Der Liebste reißt mich gegen 8 mit einem Anruf aus dem Schlaf, danach muss ich erstmal ganz langsam zurück in den Tag und die Realität finden. Der Wahl-Jetlag ist immer noch stark in mir. Bis ich alles vor mich hin gechurchillt habe und mich ans Aufstehen und Frühstück zubereiten mache, ist es es fast mittags. Ich frühstücke kreisförmiges Gebäck – eins mit Schinken und eins mit Ei – trinke frisch gepressten Blutorangensaft und Kaffee und bin währenddessen in einem Webinar.

Danach ist ein bisschen was zu organisieren und erledigen, bevor ich mich Politikpodcasthörend in die Badewanne legen kann – Grundreinigung inkl. Haarewaschen passt heute ganz ausgezeichnet in den Zeitplan! Ich steige gerade rechtzeitig wieder heraus, um dann die Crowdfarming-Lieferung entgegenzunehmen – es gibt Orangen, Mandarinen und Avocados. Die werden durchsortiert, auf Obstschale bzw. Kühlschrank verteilt und die reifsten Mandarinen direkt gegessen.

Danach chille ich noch ein wenig weiter, vorgezogener Feierabend, bevor ich mich dann gegen halb 7 auf den Weg ins Draußen mache. In einem Kulturzentrum hinter dem Plattenbauviertel findet heute erst das Neumitgliedertreffen und dann das Kreisverbandstreffen der Partei statt, in die ich vor ein paar Monaten mit gemischten Gefühlen wieder eingetreten bin. Es dauerte fast drei Monate, bis mein Antrag bearbeitet wurde (wegen großen Andrangs) und in den letzten Wochen habe ich den Wahlkampf vor Ort von der Seitenlinie beobachtet, auch weil ich ja mit meiner Zweitstimme dann doch eine andere Partei gewählt habe und teilweise das Bashing dieser anderen Partei sehr unangenehm fand. Jetzt also erste tatsächliche Berührungspunkte.

Für die Neumitglieder gibt es ein Begrüßungsgetränk – ich entscheide mich für lokale Rhabarberschorle – und einen Stuhlkreis zum Aufbau des Kreisverbands und wie er im Gesamtgefüge aufgehängt ist. Ganz spannend: Er hat um die 2500 Mitglieder und der Stadtteil Pberg, in dem ich lebe, ist in diverse Stadtteilgruppen unterteilt, weil es hier so viele Mitglieder gibt. Und: In dem Kreisverband sind Abgeordnete aus der Bezirksverordnetenversammlung, dem Abgeordnetenhaus, dem Bundestag und dem Europaparlament, man hat also die Chance, überall ein bisschen mitzumischen, je nach Interessenslage.
Es folgt die monatliche Sitzung, mit Auswertung des Wahlkampfs (im Bundestag gehört der Verband zu zwei Wahlkreisen, das eine Direktmandat wurde verteidigt, das andere nicht, obwohl in beiden Wahlkreisen die absoluten Stimmzahlen hochgingen). Es folgt ein Vortrag von Gäst*innen, die über die bedrohlicher werdenden rechtsextremen Aktivitäten im Bezirk informieren und Möglichkeiten vorstellen, diesen entgegen zu treten. Dann kommen ein paar Formalitäten und Abstimmungen und am Ende berichtet die frisch gewählte Bundestagsabgeordnete von der heutigen gemeinsamen Fraktionssitzung der neuen und alten Abgeordneten, wo sie deutlich gemacht hat, dass sie immer wieder ihre beiden großen Themen – Klima/Umweltschutz und Ostdeutschland aufs Tapet bringen wird. Bin ganz zufrieden, dass ich sie „neulich“ ins Abgeordnetenhaus gewählt habe – für den Bundestag lebe ich in einem anderen Wahlkreis. Zur Feier des Direktmandats hat sie auch noch ein veganes Catering bestellt („Ohne Mampf kein Kampf“), dem wir uns dann ausführlich widmen.

Inhaltlich und mit dem Essen hat die Partei an diesem ersten Abend bei mir viel richtig gemacht, aber noch fremdele ich ein wenig und werde mir das weiter in Ruhe begucken, schauen, wie die nächsten Wochen und Monate sich so entwickeln, zu weiteren Veranstaltungen gehen und dann mal schauen, ob ich dabei bleibe und mich ggf. auch ins speziellen Gruppen und Arbeitsgemeinschaften engagiere… Nach Ende der Sitzung kurz nach 10 und noch vor dem Sekt mache ich mich auf den Heimweg, die Woche geht noch anspruchsvoll weiter.