Jetzt geht es also wirklich los, ab heute versuche ich, noch aktiver als bisher, diverse Lebensmittel zu vermeiden, um mal zu gucken, wie es meinem Körper ohne Histamin geht und falls es ihm dadurch deutlich besser geht, versuche ich danach vorsichtig auszuprobieren, was in welchen Mengen geht. Alles immer mit Versuch, denn Histamine sind ein komplexes Ding und nicht vollständig berechenbar, wenn man sich ausgewogen und abwechslungsreich ernähren will – was ich will.
In den letzten Tagen habe ich ja schon Ernährungstagebuch geführt und mich von einer App beschimpfen lassen, wenn ich zu viele „falsche“ Sachen gegessen habe – also solche mit viel Histamin, mit viel anderen -aminen oder solche, die potenziell Histaminliberatoren sind. Jedes Lebensmittel, jede Mahlzeit und jeder Tag wird mit grün, gelb, orange oder rot bewertet. Und das sind in dieser App keine Durchschnittswerte – ein gelbes Lebensmittel und Zack ist der ganze Tag gelb. Ich habe aber für diese Karenzzeit auch die höchste Sensibilitätsstufe eingestellt, wenn man weiter im Prozess ist, kann man das auch lockern.
Jedenfalls wird mein Tag heute schon mit dem Frühstück gelb – ich muss Cupcakes vernichten und da sind Pistazien drin und Nüsse sind in der App generell gelb wegen möglichen Kreuzallergien, auch wenn Pistazien kein Histamin enthalten. Das zweite Gelb des Tages kommt von der Feierabendlimo – aber da geht es um Zucker, der der Darmflora schadete nicht um Histamin, und die App hält halt Limonade generell für sehr zuckerhaltig, auch wenn das für meine Pflaume-Kardamom-Limo gar nicht so zutrifft. Ansonsten esse ich heute nur grüne Sachen – auch wenn ich der App nicht so ganz über den Weg traue, aber an irgendetwas muss man sich ja entlanghangeln.
Statt Tee, Kaffee oder Mate (Koffein ist als Histaminhemmer auch tabu) mache ich mir etwas ganz Wildes als Frühstücksgetränk. Es gibt Rooibos-Espresso, den mir meine Eltern mal aus Südafrika mitgebracht haben, aus der Moka, gesüßt mit Ahornsirup und dann mit Mineralwasser aufgegossen. Das schmeckt so merkwürdig, dass es auch eine Mate oder abseitige Limonade sein könnte und befriedigt so ganz gut das Verlangen nach einem ritualisierten Frühgetränk. Dazu wie gesagt zwei Cupcakes und noch ein paar Aprikosen.

Es gibt wieder Balkonoffice, zum Glück ist es nur noch normal warm (26 Grad oder so). Ich verbringe den Vormittag mit weiteren Recherchen und Abarbeiten von Kleinkram. Dann bringe ich den Grill zurück in den Keller, schwinge mich aufs Rad und fahre zu meiner Zahnärztin. Direkt habe ich wieder mit den Freuden des Radfahrens in der Großstadt zu tun – ein Auto zieht schräg vor mir über den Radweg hinüber, um abzubiegen, statt mir meine Vorfahrt zu gewähren. Ich war allerdings noch weit genug weg, so dass realistisch wohl nichts hätte passieren können, im Recht war ich trotzdem.
Auf dem Zahnarztstuhl läuft es wider Erwarten total gut – die Ärztin hat nichts zu beanstanden bis auf ein wenig Zahnstein, aber da ich ja eh zur Zahnreinigung gekommen bin, passt das. Kein Bohren, kein Röntgen, keine Nachfolgetermine… ein Traum. Auch bei der Zahnreinigung wenig Beschwerden. Ich muss noch ein wenig an meiner Technik arbeiten und die Zahnseide soll ich täglich benutzen, nicht nur alle zwei Tage, ansonsten ist man zufrieden mit mir. Ich dann auch. Ich fahre beschwingt zurück nach Hause, schließe mein Fahrrad an, schaue, ob ich arbeitstechnisch etwas Dringendes verpasst habe (Nein, ein Meeting um 14 Uhr ist inzwischen abgesagt) und mache mir dann zum Mittagessen den letzten gegrillten Maiskolben warm. Dazu gibt es Kräuterbutter, die letzte Focaccia und frische Gurke. Mittagspause mit dem Mitbewohner auf dem Balkon, wir besprechen die Katzensitting-Situation während meines bald anstehenden Urlaubs.

Zurück am Laptop bestelle ich schnell noch Katzenstreu und -futter nach, damit es da während meiner Abwesenheit keine Engpässe gibt. Dann weiter arbeiten. Um 15 Uhr habe ich ein Meeting mit Madrid und beschäftige mich danach direkt mit der Aufgabe, über die wir da gesprochen haben. Um 17 Uhr dann Team-Meeting mit denen, die nicht im Urlaub sind. Der Kollege aus Chicago ist an der Ostküste wandern, die Kollegin aus Paris ist mit einem Entwicklungshilfeprojekt in Malawi. Wir anderen besprechen, was diese Woche so ansteht, ich führe Protokoll und verteile hinterher Aufgaben im Projektmanagementtool.
Dann ist auch schon Feierabend. Ich telefoniere das zweite Mal heute mit dem Liebsten, danach gehe ich wieder nach draußen – Schrittziel vollmachen, in der Drogerie Besorgungen machen und nebenbei einen Podcast hören, in dem es um die frühen Jahre meiner Firma geht. Wieder zuhause geht es ans Kochen. Es gibt Pellkartoffeln mit Brokkoli, vegane Fertig-Hollandaise und Röstzwiebeln (die beiden letzten Dinge laut meiner App überraschend histaminfrei). Gegessen wird Internet lesend auf dem Balkon.

Während Kartoffeln und Brokkoli kochten, habe ich schon die Katzenklos durchgesiebt und bin dann jetzt mit meinen To Do‘s für heute durch. Mit dem Schrittziel allerdings noch nicht ganz, ich tanze also schnell noch drei Songs vorm Schlafzimmerspiegel durch, dann passt das auch. Jetzt bin ich hin- und hergerissen, ob ich lesen oder fernsehen soll und entscheide mich heldinnenhaft fürs Lesen. Dabei schlafe ich aber total schnell ein und bin erstmal eine halbe Stunde weg und danach nicht mehr wirklich zu etwas zu gebrauchen. Jedenfalls nicht zum mehr Lesen oder aufmerksam etwas Gucken. Also wische ich noch ein wenig durch TikTok und mache mich dann bettfertig. Licht aus ist halb 11.
