so spannend ist, dass ich nebenbei nicht einmal aufs Handy gucke. Eine Gwichyà-Gwich’in-Wissenschaftlerin stellt ihr Dissertationsprojekt über Residential Schools vor und berichtet dazu über ihre Forschungen, ihre eigene Familiengeschichte und wie sie nach der Verteidigung und vor der Veröffentlichung des Buches noch ein wenig modifiziert hat – z. B. indem sie Hinweise auf westliche Denker entfernt hat und sich mehr auf die indigenen Stimmen konzentriert hat, die es braucht, um diese Geschichte zu erzählen. Im Anschluss sprechen die beiden Inuit-Schwestern von PIQSIQ über Kehlkopfgesang und dessen dunkle Kolonialgeschichte und Bedeutung für Identität und Kultur der Inuit, inkl. Hörproben.
Danach habe ich Luft, während die Mitglieder der Gesellschaft Treffen und andere Programmpunkte haben. Ich nehme einen Bus nach Kreuzberg, mache Besorgungen und setze mich dann in ein Café und tue Dinge auf meinem Handy, zu denen ich noch nicht gekommen bin.

Später laufe ich mit Podcast auf den Ohren zurück nach Mitte, bis zur Staatsbibliothek unter den Linden, wo ich wieder auf die Konferenzteilnehmenden (und weiteres interessiertes Publikum) treffe und einem kompletten Konzert von PIQSIQ lausche.

Im Anschluss kaufe ich mir noch ein T-Shirt und dann fahre ich mit U-Bahn und Tram nach Hause, füttere die Katzen und lege mich direkt ins Bett. Der fünfte Auswärtsabend hintereinander fordert seinen Tribut, auch weil noch zwei weitere folgen werden…