16.11.2024 – 21.000 Schritte durch Rostock

Im fremden Bett recht unruhig geschlafen, da es sich trotz großer Breite nicht so gut mit dem Arm vertragen wollte. Dafür dann den Großteil der Morgenroutine noch im Bett erledigt, bevor es Zeit zum Aufstehen ist. Die Gastgeberin ist auch schon wach und kurz vor 10 sind wir beide bereit das Haus zu verlassen. Die avisierte Frühstückslocation ist leider schon proppevoll, so dass wir in der nächstbesten einmal quer über den Platz landen. Solides Frühstück, aber wenig spektakulär, bis auf den Hund am Nachbartisch, der uns zu langen Gesprächen über pelzige Haustiere führt.

Wir laufen weiter zum Stammcafé und treffen auf dem Weg witzigerweise meine Abendverabredung samt Gattin – die Großstadt ist in der Mitte ziemlich klein. Im Stammcafé sind keine der uns bekannten Gesichter hinterm Tresen, so dass wir das obligatorische Törtchen auf morgen verschieben. Meine Gastgeberin kehrt zurück nach Hause und an die Arbeit, ich hingegen laufe durch die Gegend. Zunächst einmal hinunter an den Stadthafen. Den entlanggehend, kann man einmal durch meine persönliche Historie durch die Stadt reisen – so viele Erinnerungen.

Da ist das Schiff, das mich ursprünglich auf die Idee brachte, hier zu studieren. Da der Club, in der ich so manche denkwürdige Nacht verbracht und so viele Konzerte gesehen habe. Dort war früher der Probenraum, in dem wir meinen 21. Geburtstag gefeiert haben und später eine Schokoladerie, die auch schon lange nicht mehr da ist. Da das Theater, davor der Platz auf dem wir Kubb gespielt haben, da die Treppe, auf der wir saßen und sangen und grillten… Da das Restaurant, in dem wir nach Opas Beerdigung saßen, hier stand früher das Zirkuszelt, da lag das Partyschiff, dort war der Pub wo wir bei der Weihnachtsfeier waren und später jemand Gläser geklaut hat. Dort die windgeschützte Stelle, wo ich letztes Jahr Rast gemacht habe… Heute auch.

Ich sitze eine Weile da, beende meine Italienisch-Aufgaben und gucke aufs Wasser, bis es zu kalt und windig wird. Dann überquere ich wieder die große Straße und laufe durch die Altstadt. Hier hat K. gewohnt, dort waren wir beim Mittelaltermahl, da gab es mein Abschlussessen nach dem Master, hier waren wir ein paar Mal frühstücken… Usw. usw. Auf dem Neuen Markt wird schon fleißig der Weihnachtsmarkt aufgebaut. Dann geht es durch die Kröpi, die immer noch dieselbe ist. An dieser Ecke hat Jimmy Kelly auf der Straße gespielt, dort in dem Kino waren wir oft… Nicht viel hat sich verändert, aber es gibt jetzt ein Denkmal für den Spielmannopi, das ist schön.

Bis zum nächsten Termin habe ich noch ordentlich Zeit, also setze ich mich in eines der sympathischeren Cafés zurück in der KTV und trinke einen Ingwer-Zitronen-Maracuja-Tee und esse Käsekuchen mit Brombeeren. (Sie hätten auch „Dubai Cheese Cake“ gehabt, aber für Cheesecake mit Schokoladensauce und ein paar Pistazien bezahle ich keine 5,50 €.

Ich lasse mir viel Zeit mit beidem, spiele nebenbei auf meinem Handy und lausche den wechselnden Gesprächen am Nachbartisch. Erst sitzen da zwei Kommilitoninnen jüngeren Semesters, die ich relativ schnell als entweder BWL oder Lehramt einsortiere. Sie reden über ihre Freundinnen, Heimfahrten und Frauentausch. Als Nächstes nehmen zwei ausgewachsene Frauen Platz, die sich unterhalten als wären sie auf einem ersten Date. Am Ende stellt es sich heraus, dass sie sich wohl aus sozialen Zusammenhängen kennen und ggf. füreinander katzensitten werden. Na gut. Dann kommt noch ein Hetero-Paar, das aber nicht so viel redet. So komme ich noch ein wenig zum Lesen.

Dann ist es Zeit und breche wieder auf, zu einer Vernissage in einer kleinen Galerie im Klosterhof. Die Gastgeberin hat die Begleittexte verfasst und ist auch da. Das winzige Häuschen platzt vor lauter Besucher*innen aus allen Nähten. Es gibt Kuchen und Glühwein und Live-Musik aus Saxofon und Klarinette. Dann versuche ich, ein wenig Kunst zu gucken, es fällt aber vor lauter Menschen schwer.

Witzig ist, dass der Besitzer des Hauses, in dem wir im Juli ein großes Fest gefeiert haben, auch da ist und mit ausstellt. Nichtsdestotrotz fliehe ich recht schnell wieder und habe wieder Zeit totzuschlagen bis zum nächsten Programmpunkt. Im Uni-Hauptgebäude ist eine Veranstaltung, so dass ich trotz Wochenende reinkomme und zum ersten Mal seit langem wieder in der Alma Mater stehe. Hui, die haben ganz schön modernisiert seit damals. Der eine große Hörsaal ist nicht mehr da, der andere leider abgeschlossen. Ich laufe ein wenig hin und her und gucke und nutze die Gelegenheit für einen kostenfreien Toilettengang.

Dann erinne ich mich an alte Studitricks und gehe um die Ecke in die Uni-Buchhandlung, die zu einer großen Kette gehört. Ich streife erst lange durch die verschiedenen Bereiche und schaue mir Bücher an, dann fläze ich mich in einen der Sessel, telefoniere kurz mit dem Liebsten und lese dann, bis es Zeit für die nächste Verabredung ist. Ich treffe meinen alten Freund M. draußen und wir holen uns nebenan einen Döner. Damit laufen wir zu seinem Zuhause, wo schon sein kleines Bonuskind wartet. Der Rest der Familie ist ausgeflogen. Wir essen zu dritt, dann verabschiedet sich das Kind ans Tablett und wir reden – hauptsächlich über Politik. Der allgemeine Rechtsruck, die USA, die FDP und wie soll man denn jetzt am besten weitermachen… Immerhin sind wir uns auch 20 Jahre später noch ziemlich einig.

Nach anderthalb Stunden muss ich wieder los, zurück in den Stadthafen, dahin wo ich schon so einige Konzerte gesehen und auch selbst auf der Bühne gestanden habe. Heute aber Kabarett, von zwei alten Bekannten.

Es wird sehr mecklenburgisch, sehr lustig und natürlich sehr linksprogressiv und topaktuell, wie zu erwarten. Hängen geblieben ist zum Beispiel das Grundgesetz in sehr leichter Sprache. Artikel 1: Fass mich nich‘ an. Artikel 2: Kannste machen, aber lass mich in Ruhe! Schön. Hinterher habe ich noch Gelegenheit mit den Beiden zu reden und wir fachsimpeln über Duolingo, Finnland, Kanada und das anstehende Immergut. Dann muss die Bank zurückgetragen werden und ich verabschiede mich und laufe zurück zur Gastgeberin. Dort gibt es noch einen Tee und Abgleich der Erlebnisse des Tages, dann liege ich kurz nach 23 Uhr im Bett, das sich heute gleich viel gemütlicher anfühlt.

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