10.10.2024 – Langer Tag, langer Weg, lange Zeit

Die Nacht im Flughafenhotel ist kurz und unruhig, natürlich ist sie das. Der Wecker klingelt um 3, als ich das letzte Mal aufwache und auf die Uhr gucke sind es nur noch zwölf Minuten. Also mache ich mir schnell einen Kaffee (Hotelzimmerkaffee, ich kippe zweimal Zucker und zweimal Whitener rein, damit es so früh am Morgen erträglich schmeckt) und drehe zum Wachwerden eine kurze Aufwärmrunde durchs Internet. Eine halbe Stunde später stehe ich auf, ziehe mich an, packe meine Siebensachen wieder zusammen und mache mich auf den Weg. Halb 4 checke ich aus, dann laufe ich über die Fußgängerbrücke hinüber vom Hotel ins Terminal, fünf Minuten später stehe ich am Check-in. Erstaunlich viele Menschen sind da, für einen Flug vor 6 Uhr morgens. Direkt hinter der Security ist die Filiale von Tim Horton‘s schon geöffnet und alle, die durch die eine Schlange durch sind, stellen sich dann dort an – ich also auch. Ich kaufe mir zwei Donuts zum schnellen Frühstück, damit die Tabletten eine Basis bekommen. Einen mit Ahornsirup-Überzeug, einen mit Apfelstückchen und Zimt. Dann laufe ich Richting Gate und habe noch eine knappe Stunde bis zum Boarding. Der gute Souvenirladen, mit den schicken Nova-Scotia-Tartan-Sachen, hat leider noch zu. Also sitze ich herum, telefoniere mit dem Liebsten und blogge.

Im Flugzeug muss ich um meinen reservierten Platz kämpfen, weil die Leute, die da sitzen, sich einfach irgendwo hingesetzt haben, ohne auf ihre Bordkarten zu gucken. Dann sitze ich aber so, dass ich mich anlehnen kann, ohne meinen Arm zu belasten. Ich würde gerne weiter schlafen, aber das klappt so nicht – immerhin ein bisschen die Augen zu machen, bis der Service durchkommt. Hinter mir wird fleißig geschnarcht, das höre ich sogar durch die Noise-Cancelling-Kopfhörer. Zweieinhalb Stunden später landen wir genau zum Sonnenaufgang in Toronto.

Das Flugzeug spuckt mich aus in das Gewimmel eines riesigen internationalen Flughafens. So viele Menschen auf einmal habe ich seit einem Monat nicht mehr gesehen! Bis zum Gepäckband ist es ein weiter Weg, aber dafür ist mein Koffer dann auch schon da. Ich schnappe ihn mir und folge den Schildern, fahre mit dem Shuttle-Zug vom einen Terminal zum nächsten und nehme von da den Zug in die Stadt. Dann muss ich in die Streetcar umsteigen, was ein bisschen kompliziert ist – mangelhafte Beschilderung, fehlende Barrierefreiheit, ich muss teilweise über einen Hinterhofparkplatz laufen und wenn Google Maps und der Strom der Menschen mir nicht Sicherheit geben würden, würde ich denken, dass ich hier falsch bin. Dann aber lande ich an der richtigen Station, finde mein Streetcar und bin endlich in meinem Wohlfühl-Toronto. Anders als vor 19 Jahren, als ich hier gewohnt habe, werden die Haltestellen jetzt per digitaler Anzeige und Durchsage angekündigt, das macht vieles einfacher. Damals rief der Fahrer (meistens Männer) einfach irgendwann in seinem eigenen Dialekt/Akzent den Namen der Station nach hinten und ob man es hörte und verstand, war Glückssache. Außerdem musste man sich bei ihm einen „Transfer“ aus Papier abholen, wenn man umsteigen wollte und vorher Papiertickets kaufen oder Dollars in Metall-Tokens umtauschen. Heute hält man beim Einsteigen einfach sein Handy (oder eine Chipkarten) an einen Sensor – fertig.

Nach einer halben Stunde steige ich aus und laufe die letzten paar Meter zum Haus des Freundes in Kensington Market, bei dem ich übernachte. Er hatte mir geschrieben, dass er wahrscheinlich noch schlafen wird, der Schlüssel aber im Briefkasten liegt. Ich fische ihn heraus, lasse mich herein und finde drinnen weitere Zettel mit Infos und dem WLAN-Passwort. Hach. Kurz nach 9 Uhr Ortszeit, sieben Stunden nach dem Aufwachen, liege ich wieder auf dem Sofa und versuche ein Nickerchen. Natürlich erfolglos, ich bin zu aufgeregt. Also gucke ich, was ich in den letzten Stunden verpasst habe und mache Französisch und Italienisch. Eine Stunde später knurrt mein Magen und ich gehe wieder nach draußen (von Kensington Market anderthalb Blocks nach Süden, durch Chinatown hindurch bis zur Queen Street) und gönne mir dort ein richtiges Frühstück – kanadisch mit allem, was dazugehört.

Zwei Spiegeleier mit Bacon, Würstchen und Bratkartoffeln, ein Riesen-Pancake, French Toast, gebutterter Roggentoast, Erdbeermarmelade und dazu einen Caramel Pumpkin Latte, es ist schließlich Herbst

Bis auf eine Scheibe Toast verdrücke ich das alles. Dann laufe ich wieder zurück, an dreisprachigen Straßenschildern vorbei. Hach, Multikulti-Toronto!

Wieder zurück ist mein Gastgeber inzwischen aufgestanden, macht mir einen Tee und dann sitzen wir erstmal und erzählen. Wir überlegen, wann wir uns das letzte Mal gesehen haben und bekommen es nicht mehr so richtig zusammen. Zuletzt in dieser Wohnung war ich jedenfalls vor 16 Jahren, aber er war danach noch ein paar Mal in Berlin, allerdings haben wir uns da nicht jedes Mal gesehen und auch diesen Sommer leider verpasst. Egal, es ist schön, dass es jetzt klappt! Nach einem Stündchen oder so brechen wir zu einem gemeinsamen Spaziergang durch dieses und die angrenzenden Viertel auf – meine alte Hood sozusagen. Kensington Market, Queen West, Trinity-Bellwoods, Little Italy. Wir gucken bei meiner alten Wohnung vorbei und machen ein Beweisfoto und kehren dann in die einer Salatbar ein, wo mein Gastgeber einen Salat frühstückt und ich einen Mango-Hibiskus-Vanille-Eistee trinke.

Ich war Kellerkind

Wieder zurück schmieden wir Pläne für die nächsten Tage und dann ist uns beiden wieder nach Nickerchen – klappt auch diesmal nicht bei mir, schließlich bin ich noch verabredet. Kurz vor 5 breche ich wieder auf und spaziere durch Kensington Market und den Discovery District (Museen, Universitäten, Parlament von Ontario) zu einem Restaurant, wo ich mich um 6 dann mit meiner Freundin treffe.

Kensington Market
Typisches Wohnviertel-Straßenbild
Aus der Hüfte beim Überqueren der Kreuzung geknipst
Alt und Neu
Rauchfreier Campus
Parlament
Schwarzes Squirrel
Graues Squirrel
Kreuzung mit zusätzlichem diagonalem Fußgängerüberweg – ich will das in Berlin!
Tacos (für mich mit rohem Thunfisch) und Erdbeer-Passionsfrucht-Limonade

Das Wiedersehen ist toll! Wir wissen auch genau, wann wir uns das letzte Mal gesehen haben, nämlich als ich das letzte Mal in Toronto war, also vor elf Jahren. Damals war das Kind der Freundin sieben, jetzt geht es in Montreal aufs College. Wir haben uns also viel zu erzählen und in unser beider Leben ist sehr viel passiert seitdem.

Nach dem dem Essen geht es um 8 weiter ins Theater, zu The Thanksgiving Play. Eine Gruppe von Menschen versucht im Native American Heritage Month, ein altersgerechtes Theaterstück über (das amerikanische) Thanksgiving für Grundschüler*innen zu inszenieren und dabei in keinerlei Fettnäpfchen zu treten und dabei auch noch die Kriterien mehrerer Stipendienprogramme zu erfüllen. Stichworte Awareness, Diversity, Equity, Wokeness, Political Correctness usw. Natürlich sind zwei der Protagonist*innen auch noch aus der Yoga-Bubble und eine stellt sich im Laufe des Stücks als Weiße heraus, die nur „auch“ Native-Rollen spielt.

Es werden wirklich alle Register gezogen, rassistische Klischees bloßgestellt und gleichzeitig den aktuellen Bemühungen der Spiegel vorgehalten. Trotzdem bleibt es irgendwie unbefriedigend und hinter den Erwartungen zurück, will zu viel und schafft zu wenig. Einige Besucher*innen gehen schon während des Stücks, am Ende gibt es nur kurzen Höflichkeitsapplaus (niemand ist von der Bühne bevor er endet) und zur anschließenden Q&A-Session bleiben nur eine Handvoll Leute sitzen – wir nicht. Besonders meine Freundin ist enttäuscht, zumal das Drehbuch von einer indigenen Dramaturgin ist, die Regisseurin schon viele indigene Stücke inszeniert hat und einer der Schauspieler ihr schon aus gemeinsamen Arbeiten bekannt ist. Hmm.

Wir laufen gemeinsam zur Streetcar und fahren noch eine Weile zusammen, bis ich aussteigen muss. Kurz danach bin ich wieder „zuhause“, wo mein Gastgeber – ganz Kanadier – Hockey guckt. Ich schaue noch eine Weile mit, aber gegen 11 bin ich einfach zu platt. Wir beziehen die Couch für mich und er geht in seiner Stammkneipe weitergucken. Ich habe 21 Stunden Tag nach fünf Stunden Nacht hinter mir, 27.777 Schritte (mein persönlicher Rekord, 20,57 km) und zwei Wiedersehen nach langer, langer Zeit. Zum Einschlafen gucke ich noch Barack Obamas Wahlkampfauftritt für Kamala Harris heute in Pittsburgh, aber darüber fallen mir dann tatsächlich die Augen zu (und das Handy aus der Hand).

09.10.2024 – Abschied, Tundra und Donair

Zum Abschied gibt das Wetter heute nochmal alles. Das Frühstück gibt es noch drinnen, aber danach steht die Sonne so hoch, dass ich nochmal lange und ausführlich auf dem Deck sitzen kann, während die Chipmunks um mich herum Eicheln für den Winter sammeln und sich über der Bucht die Gänse versammeln um gen Süden zu ziehen.

Irgendwann muss ich dann auch meine Sachen sammeln, um weiter zu ziehen – nach Westen allerdings. Koffer packen und wiegen (trotz Mitbringseln noch 1 kg unter der Gewichtsgrenze, puh), letzte Kuchen aufessen, das obligatorische Abschiedsfoto mit den Eltern machen und dann sind die knapp vier Wochen hier schon wieder vorbei. Schnüff.

Wir fahren auf dem Highway durch buntes Herbstlaub Richtung Flughafen, machen dann aber noch einen touristischen Schwenker und verbinden das Nützliche mit dem Angenehmen. Erst halten wir (kurz, nur für Klo und ein paar Fotos) am Touristenmagneten Peggy‘s Cove.

Dann fahren wir noch ein wenig weiter, dahin wo kaum Touristen hinkommen: Polly Cove. Hier gibt’s noch eine kleine Mini-Wanderung durch herbstliche Tundra-Landschaft.

Dann setzen mich meine Eltern am Flughafen-Hotel ab und machen sich wieder auf den Heimweg. Wiedersehen in etwa vier Wochen dann in Berlin!

Ich beziehe mein Zimmer im Zehnten Stock und blicke direkt auf die Ankunftshalle, die ich sonst nur von unten kenne. Diese woken Kanadier*innen haben jetzt zusätzlich zum Fußgängerüberweg auch noch die Bäume in Regenbogenfarben angemalt!

Zum Abendbrot an der Hotelbar gibt es Blaubeer-Basilikum-Limonade und eine echte Lokalspezialität aus Halifax: die überraschend leckere Donair-Pizza. Eigentlich wollte ich danach noch in den Pool, aber da es dann schon recht spät ist und mein Wecker morgen um 3 klingelt, hüpfe ich dann doch nur noch schnell unter die Dusche und liege gegen 20:15 im Bett – da sind die Ellis gerade wieder zuhause angekommen.

08.10.2024 – Regentag und Abschiedsdinner

Ich erwache zu stürmischem Wetter – die Bucht schlägt Wellen, die Bäume rauschen, es herbstelt gar sehr.

Zum Frühstück mache ich mein Knuspermüsli alle, das Ginger Ale wurde gestern schon geleert, die Chipstüte hoffentlich heute Abend – Restevertilgungsloosy ist am Start, denn morgen breche ich hier auf und nicht alles, was ich so esse, kommt auch meinen Eltern über die Lippen.

Nach dem Frühstück letztes Wäschewaschen und lange Couch-Session mit Blick auf die unruhige See. Ich absolviere meine Französisch-, Italienisch- und Sorbisch-Lektionen und beende dabei den A1-Teil vom Sorbischkurs. Wirklich können tue ich das alles aber noch nicht, ich glaube, den mache ich direkt nochmal, bevor ich zu A2 übergehe. Außerdem schaue ich mich im Internet um, schaue, was Kamala Harris in den letzten Tagen medial so getrieben hat, telefoniere mehrmals mit dem Liebsten, schreibe mit Freund*innen… Die Zeit vergeht.

Schon um 14 Uhr gibt es heute Kaffee und Kuchen, da abends ja ein größeres Gelage ansteht. Kurz darauf fängt es draußen an, richtig und heftig zu regnen.

Und dann beginnen auch schon die Vorbereitungen fürs Abendessen, denn pünktlich halb 7 trudeln die Gäst*innen ein – alles Deutsche nämlich. Die Nachbarn von der anderen Seite der Bucht, die von einer Informationsveranstaltung zum anstehenden internationalen Theaterfestival kommen, bei dem sie Teilnehmer*innen beherbergen werden; ein weiterer Nachbar, der gestern Abend erst aus Berlin eingetroffen ist und vorgestern noch live im Fernsehen war; eine ehemalige Nachbarin, die jetzt eine halbe Stunde weiter weg gezogen ist und gerade von ihrer letzten diesjährigen Tour als Reiseleiterin zurückgekehrt ist.

Regenbogenforelle mit Tsatsiki, gebackene Kartoffeln-Karotten-Sellerie, gedünsteter Brokkoli, gedünstete Möhren, Hasselback-Butternut-Kürbis, Salat mit Birnen und Blaubeeren.

Wir sitzen und schlemmen und trinken und erzählen – Geschichten aus der Nachbarschaft und dem kulturellen Leben der umliegenden Dörfer und Städtchen, DDR-Geschichten, Hurrikans, US-Politik, Kreuzfahrten pro und contra, Wildtierbegegnungen in Kanada und in Alaska… Anscheinend gibt es hier in der Bucht neben Waschbären und Bobcats auch mindestens einen Bären und einen Puma – und neuerdings ja auch ab und an Haie im Wasser. Es wird nicht langweilig! Gegen 10 ist dann allgemeiner Aufbruch – der Jetlag, der weite Heimweg… Und für mich geht es dann auch ins Bett, zur Vorbereitung des Schlafrhythmus auf morgen, denn dann muss ich sehr früh schlafen und dann noch früher aufstehen…

07.10.2024 – Wenig Pilze, viele Vogelscheuchen, aber Seafood

Heute morgen ist es trocken und zeitweise auch sonnig, das verlangt gewissermaßen nach Aktivität. Also nach dem ausführlichen Frühstück und der ausführlichen Internetrunde am Morgen usw. usw. Aber dann, gegen 13 Uhr, nachdem auch noch die über Nacht fertiggetrocknete Wäsche abgenommen ist, gehen Mama und ich recht optimistisch auf Pilztour. Es fängt auch gut an, mit einem Butterpilz relativ am Anfang. Dann aber wird es eher enttäuschend. Hier in der Nähe gibt es einen Pfad im Wald, der früher mal eine Bahnstrecke war – die Gleise gibt es schon längst nicht mehr. Normalerweise gibt es dort viele Pilze – mein Bruder und seine Freundin haben dort letztes Jahr Steinpilze ohne Ende gefunden. Scheinbar aber wurde dort in den letzten Tagen sehr viel gebaut – aus dem Pfad ist eine breite Schotterstraße geworden, wer weiß, zu welchem Zweck, und alles, was mal pilzträchtig war, wurde plattgewaltzt. Mama ist empört. Dafür gibt es aber wenigstens schöne Aussicht über die Bucht.

Wir kehren also mit einem Pilz zurück, finden dann ums Haus herum immerhin noch fünf andere (Champignons, Birkenpilze…), aber eine Pilzmahlzeit wird daraus jedenfalls nicht. Immerhin ist aber der Herbst jetzt auch wirklich eindeutig da gewesen und hat die Blätter angemalt.

Wir kehren nochmal für Kaffee, Tee und Kuchen (Reste von Pflaumenkuchen, Birnentarte und Schokoladenkuchen) zuhause ein und machen uns dann langsam bereit für unseren heutigen kleinen Roadtrip – im Vorbeifahren mache ich ein paar schnelle Herbst-Schnappschüsse.

Erster Halt ist heute Mahone Bay, wo wir neulich schon bei den südafrikanischen Freunden waren und letztes Jahr lecker essen. Vor 13 Jahren war ich zur gleichen Jahreszeit auch da, aber – ich habe gerade nachgesehen – habe nicht darüber gebloggt. Nur Facebook liefert Jahr für Jahr zuverlässig die Erinnerung. Jedenfalls, in Mahone Bay ist immer von Ende September bis zum kanadischen Thanksgiving (nächsten Montag) das Scarecrow Festival, in dem die ganze Stadt Vogelscheuchen aufstellt – Privatleute in ihren Gärten, Unternehmer*innen vor ihren Geschäften – oftmals mit passenden Bezügen oder popkulturellen Referenzen. Nur teilweise sind die Vogelscheuchen so gruselig, dass sie auch als Halloween-Dekorationen durchgehen – aber von denen ist die ganze Gegend eh schon spätestens seit Ende September auch voll – Spooktober auch hier. Das Scarecrow Festival zeigt dann auf jeden Fall die ganze Stars-Hollow-Haftigkeit dieser Gegend hier und ist deswegen immer wieder ein Erlebnis, schaut selbst:

Ja, das ist vor einem Friseur

Nach der Fototour durch den Ort fahren wir nochmal ins benachbarte Lunenburg, wo wir neulich schon zum Orgelkonzert waren. Heute lassen wir uns ein bisschen mehr Zeit zum Herumlaufen und Fotografieren

Spooktober und Oktoberfest – was ist gruseliger?
Kanada, Deutschland, Nova Scotia und Mi’kma’ki

Zum Schluss kehren wir noch in einem der Lieblingsrestaurants meiner Eltern ein. Für mich gibt es lokalen Cider, Shrimp-Cocktail und Muscheln in Rosé-Knoblauch-Sauce.

Hinterher fahren wir mit einem Umweg über den Supermarkt für Einkäufe zu meinem morgigen Abschiedsessen („Fete“, wie meine Eltern sagen) wieder nach Hause. Gegen halb 9 liege ich müde und vollgefuttert wieder auf der Couch. Der Abend endet dann mit dem „60 Minutes„-Interview von Kamala Harris und hinterher noch ein wenig Downton Abbey (Ende Staffel 4 und Beginn Staffel 5).

06.10.2024 – Gemütlicher Sonntag im Haus am Meer

Heute wieder Aufwachen zu blauem Himmel, gemütliches Frühstück (drinnen) gegen halb 11. Der Tag verspricht schön zu werden, keinen Tropfen Regen gibt es in der Wetter-App. Also direkt mal eine Ladung Wäsche waschen!

Danach steht die Sonne hoch genug und ich setze mich draußen aufs Deck für Runde zwei der Morgenroutine. Nebenbei schreibe ich mit der Freundin in Toronto und wir schmieden Pläne für das kommende lange Wochenende dort.

Als die Waschmaschine fertig ist, hänge ich meine Wäsche wie hier (also bei meinen Eltern) üblich, auf die Leine im Wald.

Kaum ist das erledigt, steht auch schon der heutige Besuch vor der Tür. Ein befreundetes Paar ist aus Halifax zu uns gekommen, Mama hat Pflaumenkuchen und Birnentarte gebacken. Wir sitzen und essen und gucken aufs Wasser und wechseln dann hinüber ins Wohnzimmer, an den Kamin. Die Sonne ist jetzt weg. Trotzdem hänge ich noch eine zweite Ladung Wäsche auf und stelle fest, dass die erste dank Wind und Sonne schon fast trocken ist. Kaum sind die Gäste wieder weg gibt es dann einen ergiebigen Regenschauer, den die Wetter-App uns verschwiegen hatte. Wir retten die fast trockene Wäsche nach drinnen und lassen sie dort zu Ende trocknen, der noch nassen wünschen wir für die Nacht alles Gute und hoffen, sie morgen dann trocken reinholen zu können.

Wo der Kamin schon mal an ist, bleiben wir dann auch gleich im Wohnzimmer – ich zum Beispiel bei einem schönen Mittagsschläfchen. Als ich wieder wach bin, dämmert es draußen schon langsam.

Zum Abendbrot gibt es die Reste vom gestrigen jamaikanischen Essen, dazu einen frischen Salat mit Birne, Blaubeere, Zitronendressing und Melisse.

Dann geht es zurück an den Kamin. Ich lese das schon vor einer Weile begonnene „In der Zukunft sind wir alle tot“ von Stefanie Sargnagel zu Ende, bevor meine Ausleihzeit in der Onleihe abläuft, mache dann Kreuzworträtsel und Handyspiele und höre mit einem halben Ohr mit, als meine Eltern die dieswöchigen Folgen von heute-show und ZDF Magazin Royale nachgucken. Ersteres ist anstrengend, weil es nicht so wahnsinnig witzig ist – der Part zum amerikanischen Wahlkampf ist schon von den (besseren) amerikanischen Late-Night-Comedians besser durchgenudelt worden, Oliver Welke kann „Kamala“ immer noch nicht vernünftig aussprechen, der Teil zur österreichischen Wahl hat viel Cringe-Potenzial und schmunzeln muss ich nur einmal kurz, als es um den Papst geht. Böhmermann hinterher ist anders anstrengend – immerhin mit Absicht und Konzept – I see what you did there! – aber lustig ist auch anders.

Als beides vorbei ist, gehe ich mit Downton Abbey in die Badewanne und dann nach einer Folge weiter ins Bett.

05.10.2024 – Letzter Samstag in Nova Scotia #WMDEDGT

Es ist der 5. und wie jeden Monat ruft Frau Brüllen zum Tagebuchbloggen auf. Die anderen Beiträge zu “Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?” findet Ihr hier.

Ich erwache kurz nach halb 7, was eigentlich ja viel zu früh ist, sowohl für einen Samstag als auch für unseren normalen Tagesrhythmus hier. Aber ich habe durchgeschlafen und fühle mich einigermaßen ausgeruht, also gräme ich mich nicht weiter und nutze die zusätzliche Zeit für ausführliche Morgenroutine im Bett. Ich lese Nachrichten und Benachrichtigungen, Facebook, Instagram, Bluesky, Threads, Mastodon und gucke mir WhatsApp-Stati an, ich lese meinen Feedreader leer und blogge dann. Ich mache die Tagesaufgaben für Französisch in Duolingo, erledige eine Lektion und übe Vokabeln für Italienisch in Babbel und mache ein bisschen im Sorbischkurs weiter.

Ich telefoniere mit dem Liebsten, nehme die morgendliche Runde Medikamente und dann ist immer noch Zeit bis 10:00, unsere übliche Aufsteh- und Frühstückszeit hier. Also gucke ich ein bisschen weiter Downton Abbey. Kurz vor halb 11 rührt sich immer noch nix im Haus, aber jetzt beschließe ich, dass der Tag beginnt und stehe auf. Draußen ist es wieder grau und kühl, also heize ich erstmal den Ofen an. Da ich das nur alle Jubeljahre mal mache, dauert es ein bisschen und klappt nur so mittel. Ich setze dann Teewasser auf und beginne mit der Frühstückszubereitung, da kommt Mama dazu und bessert nochmal am Ofen nach. Wir decken den Tisch und als Papa auch aufgestanden ist, gibt es ein ausführliches Frühstück mit Ei, Brötchen usw.

Nach dem Essen mache ich es mir auf der Couch bequem (mit Blick aufs Meer, wie aus jedem Fenster hier) und tippe zwei Ausschnitte aus der sorbischen Tageszeitung ab, die man meinen Eltern abfotografiert hat – es geht natürlich um die Denkmalseinweihung vorgestern. Wahrscheinlich könnte man die Bilder auch durch einen Textscanner ziehen, aber mit all den Sonderzeichen – wer weiß ob das klappt und mit wieviel Korrekturaufwand. Ich tippe auf meinem Handy ab, da habe ich eine tschechische Tastatur drauf für das sorbische Alphabet und muss nur die tschechische Autokorrektur korrigieren. Den dann sorbischen Text übersetzt Mama dann (Sie kennt sich mit den Inhalten besser aus als ich.) mit Unterstützung von Sotra und Bing und teilt die Übersetzung dann wieder mit der ganzen Familie.

Dann gehe ich ins Bad und mache mich für den Tag bereit. Mama verarztet mich fachmännisch mit Salbe, der Liebste ruft nochmal an und dann ist es auch schon Zeit für Aufbruch – am Samstag haben (deutsche) Nachbarn im Dorfzentrum einen Farmstand und ich bin jetzt zum vierten Mal in Folge dort. (Auch erstmal zum letzten, denn nächsten Samstag bin ich in Toronto, den darauf in Bremen und ab dem darauf dann wieder in Berlin). Das Dorfzentrum ist übrigens einige Autominuten entfernt, immer weiter die Bucht entlang. Zu Fuß bräuchte man eine gute Dreiviertelstunde entlang einer Landstraße ohne Fußweg, also nehmen wir das Auto. Wir kaufen Eier und Schwarzwälder-Kirsch-Cupcakes, schwatzen noch ein bisschen mit dem Farmer über vor ein paar Tagen vorbeigekommene Koyoten auf dem Grundstück und die Gerüchte über einen ausgewachsenen Schwarzbären im Nachbarort. Auf dem Heimweg bringt Mama noch zwei der Cupcakes bei den Nachbarn vorbei, die uns neulich mit ihrem Bagger geholfen haben.

Wieder zuhause geht es zurück auf die Couch. Ich lese „Ans dunkle Ufer“ von A.E. Johann zu Ende, das in Teilen genau hier in der Gegend spielt. Zeitweise siedeln die Protagonist*innen an dem Fluss, an dessen anderen Ufer wir gestern Kaffee getrunken haben, später segeln sie an unserer Bucht vorbei, um dann einen anderen Fluss (da wo wir neulich essen waren) hinauf zu ihrem nächsten Siedlungsort zu gelangen. Während der Lektüre gibt es Tee, Cupcake und ein Stück vom Schokokuchen, den es vorgestern bei den anderen Nachbarn gab.

Den Rest des Tages schaue ich dann weiter Downton Abbey – recht weit in die 4. Staffel hinein – während es sich draußen langsam einregnet – das prasselt ganz schön und gibt ein schön gemütliches Hintergrundgeräusch. Unterbrochen wird der Serienmarathon eigentlich nur noch vom Abendbrot um 19 Uhr. Ich koche heute Jamaikanisch – Rice and Peas mit einer „Mischung“ aus Jerk Chicken und Ital Stew. Lokales Hähnchen in Zwiebeln angebraten und beiseite gestellt, dann im gleichen Topf Knoblauch, Frühlingszwiebeln, Ingwer, Thymian, Chili, Muskat und Nelken (Piment war keins da) anschwitzen, Cassava, Süßkartoffeln und Möhren darin anbraten, mit Kokosmilch und dem Bohnenwasser vom Reis ablöschen, Wasser dazugeben und später den Rest Mangold und das Hühnchen wieder dazugeben und köcheln lassen. Dazu in Wasser und Kokosmilch gekochten Reis mit Kidneybohnen. Als Sundowner und passendes Getränk zum Essen gibt es braunen Rum mit Ananas- und Maracujasaft.

Nach noch ein paar Folgen Downton Abbey gehe ich gegen halb 12 als letzte ins Bett, nehme die abendlichen Medikamente ein, bade meinen Arm in Voltaren und suche mir eine Position, die möglichst schmerzfrei ist, um wieder möglichst lange und ungestört zu schlafen.

04.10.2024 – Käffchen und Strand

Der Tag beginnt neblig, beim Aufstehen ist draußen in der Bucht quasi nix zu erkennen (das Foto zeigt mehr, als das bloße Auge sieht):

Wir frühstücken also drinnen, mit prasselndem Feuer im Ofen. Am Ende des Frühstücks ist das Draußen aber schon wieder da und es verspricht, ein schöner Tag zu werden. Nach dem zweiten Teil der Morgenroutine (inkl. Telefonat mit dem Liebsten und den Katzen) machen wir uns auf den Weg, ein paar Dinge zu erledigen. Wir halten am Farm Market und kaufen Milch, lokales Obst und Gemüse sowie Fleisch vom Huhn und vom Bison. Dann geht es weiter zum Baumarkt, wo eine Bestellung abzuholen und Werkzeug zu kaufen ist. Auch am Highway sind die Blätter jetzt deutlich bunter.

Wir fahren den Fluss entlang zurück ans Meer und halten sozusagen am Stammcafé, für guten Cappuccino und Gebäck – für mich stellvertretend für den Liebsten ein Lemon Square – und genießen die Aussicht vom Steg.

Die Küste entlang geht es dann heimwärts, mit einem Zwischenstopp am Stammstrand. Da gerade Ebbe ist, können wir diesmal bis ganz nach hinten laufen – erst zügigen Schrittes, sportlich gegen den Wind gestemmt, später (um die „Kurve“ herum) gemütlicher und Schätze sammelnd – „Irisches Moos“, Muscheln, Hummerscheren, interessantes Treibholz…

Auf dem Rückweg Richtung Auto erkennen wir schon weitem die Nachbarn vom anderen Ende der Bucht auf ihrem beinahe täglichen Strandspaziergang. Wir halten einen kurzen Schwatz über die Geschehnisse der letzten Tage, Neuigkeiten von gemeinsamen Bekannten und den ersten McDonald‘s in Moskau und verabreden uns dann für in ein paar Tagen (meinen letzten Abend hier, schluchz) zum Abendessen. Wer braucht schon Telefone, wenn man einen Strand gemein hat?

Wieder zuhause gibt es zum Aufwärmen Tee und dann lese ich weiter im Buch, bis Mama zum Abendessen ruft – heute gibt es Pasta alla puttanesca, dazu kalifornischen Rotwein und Gespräche über Schriftstellerei, Sozialismus und Sprachfehler. Und nochmal über die Geschehnisse gestern, hier mit einem ausführlicheren Link. Ich beschließe den Abend mit mehreren Folgen Downton Abbey.

03.10.2024 – Feiertag aus der Ferne und Katzenbekanntschaften

In Deutschland ist heute Feiertag – Schlandtag, wie der Liebste sagt, aber das lässt uns hier drüben in Nova Scotia relativ kalt (den Liebsten zuhause auch, von beiden Seiten des Eisernen Vorhangs also verhaltenes Desinteresse und eher unverhohlene Kritik am Was, Wann und Wie, auch wenn es natürlich sehr praktisch ist, dass wir heute im gleichen System leben, der Weg dahin hätte besser gestaltet werden sollen, dann wäre heute vielleicht auch mehr Einheit zu spüren). Statt Einheitsbrei gibt es also hier erstmal Frühstück, überraschend wieder draußen, weil genau zur Frühstückszeit um 10 die Sonne auf die richtige Stelle des Decks scheint.

Während ich mich dann zur üblichen zweiten Schicht Sprachen, Rätseln und Spielen aufs Sofa zurückziehe, sind die Ellis ab dann mit den Ereignissen in der Lausitz beschäftigt. Heute wird der Gedenkstein für Johann August Miertsching eingeweiht, den sorbischen Missionar und Polarforscher, über den sie nach zwanzigjähriger Recherche dieses Buch veröffentlicht haben und den sie damit aus der öffentlichkeitswahrnehmungsmäßigen Versenkung geholt haben (nachdem er im 19. Jahrhundert schonmal kurz prominent war). In seinem Geburtsort steht also seit heute ein Denkmal, gefeiert mit Chorgesang und Reden aus Lokalpolitik und Wissenschaft. Da meine Eltern ja nun gerade hier und nicht dort sind, trudeln den ganzen Tag über Nachrichten und E-Mails mit Fotos und Videos ein, von diversen Teilnehmenden aus Familie, Freundes- und Bekanntenkreis und es ist alles sehr aufregend.

Irgendwann gönne ich mir eine Pause von der Aufregung und nehme ein Bad, während Papa ins Nachbarstädtchen fährt, um Sauerteigbrot zu kaufen, bevor die Bäckerei dort ein paar Tage zu hat. Er bringt auch Blaubeer- und Himbeer-Scones mit, die wir dann draußen auf dem Deck verspeisen, als wieder genau passend die Sonne rauskommt. Danach bleibe ich noch eine Weile mit meinem Buch sitzen, bevor der Herbstwind zu kühl wird und ich mich wieder auf die Couch verziehe und noch ein Schläfchen halte. Yoga ist weiterhin nicht, der Arm will Schonung.

Nach dem Schlaf ist es dann schon Zeit, nach drüben zu Nachbars zu spazieren, die uns zum Abendessen eingeladen haben. Highlight für mich sind die Katzen, die ich bisher nicht kennengelernt habe, da sie reine Drinnenkatzen sind. Drei sind es, Lily, Brillo und Dorian, und sie sind allesamt sehr flauschig und dekorativ.

Wir trinken Cranberrysaft mit Ginger Ale und später Rotwein, essen Schweinelendchen mit Kartoffelbrei, Möhren und Gravy und später Schokoladenkuchen und haben uns viel zu erzählen – ein schöner Abend! Da Nachbars morgen früh rausmüssen, um ihre Tochter zu nachtschlafender Zeit am Flughafen abzuholen, spazieren wir schon halb 10 mit einer Taschenlampe bewaffnet durch den dunklen Wald zurück. Zuhause geht es dann mit dem Miertsching-Fieber weiter, ich ziehe mich aber schon kurz nach 10 in mein Schlafgemach zurück, gucke noch ein bisschen Downton Abbey und versuche dann ab Mitternacht, dem Armschmerz ein wenig Schlaf abzuringen.

02.10.2024 – Auf Farbenjagd im Kejimkujik National Park

Das Datum sagt es, das Laub sagt es: Der Herbst ist da, jetzt auch spürbar, das Thermometer scheint es nicht mehr über 20 Grad schaffen zu wollen in den nächsten Tagen. Soll uns allerdings nur Recht sein, denn irgendwann muss man ja die ganze Farbpalette erleben, bevor ich in einer Woche weiter nach Toronto fliege. Bald nach dem Frühstück machen wir uns also auf den Weg – erst den hiesigen Fluss entlang ins Landesinnere und dann ein Stück südlich bis zum Kejimkuji-Nationalpark.

Anhalten am Biberdamm

Im Park angekommen machen wir dann erstmal eine kurze Rast mit Keksen, Äpfeln und Wasser – und Aussicht.

Dann geht es zu Fuß einen Fluss entlang, einer Portage von Anfang bis Ende folgend. Links und rechts flitzen die Squirrels an uns vorbei.

Danach fahren wir noch ein Stück weiter und nehmen uns einen der offiziellen Wanderwege vor (Snake Lake), den wir alle drei noch nicht kennen und mit dem ich seit langem mal wieder mein Schrittziel schaffe.

Der See ist so warm, dass wir kurz übers Baden nachdenken, aber wir haben keine Handtücher dabei.

Die ganze Zeit im Park über begegnen uns nur wenige Autos und nur zwei Handvoll Menschen, eine davon im Visitor Center. Ein Traum! Gegen 17 Uhr brechen wir wieder auf und fahren nach Hause, wo wir gegen Sonnenuntergang ankommen.

Zum Abendessen gibt es schnelle Senfeier mit Kartoffelbrei und Gurkensalat. Papa hat währenddessen ein Feuer angemacht und der Abend endet dann lesend auf der Couch.

01.10.2024 – Treaty Day Powwow und Debatte

Gestern war in ganz Kanada Truth and Reconciliation Day, heute ist in Nova Scotia Treaty Day, an dem den Verträgen gedacht wird, mit denen die Mi‘kmaq und die Briten ab 1725 und nach 75 Jahren kriegerischen Handlungen diese beendeten und stattdessen „Freundschaft“, Handel und eine Art gegenseitige Duldung etablierten. Die Mi‘kmaq akzeptierten die Präsenz der Briten, die Briten gestanden den Mi‘kmaq zu, weiter eine gewisse Souveränität beizubehalten. Einmal im Jahr, am 1. Oktober, sandte das britische Königshaus den Mi‘kmaq Geschenke zur Bekräftigung des Vertrags. Seit 1986 wird der Tag von der Provinz Nova Scotia regelmäßig begangen und dient als Beginn des Mi‘kmaq Heritage Months dazu, die Kultur und Geschichte der Indigenen zu ehren und lehren.

Hier im Nachbarstädtchen fand deshalb als Teil 2 zur gestrigen Veranstaltung ein kleines Powwow (auf Mi‘kmaw: Mawio‘mi) statt. Im Vergleich zu gestern gab es mehr Foodtrucks und Verkaufsstände mit Mi‘kmaq-Kunst, mehr Menschen in traditionellen Regalia und ein paar weniger orangene Shirts und insgesamt weniger Menschen – wohl weil heute kein Feiertag ist. Mit etwas Verspätung geht dann die Veranstaltung los – mit dem Grand Entry aller Tänzer*innen, dem Präsentieren der Flaggen (Kanada, Mi‘kmaqi, Every Child Matters und eine weitere, die mir nicht ganz klar ist – entweder von der „lokalen“ Mi‘kmaq-Nation oder etwas regionales Militärisches), dem Eröffnungsgesang, dem Tanz für die Veteran*innen.

Dann kommen zur Auflockerungen ein paar Tanzspiele – sämtlich begleitet von zwei Trommelgruppen und entsprechendem Gesang, bei denen man etwas gewinnen kann – McDonald‘s-Gutscheine nämlich. Der Emcee kommentiert das mit trockenem Sarkasmus „For those next dance I welcome everyone with diabetes and high cholesterol to participate, you can win vouchers for this amazing Micky Dee food.” Es folgt ein Tanz für die Kinder, bei dem es für alle Teilnehmenden Süßigkeiten gibt, und dann wird es wieder traditioneller, mit den verschiedenen Altersgruppen und Tanzstilen, die präsentiert werden. Weil es insgesamt nur wenige Tänzer*innen gibt – dieses Mawio‘mi existiert erst im vierten Jahr und ist noch sehr klein – werden da auch Kategorien zusammengelegt und es geht alles etwas schneller.

Zuhause gibt es Muffins und Tee und dann ein ausgiebiges Nachmittagsschläfchen. Dann lese ich in meinem Buch weiter, in dem es genau um die Zeit vor den Treaties geht. Zum Abendbrot kochen wir dann Orecchiette mit Mangold und Regenbogenforelle – sehr Ton in Ton.

Danach lese ich weiter, bis es Zeit für die Vice Presidential Debate zwischen Vance und Walz ist. Endlich zu einer vernünftigen Zeit live mitfiebern! Nur ist dann nicht so viel fiebern, Vance gibt sich erstaunlich nicht-weird und menschlich, Walz verstolpert ein paar Sätze, ansonsten unauffällig bis zum Schluss, als es um January 6 geht und Walz nochmal richtig punkten kann. Weniger spektakulär als Harris gegen Trump, aber hoffentlich kein Hindernis für Trumps Wahlniederlage… Gegen Mitternacht geht es dann auch für mich ins Bett.