29.01.2025 – Doomwatching Bundestag

Erstaunlich früh aufgewacht, weil ich träumte, dass mir jemand ins Ohr flüstert. Entweder hat Noosa zu nah an meinem Gesicht geatmet, Nimbin sich ungünstig gedreht oder die Mitbewohnerin sich im Schlaf bewegt (auch ihre Tür steht beim Schlafen offen, weil Nimbin sie gerne besuchen kommt). Oder es war der kalte Atem der sich wiederholenden Geschichte.

Der Morgen verläuft wie immer – Internetrunde, Französisch, Italienisch, Liebstentelefonat usw. Dann gibt es Frühstück, heute mit Grießbrei, Zimt und Feigenkompott, und frisch gepressten Blutorangensaft.

Um 12 gibt es ein Webinar am Schreibtisch für mich und ab danach verfolge ich das Geschehen im Bundestag live. Regierungserklärung, Debatte, Fragestunde und Abstimmung. Es kann einer Angst und Bange werden. Und wird es auch. Auch, weil ich zwischendurch für Olaf Scholz klatschen möchte. Habeck sowieso. Und dann überraschend auch Lars Klingbeil. Heidi Reichinnek hat den beeindruckendsten Redebeitrag, das überrascht mich wiederum nicht. Ich tendiere inzwischen immer mehr dazu, meine Zweitstimme der Linken zu geben – es wird diese Kraft brauchen unter einem Kanzler Merz und außerdem hilft jede zusätzliche Partei im Parlament, den Anteil der AfD kleiner zu halten. Und: Sehr viele in meinem Umfeld (on- wie offline) kommen zum gleichen Ergebnis, vielleicht reicht es also doch sogar für die 5 Prozent. Man kann für die eine Partei Mitgliedsbeitrag zahlen und die andere wählen, auch das ist Demokratie.

Cole Slaw, Avocado-Toast und Tomaten an furchtbarer Lindner-Rede

Während der Fragestunde an Özdemir und Schulze packe ich meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg. Als ich gerade meinen Müllsack in die Tonne schmeiße, verkündet Göring-Eckardt das Abstimmungsergebnis. Fuck. Es ist wirklich passiert. Die CDU stellt ohne Not einen Antrag auf Maßnahmen, die unwirksam, rechtswidrig und populistisch sind und lässt sich dabei von der AfD unterstützen. Die FDP spielt mit und das BSW enthält sich – zack, Tabubruch hingelegt, Brandmauer weg, schwarz-blauer Kooperation auf allen Ebenen Tür und Tor geöffnet. Ich dachte, wir hätten noch vier Jahre Zeit, die Sache zu drehen, aber da habe ich mich wohl geirrt.

Ich laufe zur S-Bahn und höre jetzt lieber laute Musik, irgendwas Lebensbejahendes gegen Nazis. Ringbahn, U-Bahn und dann zu Fuß zur Abendverabredung mit dem Liebsten und dem Teilzeitkind. Der Stammitaliener hat Ruhetag, deshalb probieren wir einen anderen aus. Unsere Reservierung hat nicht geklappt, aber wir dürfen in dem Raum mit dem großen Tisch Platz nehmen, an dem sonst Feiern ausgerichtet werden. Ein Privatgemach nur für uns – juhu. Nach ca. fünf Minuten beschwert sich das Teilzeitkind, dass wir nicht immer über Politik reden sollen, wenn wir Essen gehen und das hilft dann ein bisschen.

Wir sprechen über die Schule, Klassendynamiken, vergleichen unsere Erlebnisse von früher mit denen des Kindeleins und schmieden Pläne für die anstehenden Winterferien. Und essen – Fotos leider nicht so gut, da die Lichtverhältnisse mehr so gemütlich sind.

Rindercarpaccio
Tagliolini mit Trüffeln
Panna cotta mit Himbeeren

Auch das Teilzeitkind fotografiert inzwischen jeden Gang – ich habe wohl geinfluenced. Nach einem Absacker laufen wir nach Hause, es ist schon halb 10. Alle machen sich direkt bettfertig und legen sich hin – das Teilzeitkind etwas fertiger als wir, wir müssen noch ein wenig doomscrollen. Ich gucke mir die namentliche Abstimmung an, bin entsetzt über nur eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen bei CDU und FDP und mal wieder positiv überrascht von Volker Wissing. Der Mann hat sich in meiner Wahrnehmung in den letzten drei Monaten komplett gewandelt.

Im US-Senat wird nebenbei RFK Jr. gegrillt, auch das verdient ein wenig Aufmerksamkeit. Und dann zum Runterkommen noch das neueste Josh-Johnson-Special, da schlafen wir dann aber wirklich ein.

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