25.01.2024 – Viel zu voll

Also, weder ich noch mein Magen (der schon mal gar nicht), sondern eher der Tag, mein Kopf und unterbewusst wohl auch meine Nase. Nachdem ich gestern erst spät zur Ruhe kam und einschlafen konnte, wache ich nach guten vier Stunden gegen 5 Uhr auf, dummerweise ziemlich hellwach direkt, so dass es eher unwahrscheinlich ist, wieder einzuschlafen. Ich versuche es trotzdem eine Weile, mit Hörbuch, Kreuzworträtsel, Lesen… Nichts hilft, der Kopf ist an und beschäftigt sich mit allem, was heute ansteht. Gegen 6 gebe ich endgültig auf und fange an, das Internet leer zu lesen, zu bloggen und Italienisch zu üben.

Da der Handwerker ja gestern nicht kam (und ich den zweiten Tag in Folge das Haus nicht verlassen habe, diesmal ohne Absicht), ist eine meiner Sorgen, dass er stattdessen heute irgendwann auftaucht. Das geht aber nicht, weil ich heute von 10-19 Uhr Meetings habe, in denen ich nicht nur präsent sein muss, sondern teilweise auch federführend bin. Als es endlich 7 ist, rufe ich deswegen bei der Hausverwaltung an und bitte darum, den Auftrag für „sofort“ zurückzuziehen und stattdessen einen Termin auszumachen. Ich werde zur Terminvergabe weitergeleitet, dort sagt man mir, der Auftrag liege bei einem Drittunternehmen und man würde denen Bescheid sagen, dass sie sich wegen eines Termins bei mir melden. Na hoffentlich rufen die nicht zwischen 10 und 19 Uhr an, denke ich mir. (Spoiler: Tun sie nicht, den ganzen Tag nicht. Irgendwann abends springt die Heizungssteuerung zumindest wieder an, bedienen lässt sie sich trotzdem nicht und als ich gegen 22 Uhr ins Bett gehe ist der Heizkörper in meinem Zimmer heiß – das soll er eigentlich nur morgens zwischen 7 und 9 sein und dann auch nur solange, bis 18 Grad erreicht sind.)

Anyway, keine Zeit, mir weiter darüber Gedanken zu machen aktuell. Kurz vor 8 telefoniere ich mit dem Liebsten und dann wird mir klar, dass ich theoretisch noch bis 10 Uhr Zeit habe, um ins Draußen zu gehen, Bewegung zu haben und Dinge zu erledigen. Also stehe ich dann gegen 8 schnell auf und mache mich ausgehfertig. Ich mache einen Brief fertig (die Zugangskarte zum alten Büro muss eingeschickt werden) und bereite einen zweiten vor (die Beglaubigung meines Personalausweises, damit die eine Versicherung, der ich gekündigt habe, mir mein Guthaben auszahlt) und laufe los zur Post. Das Draußen hat sich nicht sehr geändert in den zwei Tagen, es ist nur deutlich wärmer geworden und ich brauche weder Mütze und Handschuhe noch einen Schal. Der Weg zur Post fühlt sich heute deutlich länger an, entweder meine Beine sind mal wieder etwas eingerostet oder es ist die allgemeine Erschöpfung und akute Müdigkeit (und die Uhr, die in meinem Kopf tickt).

Als ich ankomme, ist die Post noch zu – diese Filiale macht erst um 9 auf. Das sind aber nur noch 20 Minuten also gehe ich solange zum Drogeriemarkt, wo ich auch noch etwas holen will. Auch der macht erst um 9 auf. Kann ich gut verstehen, ich mache ja sonst auch erst um 9 auf. Zum Glück ist die Konkurrenz fleißiger (oder ausbeuterischer) und ich kann schnell die beiden Sachen kaufen, die auf meiner Liste stehen. Dann habe ich noch etwa 10 Minuten bis 9 und denke ernsthaft über Kaffee und was Süßes nach, denke mir dann aber „Wir haben Kaffee und was Süßes zuhause“ und außerdem ist es etwas unromantisch, in einem leeren Einkaufszentrum herumzusitzen und Kaffee zu trinken. Also gehe ich wieder zur Post und stelle mich auf Platz 2 der Warteschlange und das ist dann auch sehr gut so, bis sie aufmacht gibt es Platz 6. Während ich warte, schreibe ich mit der Freundin, die gerade ein Kind bekommen hat, das gerade frisch gestillt eingeschlafen ist. Sie erzählt mir von einer Buchidee, die sie vielleicht während ihrer Elternzeit umsetzen will. Das Kind ist sechs Tage alt – wir sprechen uns in ein paar Monaten nochmal. 😉

Ich bekomme Briefmarken für beide Briefe und eine Kopie meines Pesonalausweises, aber beglaubigen dürfe man den leider nicht. Später am Abend werde ich nochmal recherchieren und meine beste Chance (neben Polizei, Konsulaten oder dem Bürgeramt – haha, nope! Keine Termine in ganz Berlin) sind Ärzte. Beim Notar kostet es Geld und mein Rechtsanwalt sitzt in Nürnberg. Also werde ich wohl am Montag morgen mal in meiner Hausarztpraxis vorbeischauen und um eine Beglaubigung bitten. Mit Maske und Wartezeit. Vielleicht kann ich bei der Gelegenheit auch meine Karte einlesen lassen und bin dann für den Rest des Quartals safe was eventuelle Krankschreibungen angeht, kann nur gut sein.

Das ist jedoch alles Zukunftsmusik, im Hier und Jetzt laufe ich den langen Weg zurück nach Hause, hole Post aus dem Briefkasten (einmal Werbung, einmal Rechnung, einmal für den Ex-Mitbewohner, die wird direkt abfotografiert und verschickt). Dann mache ich den Katzen Frühstück und mir auch. Es gibt Chai, Spekulatius und einen Apfel. Außerdem eine Kanne Ingwer-Kurkuma-„Tee“ mit Honig und eine Mate. Mit all dem geht es an den Schreibtisch.

Kurz E-Mails bearbeiten und dann habe ich um 10 das erste Meeting, mit Prag, um einen Sachverhalt zu klären, der uns schriftlich nicht gelungen war. Wir kommen auf einen halbwegs klaren Fahrplan und ich beginne direkt mit der Umsetzung. Und arbeite noch etwas an dem Projekt für die Kollegin in Südengland weiter, bis es Zeit ist, um 11 das erste große Meeting des Tages – mit ganz Deutschland – zu starten. Hier habe ich eine Sprechrolle, moderiere, „fahre“ die Präsentation und achte nebenbei darauf, dass sich alle Präsentierenden an den Plan halten.

Das läuft alles sehr gut, immer schön, wenn man am Ende noch tolle Neuigkeiten zu verkünden hat. Ende Februar wird es zum ersten Mal seit Januar 2020 wieder eine Party für alle Kolleg*innen in Deutschland geben. Bis jetzt waren alle größeren Zusammenkünfte immer auf die Berliner*innen beschränkt gewesen. Hoffen wir, dass möglichst viele kommen können und uns die Grippewelle, Covid und Co. keinen Strich durch die Rechnung machen. Nach einer Stunde sind wir fertig, dann spreche ich noch eine Weile mit einem Kollegen in Lichtenberg Dinge ab und habe dann Zeit, mal aufs Klo zu gehen (wurde langsam dringend) und mein Frühstück aufzuessen.

Um halb 1 habe ich mein wöchentliches Meeting mit meiner Chefin und nachdem wir mit aktuellen Projekten durch sind, sprechen wir über die Arbeitsbelastung, unsere jeweilige Work-Life-Balance und mögliche Verbesserungen in unserer Arbeitsorganisation als Team. Das tut sehr gut! Wir überziehen ein wenig, deshalb habe ich dann nur noch 20 Minuten von meiner ohnehin schon auf eine halbe Stunde verkürzten Mittagspause. Ich kann aber eh noch nicht wieder essen, also geselle ich mich nur kurz zum Mitbewohner in die Küche und quatsche mit ihm.

Um 13:30 dann das nächste Meeting – mit Ostfriesland und Paris, 45 Minuten, und direkt im Anschluss mit Ostfriesland und Nürnberg. Hier muss ich dann nach einer halben Stunde früher raus, denn das nächste große Meeting steht an, inklusive Prep Call für das technische Set-up. Zwei externe Damen halten für unsere Firma einen Workshop zur Menopause: Allgemeine Aufklärung für Betroffene und Nichtbetroffene und dann geht es darum, was das für die Arbeit bedeutet und wie betroffene Arbeitnehmer*innen, Vorgesetzte und Personaler*innen mit der Situation umgehen können. Ein spannender Workshop, auch wenn ich mehr mit der Technik dahinter zu tun habe, aber immerhin habe ich die Folien schon vorher gelesen, für die Leute hier ins Deutsche übersetzt und mir eine mentale Notiz gemacht, demnächst mit meiner Gynäkologin darüber zu sprechen.

Nach dem einstündigen Workshop reden wir noch eine halbe Stunde weiter mit den beiden Expertinnen, dann Meeting mit – eigentlich – London, Chicago, Madrid und Valencia, aber heute bleiben die Kollegin aus Madrid und ich alleine und starten mit der Planung für den Internationalen Frauentag und den gesamten Women‘s History Month. Das dauert bis 17 Uhr. Dann habe ich eine Stunde Luft, arbeite die über den Tag eingetrudelten E-Mails ab, kläre Dinge ab, telefoniere kurz mit dem Liebsten und suche mir schonmal mein Abendbrot aus (aka mache die Bestellung soweit fertig, dass ich nachher nur noch auf den Knopf drücken muss, um sie auszulösen).

Um 18 Uhr dann ein Community Call mit anderen Menschen, die sich mit Diversity, Equity und Inclusion in Unternehmen befassen, moderiert von Jennifer Browne, die heute Jackye Clayton interviewt. Es geht vor allem um inklusives Recruiting, nicht ganz mein Bereich, aber ich kann mir einige Anregungen mitnehmen – immerhin arbeiten wir mit der Abteilung eng zusammen. Zur Mitte des Calls drücke ich auf Bestellen, pünktlich zum Ende klingelt es an der Tür. Ich klopfe mir selbst auf die Schulter und bringe die Bestellung zur Couch. Jetzt erstmal ganz in Ruhe essen. Es gibt nepalesische Bohnensuppe, Mango-Curry mit Lamm und Reis, Knoblauch-Naan und Mango-Lassi. Ganz langsam fährt mein Kopf ein bisschen runter und körperliches Wohlbefinden setzt ein – Löffel für Löffel.

Dann sehe ich die Bilder aus Rostock, je nach Quelle 6000 oder 9500 Leute auf der Demo gegen Rechts, juhu! Ich schreibe mit der Kollegin und Freundin in Frankreich, die noch nicht genau sagen kann, ob und wann sie nach Valencia kommen kann, und buche dann einfach schonmal eine Unterkunft, die ggf. Platz für uns beide hat. In dem Viertel, das mir ein Kollege empfohlen hat. 10 Minuten zu Fuß zum Strand, 20 Minuten zu Fuß zum Büro. Das wird gut. Dann telefoniere ich nochmal ausführlicher mit dem Liebsten und dümpele danach noch ein wenig auf der Couch herum, weil halb 9 irgendwie zu früh ist, um ins Bett zu gehen. Um 10 mache ich mich aber auf den Weg. Unterwegs lese ich noch, dass Jan Wigger gestorben ist – ein Freund von mir war mit ihm befreundet und trauert auf Facebook darüber. Gemeinsam haben sie vor 27 Jahren eine Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, die mein Freund heute noch betreibt. Ich sende eine virtuelle Umarmung.

Im Bett bin ich dann plötzlich wieder viel zu aufgekratzt und es dauert bis fast Mitternacht, bis ich endlich, endlich, einschlafe.

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