11.11.2024 – Vom Bett aufs Sofa

Es ist Montag und damit gedanklicher Neustart, zumindest ein bisschen. Erst einmal beginnt der Tag nach einem kurzen Plausch mit dem Liebsten mit einem Webinar um 8:30 (in Worten: acht Uhr dreißig – unchristliche Zeit!), das ich noch vom Bett aus verfolge. Ist dann aber dafür sehr spannend, es geht darum, wie man in Unternehmen „Haltung“ transportieren kann – nach innen und nach außen und kommt natürlich auch nicht ohne aktuelle Bezüge aus. Nach dem frühen Input bin ich einerseits geistig motiviert, lasse es aber körperlich noch ruhig angehen. Den eigentlich für heute geplanten Ausflug ins Brandenburgische sage ich ab, in der Hoffnung, ihn am Mittwoch nachholen zu können.

Stattdessen belege ich Bagel, koche Tee und schneide Obst und setze mich aufs Sofa. Zweiter Teil der Morgenroutine mit Bloggerei, Französisch, Italienisch, Rätseln usw. Dann schaue ich mir in Ruhe den Dokumentarfilm an, den ein Cousin am Wochenende geschickt hat, aus den frühen 70ern, Protagonist*innen größtenteils meine Familie. Ist schon verrückt, die jüngeren Versionen von Onkel, Tante (Papa war als Student laut Film gerade im Praktikum), Großeltern etc. zu sehen, die man so nur vom Foto kennt, in Mimik und Gestik aber trotzdem genau – und dazu die Stimmen und Dialekte von Uroma und Uropa, die ich beide nicht mehr kennengelernt habe. Tolles Erlebnis!

Als Nächstes (und völligen Kontrast) schaue ich mir die Aufzeichnung vom Live-Stream des gestrigen Hanson-Konzerts in Los Angeles an, die Akustik-Version, also im Prinzip das, was ich neulich in Toronto live gesehen habe. Schon erstaunlich, wie anders das aus der Nähe wirkt und wie stark das zwischenzeitlich angeeignete Wissen um die politischen Einstellungen der Band(e) den Genuss beeinflusst. Ich muss zwar immer noch viel mitsummen, gewinne aber langsam eine zynische Distanz, auch weil Taylor am Wahltag und am Morgen danach Posts auf Instagram hinterlassen hat, die an der tröstlichen Vorstellung zweifeln lassen, dass er als einziger der Drei stabil geblieben ist (und man sieht, dass auch er das Kreuz der georgisch-orthodoxen Kirche trägt, die wahnsinnig homophob ist). Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Drang, (für mich) zu canceln (verkürzendes Buzzword) und dem Vorsatz der Ambiguitätstoleranz, an das Gute im Menschen glauben, Gemeinsamkeiten statt Unterschiede betonen, an das Gute im Menschen glauben und mich auf die positiven Aspekte konzentrieren. Morgen werde ich mir noch den heute stattfindenden zweiten, also elektrischen Teil anschauen und vielleicht bin ich dann soweit, das Kapitel für mich ad acta zu legen.

Schon während des Konzerts (es ist inzwischen früher Nachmittag), beschließe ich, mir zu Genesungsförderung eine Pho zu bestellen. Sissi Chen berichtete neulich auf TikTok über die ihrer Meinung nach beste Pho Berlins und ich wohne genau im Liefergebiet. Zur Pho bestelle ich noch vietnamesische Frühlingsrolle (leider überwürzt und langweilige) und vietnamesischen Kaffee (leider völlig unzureichend verpackt und durch zur Hälfte verkleckert). Dir Pho selbst hingegen ist sehr gut, auch wenn der von Sissi gepriesene Knoblauch leider nicht dabei ist, und liefert mir Mittag- und Abendessen in einem.

Der Kaffee sorgt dafür, dass ich heute zum ersten Mal seit Tagen keinen Mittagsschlaf brauche (gestern waren es sogar zwei Schlafe (?)), sondern stattdessen produktiv werde – Spülmaschine, zwei Waschmaschinengänge, Müllbeutel wechseln – bevor ich mich wieder auf geistige Tätigkeit zurückziehe und mich mehrere Stunden mit Recherche, Reflexion und Planung beschäftige. Als die Konzentration dann nachlässt, gönne ich dem Geist noch ein paar Folgen This is Us (inkl. der in der Jack stirbt, trotz Wissens kann man kaum hingucken), bis es Zeit ist ins Bett zu gehen.

Hinterlasse einen Kommentar