Nun also 40, auch OK. Ich erwache für diese Woche typisch gegen 6:20 Uhr im Bett des Liebsten und lese still und leise im Internet herum, bis um 7 Uhr sein Wecker klingelt und er uns Kaffee und Orangensaft ans Bett bringt. Bis halb 8 bleiben wir noch gemütlich im Bett liegen, dann heißt es aufstehen. Ich gehe ins Bad und er macht Frühstück – in der Wochenendedition mit gebratenen Eiern, diversen Aufstrichen und extra Obst für mich – das gibt es in seinem Haushalt nur wenn das Teilzeitkind oder ich da sind und das Kind ist ja gerade auf Klassenfahrt.

Nach dem Frühstück mache ich mich mit S- und U-Bahn auf dem Weg ins Büro. Die Fahrtzeit nutze ich zum Bloggen und Musik hören (Schön der Moment, als „Für immer Punk“ von den Goldenen Zitronen läuft und ich, gerade 40 geworden, in der S-Bahn auf der Ablagefläche sitze auf der ein Aufkleber klebt, dass man darauf nichts ablegen darf. Am Potsdamer Platz steige ich um und habe kurz echtes Metropolenfeeling, dann geht es mit der U-Bahn weiter ins Nikolaiviertel mit Kleinstadtflair. Um 9 laufe ich pünktlich zum Glockengebimmel an der Parochialkirche vorbei und dann geht es an den graffitiverzierten S-Bahn-Bögen vorbei ins Büro. Dort stelle ich als erstes die 36 Erdbeer-Holunderblüten-Muffins auf den Tisch, poste das Foto im Büro-Chat und nehme mir zwei plus einen Cappuccino fürs zweite Frühstück mit an den Schreibtisch. Heute ist ja Mittwoch und damit Büro-Tag für die Mehrzahl der Berliner Kolleg*innen, deshalb gibt es viele Live-Gratulationen und Umarmungen und sogar ein Schokoladengeschenk von einer lieben Kollegin für mich.

Wie immer an Bürotagen komme ich weniger zum „echten Arbeiten“ als sonst – viele Gespräche mit Leuten vor Ort und heute eben auch noch diverse Nachrichten und sogar einige Anrufe (ein Kollege, der Geschäftsführer und die Freundin meines Bruders) zum Geburtstag. Aber ein bisschen was schaffe ich doch. Ich schreibe das transkribierte Interview in Schön auf, arbeite mit einem Legal-Kollegen in London an einer Freigabevereinbarung, übersetze diese dann ins Deutsche und lasse den Geschäftsführer digital unterschreiben, redigiere einen Text der Kollegin in Georgia, kümmere mich um organisatorische Dinge und führe ein kleines Krisengespräch. Zwischendurch hole ich mit zwei Kolleg*innen noch auf Firmenkosten Wassermelone und Cantaloupe-Melone für alle und bringe mir ein Onigiri mit veganem Thunfisch zum Mittagessen mit.

Die Mittagspause verbringen wir in größerer Runde in der Büroküche und reden über alles mögliche – von verschollenen U-Booten und der Flüchtlingspolitik der EU über Bestattungsformen bis hin zu der Frage, wie Konzertbesuche bei Feine Sahne Fischfilet bzw. Rammstein im Vergleich ethisch zu bewerten sind. Am späten Nachmittag habe ich dann noch ein Meeting mit meinem Team (Paris, Chicago, Georgia und Südengland, also alle bis auf die Chefin, die wegen Covid gerade etwas außen vor bleibt und nur das Nötigste macht) und die anderen überraschen mich mit Happy-Birthday-Hintergründen und -Gesängen. Das ist schon eine sehr großartige Bande, mit der ich da zusammenarbeite! Nach dem Call packe ich meine Sachen zusammen (es sind nur noch 3,5 Muffins übrig) und laufe dann eine Dreiviertelstunde durch schönstes Sommerwetter durch Mitte und Friedrichshain. Dabei komme ich an mehreren Live-Musiken der Fête de la Musique vorbei und telefoniere auch einmal für ein paar Minuten mit dem Lieblingsnachbar, der immer noch im Krankenhaus liegt und wohl auch mindestens bis zum Wochenende dort bleiben muss.
10 Minuten vor der Reservierung komme ich am Restaurant für den Abend an. Das sollte eigentlich schon seit zwei Stunden geöffnet haben und die Tür ist zwar offen, aber die Tische drinnen sind noch nicht eingedeckt und die draußen noch nicht einmal aufgebaut. Zwei aufgewühlt guckende junge Frauen bitten mich, doch in 10-15 Minuten wieder zu kommen, es dauere noch etwas. Ich stelle mich also auf die gegenüberliegende Straßenseite, neben eine Bar vor der gerade ein Musiker „America“ von Simon & Garfunkel spielt und dann in ähnlicher Manier den ganzen Abend über weitermachen wird. Nach zehn Minuten kommt eine der beiden jungen Frauen und bittet mich, doch hereinzukommen. Sie entschuldigt sich vielmals und fragt, ob ich Italienisch spreche. Ich kann zum Glück bejahen und dann erklärt sie mir, dass noch die Person fehlt, die den Schlüssel für die Kette hat, mit der die Draußenmöbel festgekettet sind. Die kommt aber hoffentlich bald und ob ich so lange etwas trinken möchte?
Bei dem Wetter nehme ich erstmal ein Wasser und dann kommen kurz hintereinander mein Bruder, meine beste Freundin und der Liebste an. Wir bekommen alle Getränke aufs Haus und setzen uns erst einmal mit Stühlen vors Lokal und ich fange an, Geschenke auszupacken. Da kommt dann auch endlich die Frau mit dem Schlüssel, entschuldigt sich ebenfalls und baut uns dann einen Tisch auf – gerade rechtzeitig, bevor meine Eltern eintrudeln. Sie erzählt uns (auf Englisch), dass sie heute aus dem Italienurlaub zurückgekommen ist und drei Stunden am Mailänder Flughafen festsaß wegen des NATO-Manövers im deutschen Luftraum. Zur Wiedergutmachung gibt es Prosecco für alle und einen Gruß aus der Küche (Brot mit Olivenöl, Tomaten und zwei verschiedenen hausgemachten Pasten), den ich leider vergesse zu fotografieren, weil ich nebenbei die Geschenke von meinen Eltern auspacke. Dann beschäftigen wir uns eingehend mit der Karte und bestellen schon einmal die Antipasti:




Während wir die Vorspeisen genießen, beschäftigen wir uns mit der restlichen Speisekarte und ich suche einen Wein aus.




Nach der Pasta gibt es wieder eine Runde Getränke aufs Haus – Limoncello für die Kernfamilie, Espresso für die beste Freundin und Montenegro für den Liebsten (der Grappa ist aus). Dann bestellen wir zwei Basilikum-Panna-Cotta mit einer Sauce aus Orangensaft und -zesten und weil das Tiramisu, das der Liebste möchte, auch aus ist, gibt es eine dritte Panna Cotta aufs Haus dazu. Sooooo unglaublich gut!

Dann ist das Essen beendet und meine Eltern machen sich auf den Heimweg. Wir anderen bestellen noch eine Runde Getränke – Birra Moretti für den Liebsten und mich, Aperol Spritz für meinen Bruder und meine beste Freundin. Neben dem Erzählen nehme ich auch noch zwei Geburtstagsanrufe an – vom Mann der besten Freundin und von einer anderen lieben Freundin. Gegen halb 11 gehe ich bezahlen und stelle fest, dass man uns die Aufschnitt-Käse-Variation ebenfalls geschenkt hat. Die Rechnung ist dann am Ende für sechs Personen, das großartige Essen und den teuren Wein echt human, danke NATO würde ich sagen. Wir kommen aber auch so gerne wieder, das Restaurant lohnt sich wirklich!
Wir verabschieden uns und der Liebste und ich nehmen angesichts der ganzen zu schleppenden Geschenke (er hat ja auch noch die mitgebracht, die ich schon um Mitternacht auspacken durfte) ein Taxi zu mir nach Hause. Dort werden wir vom Mitbewohner und den Katzen willkommen geheißen. Wir nehmen uns noch ein Kaltgetränk (der Rest Weißwein von Sonntag für den Liebsten, Blaubeer-Salbei-Limo für mich) und setzen uns auf den dunklen Balkon. Die Katzen bekuscheln mich ausgiebig, während ich das Päckchen von den Liebsteneltern aufmache, das neben einem Buch noch diese Grußkarte enthält:

Außerdem lese und ich beantworte ich noch diverse Glückwünsche, die im Laufe des Abends eingetrudelt sind und schaue mir das zweiminütige Video an, das oben genannte liebe Freundin für mich zusammengestellt hat: Fotos von uns aus über 20 Jahren Freundschaft – Uni-Parties in Rostock, Chorfahrten, Konzertbesuche, den paar Wochen, in denen wir hier in Berlin zusammengewohnt haben, Team-Events aus den fast 12 Jahren, die wir Kolleginnen waren – wir kennen uns unser halbes Leben! Ich werde ganz gerührt von den vielen Bildern und Erinnerungen. Um 0:00 feiern der Liebste und ich offiziell aus meinem Geburtstag heraus und dann machen wir uns bettfertig.

Ein Kommentar zu „21.06.2023 – Büro, Fête, Pasta und Balkon“