Nachdem wir gestern erst gegen 1 im Bett waren, bin ich ein wenig genervt davon, schon kurz nach 7 aufzuwachen. Ich schaffe es aber überraschenderweise, wieder einzuschlafen und als der Liebste aufsteht, um Kaffee und O-Saft zu holen ist es dann schon fast halb 10. Wir verbringen den Morgen gemütlich im Bett und stehen erst gegen 12 zum Frühstück auf. Während des Tischdeckens telefonieren wir mit den Liebsteneltern und dann noch kurz mit der Teilzeitkindmama und dann gibt es wieder Spiegelei, Baguette, Kräuterbutter und Aufstrich.
Wir räumen noch gemeinsam auf und gehen dann unseren unterschiedlichen Plänen für den Tag nach. Beim Liebsten steht Zocken und abends ESports gucken an, ich bin am Nachmittag mit einer Freundin und ihren Kindern zum Sonntagseis verabredet. Ich beschließe, die Zeit bis dahin für ein wenig Heimattourismus zu nutzen und spaziere entlang der Strecke, auf der ich während der Pandemie und vor meinen eigenen Covid-Infektionen einige Male mit dem Fahrrad zum Liebsten gefahren bin, Richtung Eisladen zu spazieren. Dabei lasse ich heute die Begleitmusik weg und mich ganz auf die Umgebung ein. Mit wachem, touristischen Blick laufe ich durch den Kiez des Liebsten und bleibe an jeder Gedenktafel stehen. Gründung der Wandervogel-Bewegung, Gründung der Freien Universität, Denkmal für Maueropfer…
Zum Glück ist Sonntag und die Einkaufsstraße ist einigermaßen leer. Spazierend ist sie viel weniger anstrengend, als wenn man halt durch muss und alles voller Shopper*innen ist. Und ich bin ja touristisch unterwegs und schaue mir das Ganze sozusagen als fremde, interessante Kulturlandschaft an. Der nächste erwähnenswerte Abschnitt ist dann eine sehr grüne, ruhige Straße in Friedenau mit vielen Bäumen, reich bepflanzten Vorgärten und villenartigen Gebäuden. In einem Paralleluniversum als Hausfrau und Mutter eines gut verdienenden Arztes oder Anwalts würde ich hier bestimmt gerne mit Kindern und Hund leben. Kurz dachte ich, so mit Mitte 50 könnte das auch in diesem Universum was für mich sein, aber das ist in 15 Jahren und wenn ich mir meine Entwicklung von vor 15 Jahren bis heute anschaue, ist es unrealistisch, dass ich in 15 Jahren so anders bin. Und bezahlbarer wird es bis dahin sicher auch nicht.
Dann geht es unter der A100 hindurch und nach Schöneberg hinein. Im Volkspark Wilmersdorf (sollte der nicht in Wilmersdorf sein?) suche ich vergeblich nach einer Trinkwassersäule, um meine Wasserflasche aufzufüllen. Aber dafür gibt es dann einen Teich und eine Wiese und ich lasse mich nieder und ruhe mich aus.

Bis zum Eisladen sind es nur noch 15 Minuten und ich habe noch anderthalb Stunden aus. Also mache ich es mir hier auf der Wiese bequem und fange mein nächstes Buch an – Fabrizia Lanzas neues Werk „L‘ultimo dei Monsù“. Es ist auf Italienisch, ich verstehe also nur in groben Zügen und bleibe immer wieder an unbekannten Worten und grammatikalischen Konstruktionen hängen. Oder an den Gedanken dahinter, Reiseerinnerungen, an Fabrizias Familienstammbaum und an neuen Reisegedanken. Als ich schließlich aufbreche, habe ich laut Kindle 10 % des Buches geschafft. Immerhin.
Ich laufe am Rathaus Schöneberg vorbei und dann durch einen weiteren Park zur Wohnung meiner Freundin. Sie und die Kinder (5 und 8) sind bereits unten, also können wir direkt weiter zum Eisladen und nebenbei erzählen – wir haben uns schon wieder ein gutes Jahr nicht live gesehen (die Kinder sogar mehr als drei Jahre), aber das macht für das Gespräch so gar nichts aus. Mit dem Eis (für mich gibt es Erdnuss mit Brownie und Orangenquark mit Schokostückchen und Rum-Cranberries) geht es wieder in den Park, auf einen Spielplatz. Die Kids toben herum und wir unterhalten uns, immer wieder von Kinderwünschen oder -tränen unterbrochen aber trotzdem alles soweit unterkriegend. Nach insgesamt anderthalb Stunden ist es Zeit für den Aufbruch.

Ich begleite die drei noch nach Hause und gehe dann zur S-Bahn und fahre zurück in den Prenzlauer Berg. Schnell noch mit dem Liebsten telefonieren, bevor das ESports-Turnier losgeht, dann beim Lieblingsnachbar Blumen gießen. Dann kümmere ich mich um die eigene Wohnung. Eskalierendes Katzenstreu eindämmen, einen Haarballenkotzefleck beseitigen, Katzen füttern, Wassernäpfe auffüllen, Pflanzen gießen… Dann nehme ich mir eine Limo (Pflaume-Kardamom) und ruhe mich auf dem Balkon aus.
Ich höre einen Podcast, in dem eine Bekannte zum kurzen Leben und Tod ihres dritten Kindes interviewt wird und nutze diese Ablenkung (das Adrenalin?), um schnell noch nebenbei die beiden Katzenklos durchzusieben und mir Abendbrot zu machen. Es gibt Brioche mit Hummus bzw. Paprika-Aufstrich und zwei Sorten Käse und dazu die Reste von eingelegten Artischocken, getrockneten Tomaten und Oliven und außerdem drei Radieschen. Damit lege ich mich aufs Bett und suche mir bei Netflix einen dänischen Film aus – „A beautiful life“. Das erinnert mich wieder daran, dass über 90 % Übereinstimmung auf Netflix nicht zwingend für einen guten Film spricht, sondern eben dafür, dass ich gerne Filme gucke in denen es um Musik geht und auch gerne Content aus Skandinavien sehe. Der Film ist mehr so mittel, aber die Protagonist*innen sind hübsch und es gibt natürlich ein Happy End.
Dann ist es halb 11 und ich gehe Zähneputzen, den Katzen noch einen Snack hinstellen und dann wieder ins Bett. Licht aus!