Morgens ist die Welt noch in Ordnung, es ist zwar kalt, aber wirklich schönstes Herbstwetter – ganz unnovembrig, mit blauem Himmel und bunten Blättern. Ich starte gemütlich in den Tag, mit einigen Extras zum sonstigen Morgenprogramm – erweiterte Katzenversorgung, Geschenkeinwickelung und Rucksackpackung. Dann geht es gegen halb 11 hinaus in die Welt. Die aktuelle ÖPNV-Situation in Berlin ist auch heute nervig. Die 15 Minuten Tram zum Alex muss ich komplett stehen, das kommt sonst nur morgens in der dichtesten Rush Hour vor, keinesfalls nach 9 Uhr und schon gar nicht am Wochenende. Heute schon.
Am Alex dann umsteigen in den RegionalExpress, dort immerhin mit etwas Glück (und Nachdruck) einen Sitzplatz ergattert. Auf dem geht es dann wieder entspannt quer durch Berlin und Brandenburg bis nach Sachsen-Anhalt. In Dessau dann fängt der November an. Der Anschlusszug hat Verspätung, es ist grau und windig und kalt und ich stehe eine halbe Stunde frierend auf dem Bahnsteig bevor ich in eine sehr volle Regionalbahn einsteige. Zum Glück trotzdem noch mit Sitzplatz für das letzte Stück nach Leipzig. Hallo Sachsen, altes Haus!
Am größten Sackbahnhof Europas werfe ich schnell eine Brezel mit Kürbiskernen ein (nicht regional, aber mein Körper braucht den Stoff) und fahre dann mit der S-Bahn bis zum MDR, wo ich auf die „alte Freundin“ samt Mann und Kind treffe, die gerade von einem Ausflug zurückkommen. Gemeinsam laufen wir zu ihrer Wohnung und kaufen unterwegs dann noch echt sächsisches Gebäck ein.

Dann erstmal Sofa, Chillen, Geschenk übergeben, Kind bespielen… Es ist seit März doch ein bisschen gewachsen und sitzend und brabbelnd und schäkernd kaum noch als Baby zu klassifizieren. Als die Eltern kurz beschäftigt sind vertreiben wir uns genügsam gemeinsam die Zeit. Während seine Mama dann Risotto fürs Abendbrot kocht, schläft das Kind auf meinem Schoß sogar ein. Sehr kooperativ. Nach dem Essen dann verabschiede ich mich und fahre mit dem Bus nach Connewitz, Kunst gucken.

Heute ist die Finissage der Ausstellung „50 Jahre Neue Sorbische Kunst“ von Bernhard Schipper. Ein wilder Ritt durch (Science) Fiktion, (sozialistischen) Realismus, sorbische Kolonialisationsgeschichte und heutige politische Konfliktlinien in Bautzen und der Lausitz, verknüpft mit ein bisschen Familiengeschichte (Disclaimer: Der Künstler ist mein Cousin).




Es gibt eine ausführliche Führung durch die Ausstellung mit Erklärungen, sozialhistorischen Kontexten und kunstgeschichtlicher Einordnung und hinterher vielen interessanten Gesprächen mit den anderen Besucher*innen (Programmteil: Saufen für die Kunst).

Später, als sich die Reihen langsam lichten, haben mein Cousin und ich dann noch Gelegenheit für Updates aus den letzten und Ausblicke auf die nächsten Monate. Ganz am Ende drehen sich die Gespräche in der letzten Gruppe Verbliebener um Klimawandel, kanadische Sekten und den Sinn und vor allem Unsinn von Bitcoin. Dann wird es Zeit, den Laden dicht zu machen (bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zu ne offener Tür stehen wir seit über drei Stunden in einem unbeheizten und unsanierten Altbau…) und wir fahren in der (wohlig warmen) Straßenbahn zurück ins Zentrum.
Am Südplatz verabschiede ich mich, laufe durch die Kälte zurück zur Wohnung der alten Freundin und schleiche mich gegen Mitternacht ins vorbereitete Bett.