24.07.2024 – Medizinischer Marathon

Nach knappen vier Stunden bin ich schon wieder wach und heute klappt es dann nicht mehr mit dem Einschlafen – immer wenn ich kurz davor bin, fällt mir die ungeklärte Internetsituation wieder ein. Mit dem neuen Vertrag, wann auch immer er denn nun kommt, geht ein Wechsel von Kabel zu DSL einher und da ich die Telefondosen in dieser Wohnung noch nie gebraucht habe und so in den letzten zehneinhalb Jahren nicht wahrgenommen habe, laufe ich verstört zwischen 4 und 5 Uhr morgens durch die Wohnung und gucke, wo die eigentlich sind und dass nicht irgendwelche Möbel davorstehen. Sie sind natürlich direkt neben den Kabeldosen und damit frei zugänglich. Nächtliche Irrationalität…

Kurz nach 6 gebe ich die Nacht verloren, der Wecker klingelt eh halb 8, da ich heute einen Termin in einer Spezialklinik habe, auf den ich schon sehr lange gewartet hatte – letzten Donnerstag bekam ich unverhofft einen Anruf (von einer anonymen Nummer) und wurde gefragt, ob es heute geht. Nach ausführlicher Morgenroutine und Müsli mit Obst auf dem Balkon mache ich mich auf den Weg, etwa eine Stunde ist es von Haustür zu Haustür.

Die Charité ist jedes Mal verwirrend, quasi ein ganzer Stadtteil. In dem einen Gebäude bin ich geboren, in einem anderen habe ich mal Il Professore besucht, in einem dritten hatte ich zweimal beruflich zu tun. Apple Maps verortet die Adresse zu der ich muss ganz woanders – Straße ungleich Weg! – aber Google Maps leitet mich schließlich korrekt durch das Wirrwarr. Ich finde die Anmeldung, werde aber erstmal zum Nummern ziehen geschickt. Etwa 20 Minuten Warten im Wartebereich, dann Anmeldung, dann Warten im nächsten Wartebereich, dann ins Untersuchungszimmer.

Eine Assistenzärztin nimmt sich viel Zeit für die Anamnese, studiert meine mitgebrachten Unterlagen, untersucht und befragt mich ausführlich. Dann kommen eine Fachärztin und die Professorin dazu, die die Klinik leitet, und schauen sich mich und meine Daten auch nochmal an. Es wird beratschlagt und ein Fahrplan aufgestellt – nächste Woche gehe ich täglich hier in die Tagesklinik, davor folgen noch heute weitere Untersuchungen und hinterher dann vermutlich ein Medikationsplan. Wir bewegen uns hier zwischen zwei möglichen Diagnosen, chronischer Kram, den man nicht braucht. Nicht gefährlich, aber unangenehm und sich in unterschiedlichem Maße auf die Lebensqualität auswirkend. Ich fühle mich in guten Händen.

Nächster Schritt: Fotos machen (der Fotograf ist krank, deshalb nehmen wir mein Handy und schicken die Bilder dann an die Assistenzärztin, Formulare unterschreiben, Unterlagen einscannen lassen, Scheine ausdrucken… Dafür muss ich erstmal wieder die richtige Anmeldung finden – es ist eine andere als die vorhin, das dauert. Dann Labor mit Blutabnahme – die Vene versteckt sich, das dauert etwas länger und Urinprobe. Zum Glück, so langsam drückt die Blase. Dann darf/soll ich selbst tätig werden, einen Teststreifen benutzen und ein Teströhrchen befüllen – ersteres kein Problem, an letzterem scheitere ich – ist ja aber auch nicht meine Aufgabe. Die Laborschwester übernimmt und ich darf wieder in den Wartebereich.

Dann der letzte Akt des Tages, es werden Proben aus mir herausgestanzt, zwei an der Zahl. Vorher Betäubungsspritzen, hinterher zunähen. Das dauert auch nochmal eine ganze Weile und ist wenig angenehm. Dann aber bin ich ganz plötzlich fertig, nach insgesamt fast drei Stunden Prozedere und laufe wieder hinaus in den Sonnenschein. Jetzt bin ich kaputt, verschiebe die eigentlich geplanten Erledigungen auf später und fahre wieder nach Hause, um meinen geschundenen Körper zu schonen und die nächste Schmerztablette einzuwerfen.

Zuhause kurzes Abklatschen mit dem Mitbewohner – dass ich nächste Woche in der Tagesklinik bin, bedeutet auch, dass mein Handy nicht als Hotspot zur Verfügung stehen wird und er sich tagsüber eine andere Internetquelle organisieren muss. Grummel. Es wird eine Lösung geben, aber das ist schon alles sehr doof. Ich mache mir zum Mittag Brote mit veganer Salami und Tomaten, überbacke sie mit Käse (nicht vegan) und dekoriere mit Basilikum, danach erstmal Mittagsschlaf.

Der Rest des Tages vergeht dann mit einer Mischung aus Videos im Internet (Kamala Harris, Katia Mann, Priscilla Presley – manchmal ist es komisch), Telefonaten (der Liebste, die beste Freundin, die Ellis, der Bruder) und Lesen. Zwischendurch kommen noch meine Cousine und ihr Freund vorbei und bringen meine Campingsachen. Wir stehen kurz unten auf der Straße und quatschen, genau als der DHL-Mann kommt und mir mein Crowdfarming-Paket in die Hand drückt. So lange ist er noch gar nicht hier eingeteilt, aber er erkennt mich direkt, schön.

Eine Pflaume und ein Pfirsich haben beim Transport gelitten, die werden gleich beschnitten und verspeist – sehr lecker. Später benutze ich zwei Birnen fürs Abendbrot. Es gibt Pappardelle al castello, mit Salbeibutter, Birnen, Rosinen und Walnüssen – und Knoblauch, das muss schon sein, sonst fühlt es sich zu sehr nach Süßspeise an.