21.12.2023 – Alles auf einmal

Kurze und zerstückelte Nacht. Ich wache einmal gegen halb 3 auf und gehe aufs Klo. Dann kurz nach 5 weil die Katzen rauswollen und dann ist die Nacht auch schon vorbei und der Kopf springt an, komisch kränklich fühle ich mich auch. Ich teste mich (negativ) und dümpele dann so vor mich hin. Mit Bloggen und allem bin ich schon fertig, bevor normalerweise der Wecker klingelt. Als das Teilzeitkind aus dem Haus ist, ruft der Liebste an und wir besprechen die Lage. Dann mache ich mir und den Katzen Frühstück und hole mir den Laptop – Bett-Office wegen Isolation.

Auf der Arbeit ist es, als wäre gestern Abend irgendwann ein Schalter umgelegt worden – nach wochenlangem Dauerfeuer ist es plötzlich erstaunlich ruhig. Viele sind krank oder schon im Weihnachtsurlaub oder in den letzten Zügen davor, wer noch da ist, arbeitet nur noch letzte Dinge ab und versucht, sich möglichst leise rauszuschleichen. Um 10 habe ich nochmal ein Meeting mit der Runde der letzten Tage (Dublin, Salerno, Paris, Valencia, Madrid – Brüssel hat das Kind krank) zum Debrief. Wir diskutieren und einigen uns auf nächste Schritte, die ich danach schriftlich festhalte und mit den anderen teile. Rausschicken werden wir das Ganze erst im Januar, sonst geht es unter. Die drei anderen für heute geplanten Meetings (Paris, Ostfriesland und Chicago) werden nacheinander jeweils vom Gegenpart abgesagt, worüber ich nicht böse bin. Ich fühle mich zunehmend kränklicher. Noch nicht arbeitsunfähig im Homeoffice, aber zu früheren Zeiten wäre jetzt der Moment gewesen, die Reißleine zu ziehen und das Büro zu verlassen.

Jetzt verlasse ich erstmal das Bett-Office, denn ich habe noch Dinge zu erledigen. Ich muss vor Weihnachten noch ein Rezept abholen und in die Apotheke, außerdem Einkäufe für den quarantänisierten Mitbewohner erledigen und dann auch für mich selbst einkaufen, weil ich jetzt ja doch mindestens vier Tage hier sein werde statt woanders. Und an denen will ich es mir auch noch so gut wie möglich gehen lassen, vorausgesetzt ich verliere nicht den Geschmackssinn, aber selbst dann. Durch Regen und Sturm laufe ich zur S-Bahn, fahre nach Moabit, laufe zur Arztpraxis. Schon auf dem Hinweg merke ich, wie mein Körper mir die typischen Signale aufkommender Krankheit sendet. Halskratzen, Kopf- und Ohrenschmerzen, Schwächegefühl, Frösteln, Bauchschmerzen… Es hilft nix, ich muss da jetzt noch durch.

In der Arztpraxis muss ich warten, weil bei der Patientin vor mir das Karteneinlesegerät streikt und dann erst neugebootet werden muss. Nach 2-3 Minuten Stehen setze ich mich zum Warten hin. Außer mir trägt nur eine andere Person im Wartezimmer Maske, vom Personal niemand. OK, es ist eine Facharztpraxis, keine Hausarztpraxis und ich weiß, dass hier ein strenges Impf- und Testregime im Team herrscht (inkl. regelmäßiger Antikörpertests), aber trotzdem – bei der Krankheitswelle da draußen…?

Mit dem Rezept geht es unten im Haus in die Apotheke, wo ich außerdem noch Paracetamol für den Mitbewohner hole. Dann zurück zur S-Bahn und in den Prenzlauer Berg. Dort hole ich mir im Supermarkt zum ersten Mal seit langer Zeit einen Wagen. Die Einkaufsliste vom Mitbewohner ist nicht kurz – er plant scheinbar, trotz Erkrankung ordentlich zu kochen die nächsten Tage. Meine Prämisse für den Einkauf lautet eher, dass ich damit rechne, krank in meinem Zimmer zu liegen und möglichst nur kurz in der Küche sein will. Also kaufe ich lauter Dinge für schnelles Essen – Brot mit was drauf, Obst, Milch fürs Müsli… Weihnachtliches in Fertigform (Kartoffelsalat, Würstchen, Rotkraut, Klöße), ein paar Luxusgüter (Chips, Eis, Weihnachtsschokolade, Ofenkäse) und einen Salat von der Salatbar für mein heutiges Mittagessen.

Schwer bepackt geht es dann zurück nach Hause. Drei Stunden war ich unterwegs. Oben angekommen bin ich platt, verräume noch schnell die Einkäufe und gehe dann mit dem Salat zurück ins Bett-Office. Endlich Maske ab. Ich habe heute noch eine Kommunikation zu versenden und stupse nochmal die Kollegin in London an, von der ich dafür noch Zuarbeit benötige. Außerdem muss ich die Bitte um ein spontanes Meeting morgen ausschlagen, da wortwörtlich alle, die daran von unserer Seite teilnehmen könnten (selbst die Vertretung der Vertretung) krank sind.

Als ich mit Essen fertig bin, klingelt es. Die Lieferung mit 6x 18 kg Katzenstreu, die ich Anfang der Woche erwartet hätte und die dann für morgen angesagt war, ist jetzt da und der DHL-Mann bittet mich, runterzukommen und beim Tragen zu helfen. Tolles Timing, der Mitbewohner ist krank und in Quarantäne, der Lieblingsnachbar, der helfen könnte, ist im Büro. Also gehe ich mit Maske runter, beschließe, dass das ganze Katzenstreu in den Keller kommt, quittiere den Empfang und habe dann sechs große, schwere Pakete im Treppenhaus stehen und den Weg versperren. Ich trage eins nach dem anderen in den Keller. Mit zwischendurch absetzen und zum das letzte wird dann nur noch „gekipprollt“.

Bis ich wieder oben bin ist locker eine halbe Stunde vergangen. Ich liege wieder im Bett und atme schwer. Aber gut, dass das jetzt erledigt ist, bevor ich richtig krank bin. Die Kollegin aus London meldet sich und ich kann meine E-Mail abschicken. Dann noch ein bisschen Chatterei mit dem Team – inkl. der beiden, die eigentlich Urlaub haben aber scheinbar nicht loslassen können. Kurz nach 17 Uhr ist der Liebste da, um die Weihnachtsgeschenke abzuholen. Wir stehen mit Abstand und Masken im Treppenhaus, er bekommt einen Koffer und einen Beutel voller Geschenke für seine Familie, ich bekomme eine Dose Mangosaft und eine neue Teetasse, die er unterwegs besorgt hat, um mich aufzumuntern. Nach fünf Minuten fährt er wieder nach Südberlin.

Ich melde mich von der Arbeit ab, gucke dann ein wenig im Internet umher und schaue mir die Aufzeichnung eines Webinars aus dem Adulting-Projekt an, das ich am Sonnabend verpasst hatte. Danach kurzer Social-Media-Check, der mich auf die Idee bringt, mir Beef Noodles zu bestellen (Auf die vielen heute gekauften Sachen habe ich keine Lust…) Ich nutze die Gelegenheit, endlich mal bei Wen Cheng zu essen. Immer wenn ich da vorbeigehe, ist da eine lange Schlange, geliefert wird das Essen in weniger als 30 Minuten.

Als mein Bruder fragt, wie es mir inzwischen geht, beschließe ich, den nächsten Schnelltest zu machen. Genau als ich einen sehr leichten zweiten Strich ausmachen kann, ist das Essen da. Ich fotografiere erstmal den Strich, sage dem Liebsten, der Familie, dem Lieblingsnachbarn, dem Mitbewohner und Mastodon Bescheid, und dann esse ich und telefoniere dabei mit dem Liebsten, der wieder zuhause ist, noch einkaufen war und jetzt einen Dönerteller verspeist. Immerhin essen wir zusammen Abendbrot.

Das Essen ist sehr lecker, aber auch sehr scharf, obwohl ich nur den mittleren Schärfegrad auf einer Fünferskala gewählt habe. Ich schaffe nicht alles. Wenig später mache ich noch zwei Tests zur Kontrolle, die beide negativ bleiben. Ich schiebe das auf das Essen und die noch geringe Viruslast und beschließe, es morgen früh nochmal zu probieren. Unterdessen mehren sich die Sorgen, ob der Liebste und das Teilzeitkind morgen mit dem Zug fahren können, oder der Sturm einen Strich durch die Rechnung machen wird. Alternativen von Mietwagen bis Absagen werden diskutiert, die Stimmung ist allseits trübe.

Heute jedoch kann man nichts mehr tun als abwarten. Ich schaue das neue Trevor-Noah-Special auf Netflix, das weniger witzig ist, als er im Juni live war, und danach (weil es zu spät für einen Film ist) noch diverse Folgen „Feel Good“, bevor ich Zähne putzen gehe. Dann lese ich noch, bis mir die Augen zufallen und ich gegen 1 einschlafe.